Da ein Holländer* meine Windschutzscheibe mit einem großen Stein ermordet hat, habe ich heute und morgen die Gelegenheit, den neuen Ford Focus Turnier probezufahren.
[small]*(OK - es war dann doch nur ein holländischer LKW, der den Stein aufgewirbelt hat...)[/small]
Die Fakten:
- Ford Focus II Turnier "Trend" 1.6 TDCi DPF
- 1.6 Liter, 109 PS
- Jeansblaumetallic
- 195/65 R15 H Sommerreifen (Pirelli P6000)
- 5 Türen
Ausstattung (auszugsweise):
- ABS
- ESP/ASR
- Elektronischer Bremsassistent
- ZV mit FFB
- El. FH vorne
- Klimaanlage
- Beheitze und elektrisch verstellbare Aussenspiegel
- Beheizbare Frontscheibe
- Sony-CD-Radio
- Front-, Seiten-, Kopfairbags
Listenpreis: 22.100.- €
Der erste Eindruck:
Schick. Gefällige Karosserie, optisch an den aktuellen Mondeo angelehnt. Die Farbe "Jeansblaumetallic" wirkt frisch und passend. Die Radkappen sehen allerdings fürchterlich aus, allgemein hat diese recht niedrige Ausstattungslinie meinem Geschmack nach aussen zu wenig Pfiff. (Kein Chrom, keine lackierten Anbauteile (bis auf die Spiegel und Stoßfänger)) Die Türen lassen sich satt öffnen und schließen (klingt nach Golf...), die Sitzposition ist leicht erhöht, ähnlich wie im Astra.
Der Innenraum:
Zuhause. Ein kleiner Mondeo. Ähnliche Oberflächenmaterialien, gute Optik und Haptik des Armaturenträgers. Die Türgriffe und einige Plastikteile an den Türverkleidungen wirken allerdings etwas billig, was wohl an der niedrigen Ausstattungslinie liegt. Die Bilder von den Topmodellen Ghia und Titanium lassen bessere Materialien erwarten. Etwas 80er-Charme verbreitet das komplett schwarze Kunststofflenkrad - der Ledervolant der Modelle Sport, Ghia und Titanium mit den silbernen Streben und dem griffigen Leder passen definitiv besser zum restlichen Armaturenbrett. Das (Sony-) Radio und Klimaanlagenbedienteil sind mit silbernem Kunststoff eingefasst, ebenso wie die ovalen Lüftungsdüsen. Alles in allem nicht schlecht, meinem Geschmack nach in der Trend-Ausstattungslinie allerdings etwas zu schlicht.
Funktional gibt es eigentlich nichts auszusetzen. Das Sony-Radio ist klar beschriftet und genauso einfach zu bedienen wie die (manuelle) Klimaanlage. Alles liegt in Griffweite und nicht zu tief. Fensterheber und Spiegelverstellung (beides elektrisch) befinden sich in den Türverkleidungen. Etwas zu tief und hinterm Schaltknauf je nach eingelegtem Gang schlecht zu erreichen sind der Schalter für das ESP, die Front- und Heckscheibenheizung. Da man zumindest letztere Schalter eher selten während der Fahrt benutzt, ist das leicht zu verschmerzen.
Die Sitzposition ist - wie bereits erwähnt - leicht erhöht, was aufgrund der hohen Gürellinie des Focus allerdings eher positiv als negativ auffällt, wenngleich mir die tiefe Sitzposition in Mondeo, Golf, Passat und Konsorten besser passt.
Die Sitze sind bequem, der Schalthebel (vom Mondeo übernommen) liegt gut zur Hand. Der Blinker bietet die bekannte Komfortblinkfunktion, der Scheibenwischer ist in drei festen und einer variablen Intervallschaltung (8 Stufen) nutzbar und eigentlich in jeder Situation passend dosierbar. Der Regensensor hat mir trotzdem gefehlt und ich habe anfangs einige kurze Blindflüge hingelegt.
