ZDF – Siegelsbach, ein Dorf sucht einen Mörder !

  • Hat jemand auch zufällig diese Reportage auf ZDF gesehen (vergangenen Dienstag) und kennt den Vorfall ?


    Ich komme aus der Region und habe somit die Geschehnisse direkt verfolgt, selbstverständlich war ich auch interessiert an diesem Bericht im ZDF. Ich war doch sehr erstaunt wie neutral der Bericht war. Weder der Tatverdächtige, noch die Opfer wurden „an den Pranger“ gestellt.


    Lediglich die Anwältin des Tatverdächtigen hätte ich am liebsten in der Luft zerrissen. Die sagte doch glatt: „Die Vorverurteilung meines Mandanten am Stammtisch finde ich unerhört !“. Ich glaub die Anwältin muß mal ein paar Monate auf dem Dorf wohnen, da ist sowas normal :D

  • Re: ZDF – Siegelsbach, ein Dorf sucht einen Mörder !


    Zitat

    Original geschrieben von VFBler
    Ich glaub die Anwältin muß mal ein paar Monate auf dem Dorf wohnen, da ist sowas normal :D


    Tja...und genau deshalb hätte ich als Richter im Zweifelsfall wohl auch für den Angeklagten entschieden, da viele Zeugenaussagen von Einwohnern stammen.
    Wenn man in einem Dorf aufgewachsen ist, kann man wohl kaum verstehen, dass Menschen aus größeren Städten Sachen wie Dorfstammtischen bzw. in Dörfern kursierenden Meinungen aus objektiver Überlegung her extrem (!) negativ gegenüberstehen. Dorfler sind Teil davon gewesen und können es daher kaum einschätzen. Kindheit prägt.


    Habe den Bericht auch gesehen, bin allerdings der Meinung als orts- und fall unkundiger, dass die im Bericht aufgezeigte Lage ganz klar gegen den verdächtigen Mann spricht, ohne aber, dass dies das Ziel des Berichts war.

  • Mir ging es ähnlich. Anfänglich war ich von der Schuld des Bäckers auch überzeugt: Das Bargeld dass bei ihm gefunden wurde, die Tatwaffe (er besaß so eine, meldete sich aber vor über 4 Jahren als gestohlen), Fußabdrücke am Tatort, Aussagen des schwerverletzten Rentners, das dauernde Schweigen des hauptverdächtigen Täters (der Bäcker), etc.


    Aber als ich den Bericht gesehen habe, kamen mir jedoch auch Zweifel. Der Freispruch war nach unseren Gesetzten die logische Schlußfolgerung. Solange die Tatwaffe nicht zu finden ist, wird der Täter vermutlich auch nicht „gefunden“.

  • In dubio pro reo?


    Hallo Miteinander,


    ich habe den Bericht auch gesehen und muss sagen, dass mir die Neutralität dieser Sendung auch besonders positiv aufgefallen ist. Ich denke, auf so manchem Privatsender wäre es eher eine reisserische Sensationsstory geworden.
    Allerdings hat mich gewundert, dass der Bäcker "auf jeden Fall freigesprochen werden muss", so das Zitat des Richters. Die Unschuldsvermutung ist zwar ein hohes Gut in diesem Lande, jedoch fand ich die Beweislast schon erdrückend:

    • 2 Zeugen (der Rentner u. der Bankangestellte) haben den Bäcker erkannt
    • er hatte eine Waffe, die identisch mit der Tatwaffe ist. Diese wurde von ihm zwar als gestohlen gemeldet, gegenüber einem Bekannten (?) hatte er jedoch auch nach der Diebstahlanzeige behauptet, die Waffe noch zu besitzen
    • die Fussabdrücke, die auf Schuhe passten, die ihm gehörten
    • das gefundene Geld hinter/im Kühlschrank (im übrigen hatte er doch nach dem Prozess "die restliche Summe" bei der Konkurrenzbank eingezahlt. Das sichergestellte Geld + die Einzahlung ergeben ziemlich genau den Betrag, der in der Sparkasse geraubt wurde
    • ein mögliches Motiv: die hohe Verschuldung


    Natürlich sind dies alles noch keine Beweise, jedoch muss man doch auch nicht unbedingt einen Vergewaltiger in flagranti erwischen, oder einen Mörder noch mit Blut an den Händen.


