Wer dachte, dass PayPal schon eine üble Sache für Verkäufer sein könnte, dem rate ich, mal etwas über den Amazon-Marketplace zu verkaufen. OK, man muss natürlich ein wenig nachhelfen und auch Glück haben, an einen ausreichend idiotischen Käufer zu finden... ![]()
Und so funktionierts: Man verkaufe über den Marketplace ein technisches Gerät, z.B. ein Lautsprechersystem. Man schreibe ein paar Zeilen dazu, wie z.B. "originalverpackt, originaler Lieferumfang", weil halt wirklich alles dabei ist, was original so drin war. Dann fehlt nur noch ein Käufer, der sich nach dem Kauf aus welchen Gründen auch immer über seinen Kauf ärgert (z.B. weil er dasselbe Teil bei ebay billiger gefunden hat) und nun einen Grund sucht, das Teil zurückgeben zu können.
Wenn man sich jetzt geschickt angestellt hat, hat man dem Käufer diesen Grund frei Haus mitgeliefert: Man vergisst z.B. ein simples Klinkenkabel mit einzupacken. Natürlich kann der Käufer das ganze Teil nun nicht einfach zurückgeben, weil ein Kabel für ein paar Euro fehlt. Also muss er den Verkäufer natürlich zunächst fragen, wo denn das Kabel sei. Man entschuldigt sich 1000x und verspricht, das Kabel schnellstmöglich nachzusenden. Dies tut man dann auch, ordentlich, wie man ist. Da das Kabel keinen großen Wert hat und man zudem ja noch nicht weiß, dass der Käufer ja eigentlich was ganz anderes will als das Kabel, versendet man es einfach als normalen Maxibrief. Großer Fehler - oder auch genau richtig - je nach dem, ob man wirklich nett sein oder das Amazon-System testen möchte. Denn nun geht der Spaß los:
Der Käufer hat das per normalem Brief erhaltene Kabel nie erhalten. Sagt einem das aber natürlich auch nicht, sondern reicht x Tage später bei Amazon einen Antrag auf Rückerstattung des Kaufpreises ein. Zu diesem Zeitpunkt denkt man sich als Verkäufer noch nichts weiter - schließlich wähnt man sich aufgrund der Amazon Marketplace "A-bis-Z-Garantie" auf der sicheren Seite. Dort heißt es wörtlich:
Welche Fälle erfasst die Amazon.de A-bis-z-Garantie?
* Der Käufer hat den Artikel bezahlt, der Artikel wird vom Verkäufer aber nicht geliefert.
* Der Käufer hat den Artikel erhalten, aber die Beschaffenheit des Artikels weicht in einer verkehrswesentlichen Eigenschaft von der Beschreibung des Verkäufers ab.
Weiter heißt es:
Die Beschaffenheit des Artikels weicht dann in einer wesentlichen Eigenschaft von der Beschreibung des Verkäufers ab, wenn der Verkäufer den Artikel eindeutig falsch und in einer Weise beschrieben hat, die den Wert oder die Gebrauchstauglichkeit des Artikels beeinflusst.
Da gibt es keinen Interpretationsspielraum: Das Fehlen eines simplen Klinkenkabels, das man für wenige Euro in jedem Elektronikladen kaufen kann, entspricht nicht mal annähernd diesen Richtlinien. Zudem sichere ich Amazon selbstverständlich zu, ein weiteres Kabel zu organisieren und dieses dem Käufer - diesmal per Einschreiben - zuzusenden und Amazon auch die Trackingnummer mitzuteilen.
Der Amazon-Computer, der die Mails von Kunden auswertet (und es kann wirklich nur ein Computer sein; kein Mensch kann so dumm sein) wertet die Aussage, dass die Trackingnummer dieses Einschreibebriefes nachgereicht wird, allerdings so, dass es sich dabei um die nachzureichende Trackingnummer der eigentlichen Sendung handeln würde, nimmt also an, dass der Käufer den eigentlichen Artikel noch gar nicht hat. Was aber zu keinem Zeitpunkt in Frage steht und auch vom Käufer gar nicht bestritten wird. Multiple Erklärungen per Mail und sogar ein Anruf bei Amazon (wo man allerdings aus der fraglichen Abteilung niemanden persönlich sprechen kann; diese Menschen sitzen hinter einer sicheren Telefon-Firewall) bringen nichts - weniger als 48h, nachdem der Käufer bei Amazon ein fehlendes Kabel im Wert von wenigen Euros reklamiert, belastet Amazon mein Verkäuferkonto mit dem Kaufpreis (ca. 160 Euro), welcher wenige Tage später per Lastschrift eingezogen werden soll.
Ich entziehe daraufhin Amazon die Genehmigung zum Lastschrifteinzug und weise darauf hin, dass ich in dem Moment, in dem der Betrag von meinem Konto eingezogen wird, Anzeige wegen Betrugs bei der Polizei stellen und zudem den Betrag natürlich auch sofort zurückbuchen lassen werde. Die Stichworte "Anzeige" und "Polizei" bewirken offenbar, dass sich nun doch ein Mensch mit dem Fall beschäftigt. Der Käufer, der seine Ersatzkabel zwischenzeitlich per Einschreiben erhalten hat, hat aber auch bereits Geld von Amazon bekommen und lässt daher mitteilen, dass er das Boxenset für ein halbes Jahr bei sich im Keller zur Abholung für mich bereithält. Amazon bittet daraufhin (diesmal wird tatsächlich unterwürfig darum gebeten), dass ich dem Rückgabewunsch doch zustimmen möge. Ich verweise nochmals darauf, dass in diesem Falle von vornherein und selbst, wenn ich das Kabel nicht nachgeliefert hätte, kein Anspruch des Käufers auf eine Rückgabe der Ware bestanden hat. Ich weise Amazon erneut darauf hin, dass wenn der meinem Amazon-Konto belastete Betrag nicht rechtzeitig vor der erfolgenden Lastschrift von meinem Giro wieder gutgeschrieben ist, ich aufgrund der entzogenen Lastschriftgenehmigung von einer betrügerischen Kontobelastung ausgehen und daher Anzeige erstatten müsse.
Und nun gehts dann plötzlich: Amazon entschuldigt sich und schreibt mir den Betrag weniger als eine Stunde nach meiner letzten Mail wieder gut. Auf diesem Betrag werden sie jetzt wahrscheinlich sitzenbleiben, denn der Käufer hat die Erstattung natürlich auch schon bekommen, und ich glaube nicht, dass die sich das dann so ohne Weiteres wieder zurückholen können. Allerdings geschieht ihnen das Recht - wenn man nur ein klein wenig mehr in Personal investieren und dafür sorgen würde, dass solche Fälle, bei denen eine manuelle Bearbeitung durch nach Möglichkeit EINEN Sachbearbeiter unerlässlich ist, erfolgen würde, wäre es gar nicht erst so weit gekommen. Aber wenn man das komplette CMS einem Bot überlässt, kommt halt sowas bei raus.
Mein Fazit: Den Amazon-Marketplace nutze ich als VERKÄUFER sicherlich nicht mehr - auch wenn hier natürlich von Anfang an klar war, dass ich Recht habe und mein Geld so oder so zurück bekommen hätte - mit Amazon oder Ohne.