Motor / Fahrleistungen / Fahrwerk:
Der Motor ist eine komplette Neuentwicklung aus dem Joint-Venture mit dem PSA-Konzern und kommt unter anderem auch im Focus-Bruder Volvo V50 zum Einsatz.
Die Fahrleistungen sind die erste große Überraschung im Focus. Trotz kleinem Hubraum von 1.6 Litern und "nur" 109 PS (240 NM) fühlt sich der Motor definitiv nach mehr an. Auch der DPF fällt nicht negativ ins Gewicht. Er hat zwar nicht den TDI-Bumms des 1.9ers mit 105 PS im Golf, fühlt sich aber insgesamt eher nach 120 PS an. Im Stadtverkehr geht der Motor richtig ab, auf Landstraßen besitzt er eine gute Elastizität. Bis 160 km/h zieht er (im 5. Gang) gut an, danach wird es zäh. Der Vortrieb hat bei ca. 198-200 (lt. Tacho) ein Ende, was den eingetragenen 188 km/h Vmax in etwa entspricht. Allerdings kann man diesen jungfräulichen (~3.500 km) Motor sicher noch weichklopfen, sodass er noch einen Tick agiler und schneller werden dürfte.
Dem Motor hört man im Fahrbetrieb ausser beim Beschleunigen kaum noch an, dass es sich um einen Diesel handelt. Die Laufruhe ist vorbildlich, weit von den Treckern vom Schlage eines PD-TDIs entfernt. Auch die Isuzu-Diesel mit 1.7 Litern von Opel klingen rauer und kerniger.
Das Fahrwerk ist - fernab von jeder "Ford-Sympathie" - ein Knaller. Ich saß noch nie in solch einem fahraktiven Kombi. Das Fahrwerk vermittelt in schnell gefahrenen Kurven bei minimaler Seitenneigung ein gewisses Mitlenken, das Fahrzeug wird schier wie auf Schienen gezogen. Das hat mich derart angefixt, dass ich heute Abend bei strömendem Regen das Fahrwerk etwas ausgereizt und den Focus das Höllental (wer die Strecke kennt, weiss um den Anspruch dieses Abschnitts) einmal hoch und wieder runter gejagt habe. Astra und Golf können definitiv einpacken, der Mondeo ist dagegen ein träger Sack. Selbst der "Bruder" V50 ist wesentlich komfortabler ausgelegt und kommt nicht mit.
Die Verarbeitung...:
Ford hat verstanden. Wirkte im Focus I alles noch etwas anspruchslos, ist der Focus, was die Materialauswahl und die Verarbeitung selbiger angeht, definitiv mindestens auf einer Stufe mit dem Golf anzusiedeln. Der Astra kommt aufgrund der klapprigen Mittelkonsole mit beiden nicht mit. Auch härteste Beanspruchung (bin in einer dunklen Baustelle mit dem rechten Vorderrad in irgendein tiefes Loch geraten) entlockt dem Focus kein Klappern, Knirschen oder Knacken. Wie sich die Qualität auf Dauer hält, bleibt abzuwarten.
Highlight:
Definitiv das Fahrwerk. Was der Focus I 1998 repräsentierte, ist der Focus II 2005: Klassenmaßstab.
Fazit:
Das Dreigestirn ist komplett. Qualitativ sind Astra, Golf und Focus überwiegend an der Spitze angekommen. Unterschiede gibt es nur im Detail, entscheidend düften beim Kauf letztendlich Image, Preis und Design sein. Insgesamt sehe ich Focus und Astra vor dem Golf. Es gibt nichts, was der Golf besser kann als die beiden, beim Preis ist der VW dann eher abgeschlagen.
Stünde ich vor der Wahl, würde ich momentan zum Focus greifen, was nichts mit meinem momentanen Fahrzeug oder irgendeiner Markenverbundenheit zu tun hat. Der Focus hat das verspätete Erscheinen fast zwei Jahre nach Golf und Astra genutzt um zum Golf aufzuschließen und einige Details besser zu machen als der Astra.
Stefan