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Original geschrieben von Printus
Es ist auch Tatsache, dass materieller Reichtum nichts über die Zufriedenheit der Menschen aussagt und der finanzielle Reichtum "des Westens" insgesamt, insbesondere aber der obersten paar % dort, für Armut in weiten Teilen der Welt sorgt. Zufriedene Profiteure des Systems sind eine ganz kleine Minderheit der Weltbevölkerung. Die große Mehrheit wird ausgebeutet.
Bitte definiere "Ausbeutung". Bei wie viel Euro / Dollar / Yen pro Stunde / Tag /Woche / Monat hört "Ausbeutung" auf, eben genau das zu sein?
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Original geschrieben von Printus
[Schulden sind kein Zwang]
Im übertragenen Sinne schon. Die Staatsverschuldung und die Rettungspakete für Banken, für Griechenland (das Geld landet auch nur bei den Banken, nicht bei den Griechen) bedingen, dass es eine Pro-Kopf-Verschuldung von mehreren tausend Euro pro Einwohner gibt.
Im konkreten Sinne aber nicht, und darum geht es hier wohl! Für "Staatsschulden" kann Dich niemand persönlich haftbar machen. Da kann kein Gericht beschließen, dass Du jetzt mal eben Deinen persönlichen Anteil der "Pro-Kopf-Verschuldung" zurückzahlen musst.
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Original geschrieben von Printus
[Kredite sind kein Zwang]
Wer kann sich denn heute den Lebensrealitäten so entziehen? Was du hier skizzierst ist eine Utopie, die für kaum jemanden real umsetzbar ist.
Das ist schlicht und einfach falsch. Ich habe weder Schulden bei einer Bank noch bei sonst wem und ich überziehe auch mein Konto nicht. Ich kaufe mir nur etwas, wenn ich das Geld dafür (gespart!) habe, und ich verstehe Leute nicht, die meinen, ständig "auf Pump" leben zu müssen.
Man kauft Dinge, die man nicht braucht, bezahlt sie mit Geld, das man nicht hat, und das alles, um Leuten zu imponieren, die man nicht leiden kann! Das fand ich schon immer schwachsinnig und das hat sich bisher nicht geändert. Übrigens war es in den 1950er und 1960er Jahren in der BRD völlig normal, Dinge nur mit dem Geld zu kaufen, das man tatsächlich bereits verdient hatte. Wahrscheinlich ist es nur Zufall, dass diese beiden Jahrzehnte genau die mit dem größten und gesündesten Wirtschaftswachstum der deutschen Geschichte waren, nicht wahr?
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Original geschrieben von Printus
Unser ganzes System ist auf Krediten und Zinsen, auf ständigem Wachstum und Konsum aufgebaut. Theoretisch kann man sich dem zwar versuchen zu verweigern. Nur schließt man sich damit auch aus der Gesellschaft aus weil ein normales Leben in der Praxis gar nicht mehr anders funktioniert.
Wir reden hier nicht über iPhones und neue Autos alle drei Jahre, sondern defekte Waschmaschinen, Mietkautionen, Bafög etc. Auch "Konsumverweigerer" haben regelmäßig nicht so viel Geld unter dem Kopfkissen, dass sie sich jedweder Kreditbedürftigkeit komplett entziehen können.
Doch, merkwürdigerweise klappt das bei mir ganz gut. Aber ich gehöre eben zu denen, die ihr Geld zusammenhalten, zu denen, die von Kindesbeinen (ja, schon mit dem ersten Taschengeld, das waren vor ca. 40 Jahren 50 Pf pro Woche) die alte Weisheit beherzigten: Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not. Aber ich gehöre eben auch zu denen, die sich qualitativ hochwertige Sachen kaufen, die dann entsprechend lange halten. Und ich kaufe mir eben nicht jeden Kram, bloß weil er neu ist. Beispiel: Es gibt seit ungefähr 10 Jahren Flachbildschirm-TV-Geräte (Plasma --> LCD --> LED), doch ich verwende immer noch ein mittlerweile 16 Jahre altes Röhrengerät, weil mir das für die zwei oder drei Stunden Fernsehen in der Woche dicke ausreicht; bei den meisten "Hartzern" stehen teurere Fernseher in der Bude als bei mir. Aber da mein Gerät noch einwandfrei funktioniert, kaufe ich auch kein neues. Meine Wohungseinrichtung ist nicht die allerneuste, aber da es sich um qualitativ sehr gute Massivmöbel handelt, die ich z. T. zusammen mit meinem alten Herrn (seines Zeichens Schreinermeister) selbst gebaut habe, sind die immer noch tip top und werden zu meinen Lebzeiten wohl kaum ersetzt werden müssen (außer der weißen Ware in der Küche natürlich, den Matrazen und Polstern usw. natürlich).