    Ich bin ja durchaus für die Unschuldsvermutung - die Indizien (vor allem 2 Augenzeugen!) sind IMHO jedoch erdrückend.

    Viele Grüße
    +-<=|:-)*

  • Die Fragestellung bezog sich auch eher auf die vorigen Postings von Person und VFBler.
    Ich meine es genau so verstanden zu haben wie Du, als der Richter mitteilte der Angeklagte "müsse auf jeden Fall freigesprochen werden"....


    Das ist es ja auch, was für mich die Sache so unverständlich macht.
    Selbst wenn man den Grundsatz "In dubio pro reo" unterstellt, ist die sog. "Indizienkette" doch eigentlich auch massgebend, oder?

    Viele Grüße
    +-<=|:-)*

  • Na ja, einerseits hat man natürlich diese Indizienkette. Andererseits waren die Richter nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, so habe ich es zumindest verstanden, wohl der Überzeugung, dass der Bäcker zum Zeitpunkt der Tat nicht am Tatort gewesen sein kann. Wenn man dieser Überzeugung ist, kann man natürlich nur zum Freispruch kommen, mögen die Indizien auch noch so belastend sein. Der Grundsatz i.d.p.r. dürfte deshalb, wie von andi2511 schon geschrieben, keine Rolle gespielt haben. Er setzt Zweifel voraus, die das Gericht hier offenbar nicht hatte.


    Laut PM des LG HN muss die schriftliche Urteilsbegründung übrigens bis heute - 21. Juli - abgesetzt werden. Das ist die Frist des § 275 StPO.


    Ich vermute (rein gefühlsmäßig / nicht auf Tatsachen gestützt), dass der BGH das Urteil aufheben und die Sache zurückverweisen wird.

  • Aber der Grund, weshalb er nicht am Tatort gewesen sein kann, ist doch nur eine Zeugenaussage eines Bauern, der den Bäcker zur fraglichen Zeit mit seinem Lieferwagen im Dorf gesehen haben will.


    Man weiß daß Zeugenaussagen relativ wenig wert sind, Menschen irren sich sehr schnell und suchen immer wieder nach sinnvollen und logischen Zusammenhängen. Da kann es leicht passieren daß - gar nicht mal mit Absicht und in der wirklichen Überzeugung es so erlebt zu haben - Dinge zusammengewürfelt werden, die so aber nicht wirklich passiert sind.


    Es ist sehr schwer - weil sich Zeugen darüber oft auch gar nicht klar sind - wirklich Erlebtes von (unbewußten) Schlüssen aus Fragmenten zu unterscheiden.


    Gerade wenn man unter dem Eindruck eines Geschehens steht und die Situation immer wieder wie ein Film vor dem geistigen Auge abläuft "schleifen sich da vielleicht Details ab", die eigentlich eine Rolle spielen, die aber auf der Suche nach einer "runden Erklärung" wegfallen oder hinzugedichtet werden.


    Man kann das natürlich umgekehrt auch auf die Zeugen in der Bank, also den Rentner und den Bankangestellten, anwenden. Nur ist die Wahrscheinlichkeit, daß sich 2 Leute gleichzeitig in derselben Richtung irren, und den Bäcker erkennen obwohl es womöglich jemand anderes war, relativ unwahrscheinlich. Sehr viel wahrscheinlicher ist daß der Bauer nicht den Lieferwagen des Bäckers, sondern ein ähnliches Auto gesehen und verwechselt hat.


    Gerichte geben zwar sehr viel auf Zeugenaussagen - eigentlich aber zu Unrecht.


    Die ganzen anderen Indizien passen aber allesamt so gut daß ich es sehr unwahrscheinlich finde daß es nicht der Bäcker gewesen sein soll... Es passen einfach zu viele Dinge zu gut zusammen.


    Klar, man hat schon Pferde kotzen sehen und es mag kuriose Fälle gegeben haben, in denen jemand tatsächlich unschuldig war obwohl viel gegen ihn sprach. Aber wie wahrscheinlich ist das?


    Daß der Bäcker aus juristischen Gründen nicht verurteilt werden konnte ist die eine Sache, aber daß "nach Menschenverstand" fast alles gegen ihn spricht ist eben auch eine Tatsache.

    Ich dachte immer es sei technisch unmöglich mit jemandem Sex zu haben, der Dörte heißt...

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