Um noch einmal auf die These zurückzukommen, der Bundeswehr-Soldat sei ein Staatsbürger in Uniform:
Es kann gut sein, dass in der Bundeswehr der Wille des einzelnen nicht so stark gebrochen wird wie in der US-Army. Praktische Erfahrungen mit der Ausbildung in den USA habe ich aber Gott sei Dank nicht.
Aber: Das Bild vom Staatsbürger in Uniform ist meines Erachtens ein ziemlicher Witz. Sicherlich gibt es ihn, das Ziel der Ausbildung in der Bundeswehr ist aber, einen entmündigten Befehlsempfänger zu schaffen.
Ich habe die Bundeswehr Anno '88 als absolut menschenverachtend empfunden, was sich auch durch Dutzende Beispiele (wie z.B. "Stellung!" auf Rollsplit am 2. Tag der Grundausbildung) belegen ließe, einen Roman möchte ich aber nicht schreiben.
Entscheidend ist, dass keine Armee der Welt den Gehorsam aufrecht erhalten kann, ohne den Willen des Einzelnen zu brechen. Ich würde gerne einmal sehen, was passiert, wenn man 1000 Leute auf ein Schlachtfeld stellt und ihnen befiehlt: "Macht was Ihr wollt!".
Allzu streng kann es mit der internen Kontrolle auch nicht sein, wenn ich beispielsweise an die häufigen "scherzhaften" Hitler-Grüße eines Unteroffiziers vor versammelter Mannschaft denke. Als ich nach meiner Verweigerung bis zur Verhandlung ständig Nachtwachen schieben musste, hat ein Anruf beim "Vorzimmer" des Obersts dann allerdings doch geholfen ...
Langer Rede kurzer Sinn: Wer als einfacher Soldat ständig wie ein Dämel behandelt wird und beigebracht bekommt, lieber draufzuschlagen als zu denken, hat mit Sicherheit stärker als ein Normalbürger das Bedürfnis, auch mal nach unten zu treten. Die Wahrung der Menschenwürde steht definitiv nicht auf dem Spielplan!
Auf die Gefahr hin, dass der Thread nun wegen meines Gejammers aus Mitleid geschlossen wird, noch ein Anekdötchen:
Bei einer Durchschlageübung hatten meine und andere Kompanien in kleinen Grüppchen verteilt nachts Rast gemacht (Truppenübungsplatz bei Munster). Wie immer klappte die Kommunikation nicht (da hätte man wohl Handys gebraucht), weswegen das alle paar Stunden wechselnde "Passwort", dass man zu sagen hatte, wenn man auf andere Einheiten stieß, nicht allen bekannt war. Da die Vorgabe lautete, dass andere Soldaten, die das Passwort nicht kannten, potenzielle Feinde sein, waren diese theoretisch festzunehmen.
Da die Stimmung insgesamt nicht gerade toll war, führte dies dazu, dass die meisten ihre Aufgabe sehr ernst nahmen und sich also eine erstklassige Massenschlägerei entwickelte, obwohl natürlich jedem klar war, dass die Mehrzahl auf Anruf nicht das richtige Kennwort sagen konnte. Das hatte zwar auch komische Aspekte, einigen "Kameraden" war aber auch anzumerken, dass sie in erster Linie ihren Frust an anderen ablassen wollten, wobei auch Gewehrkolben zum Einsatz kamen.
Wem es Spaß macht, die eigenen Kameraden zu verprügeln, dürfte bei gefangenen Irakern auch nicht gerade vor Zärtlichkeit überschäumen.
Und was soll ich euch sagen: Bei der Bundeswehr wird nicht einmal in erster Linie Riesling getrunken! Die trinken alle Bier! Ha!
Soviel aus Harrys Märchenstube.
Grüße, Riesling-Harry