Ich habe mich schon immer, wo irgend möglich, Produkten mit eingebauter Obsoleszenz verweigert. Und wenn man das tut, und sich vor jedem Kauf wirklich ernsthaft prüft, ob man das "Objekt seiner Begierde" wirklich benötigt oder ob man es einfach nur aus irgendwelchen irrationalen Gründen "haben will", dann stellt man fest, dass der Bedarf an Geld sinkt und der Bedarf an "Kredit" gegen Null geht. Und damit das jetzt nicht falsch verstanden wird: ich gönne mir durchaus etwas (siehe auch den Whisky-Thread hier im Forum) und ernähre mich garantiert nicht von der sprichwörtlichen Tütensuppe, bloß um Geld zu sparen. (Allerdings trage ich mein Geld auch nur äußerst selten in die Gastronomie; wenn ich mir anschaue, wie viel Kohle meine Kollegen da jedes Wochenende "verbraten", wundert es mich auch nicht, dass die ständig ihr Dispolimit ausloten müssen...)
Also, wie gesagt: objektiv kann man sich dem Kreditbedarf durchaus entziehen. Wer natürlich nicht die Disziplin aufbringen kann oder will, seinen Lebensstandard nach dem auszurichten, was das selbst verdiente Geld zulässt und statt dessen ständig auf Pump lebt und auf "Ratata" kauft, der empfindet das Schuldenmachen und Schuldenhaben wohl irgendwann als etwas völlig Normales und sucht die Verantwortung dafür nicht mehr bei sich selbst und seinem eigenen Mangel an Disziplin, sondern schiebt "dem bösen System" die Schuld zu. Na klar, das ist ja auch soviel einfacher und bequemer, wenn man für alles einen Sündenbock hat. "Systeme" sind für diese Rolle übrigens ganz besonders gut geeignet, denn die geben nicht einmal Widerworte, wenn man sagt: "Das System ist schuld."
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Original geschrieben von Anja Terchova
In den Medien wird ueberall Konsum vorgelebt, und die Obersicht zeigt wie sie in Luxus badet.
Die restliche Bevoelkerung weis zwar durchaus das man nicht alles haben kann, aber mal ehrlich will doch jeder ein bisschen an dem was heute moeglich ist teilhaben.
Also gibst Du mir im Grunde doch recht: es ist die Disziplinlosigkeit, Kurzsichtigkeit, das Geltungsbedürfnis, die Großmannssucht, es "denen da oben" in Sachen Luxus gleichzutun oder ihnen wenigstens mal gefühlsmäßig nahe zu kommen, dass die Leute zum Schuldenmachen animiert und dazu bringt, über ihre Verhältnisse zu leben.
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Original geschrieben von Anja Terchova
Nur sind viele Einkommen so niedrig das es selbst dafuer nicht reicht, und auch mit sparen keine Budgets angespart werden koennen, die dafuer reichen wuerden.
Wenn jetzt in den unteren und mittleren Einkommensschichten das Einkommen so waere, das man auch mit sparen sich in absehbarer Zeit ein bisschen Individualitaet und Luxus leisten kann, dann wuerden sich auch nicht soviele Leute verschulden.
Nun, ich verdiene sicherlich nicht schlecht, aber dass ich es nicht ohne massiv Schulden zu machen, mit dem "Lifestyle" der oberen Zehntausend (oder auch Hunderttausend) aufnehmen könnte, weiß ich doch selbst, ich bin ja schließlich nicht auf den Kopf gefallen. Deshalb bin ich weder auf diese Leute neidisch noch meine ich, ihnen unbedingt nacheifern zu müssen, bloß um irgendwann dann auch mal soviel Geld zu haben (oder in der Illusion vor mich hin zu schuften, dass ich vielleicht mal irgendwann so reich sein könnte).
Ich leiste mir halt das, was ich mir leisten kann, ohne mich dabei zu verausgaben oder zu verschulden. Was innerhalb dieser Grenzen geht, das mache ich, wenn ich der Ansicht bin, dass es mich weiterbringt, und was nicht geht, das unterbleibt eben. Ich weiß, dass ich mir nicht alle paar Jahre ein neues Auto, neue Möbel, zwei oder drei Mal im Jahr in den Fernurlaub usw. leisten kann. Aber ganz ehrlich: damit kann ich leben, und zwar sehr gut.