Zitat
Original geschrieben von DUSA-2772
Wünschenswert wäre für alle Schulen mal eine ideologiefreie Diskussion. Aber die scheint mir seit ich die Schulpolitik mitverfolge (das ist seit 1987) bei keiner Partei möglich.
Träum ruhig weiter. 
Ideologiefreie Diskussionen hat es in der Schulpolitik noch nie gegeben; bereits das Wort Schulpolitik impliziert doch bereits die ideologische Basis, auf der jede Schul- und Bildungspolitik aufsetzt - und auch aufsetzen muß. Jede politische Diskussion ist immer ideologisch, und solange sich jeder Diskursteilnehmer seiner eigenen ideologischen Befangenheit bewußt ist, seine Grenzen erkennt und anerkennt, ist dies ja auch unproblematisch.
In pädagogischen Diskussionen Ideologiefreiheit zu fordern wäre so, als verlangte man die Einführung einer durchgängigen Tempo 30-Zone in der Formel Eins oder die Abschaffung von Toren beim Fußball. 
Traurig ist allerdings, daß durch parteipolitisches Taktieren - aber dies schon seit der Abschaffung der sogenannten Volksschule in den 1960er Jahren - auch jeder noch so zarte Überrest eines bildungs- und schulpolitischen Konsenses in Deutschland längst gegen die Wand gefahren wurde.
(In der Weimarer Republik war es bei der Diskussion um die sogenannten Reformschulen übrigens nicht viel anders. Und mit Ausnahme des Deutschen Reiches von 1871 bis 1918 und nach der sogenannten "Gleichschaltung" von 1933 bis 1945 gab es in Deutschland ohnehin keine zentral verordnete Schul- und Bildungspolitik; die Schulen waren immer eine Domäne der Länder, welche auch eifersüchtig darüber wachten, daß keine wie auch immer geartete Zentralregierung sich in "ihre Angelegenheiten" mischte.)
Tatsächlich benötigen wir keine Diskussionen über Verbote von Mobiltelefonen oder anderem elektronischem "Spielzeug" an den Schulen - das ist m. E. blinder populistischer Aktionismus, mit dem überspielt werden soll, daß man bildungs-, erziehungs- und schulpolitisch inzwischen parteiübergreifend längst mit dem Latein am Ende ist.
Was wir dringend brauchen, ist einerseits eine Abkehr von der Kuschel-Pädagogik, die ich eher als gefährlich indifferentes Laissez-faire ansehe, ohne dabei andererseits in ein classroom management by intimidation zu verfallen. Denn schließlich brauchen wir immer noch Schulen, und keine boot camps nach amerikanischem Vorbild. Wir brauchen Lehrer, die Respektpersonen sind, aber ganz sicher keine drill instructors.
Was die Integration von Kinder "mit Migrationshintergrund" angeht, habe ich genau so wenig eine Lösung parat wie sonst irgend jemand. Schließlich läßt sich nicht ad hoc eine Entwicklung rückgängig machen, an deren praktische Folgen man über drei Jahrzehnte keinen konkreten Gedanken verschwendet hat.
Was ich aber sicher weiß: Wir brauchen nicht nur mehr Lehrer, um wieder zu halbwegs aktzeptablen Klassenstärken zurückkehren zu können, sondern auch besser ausgebildete. Es muß sichergestellt sein, daß in der Schule klare Regeln, verknüpft mit entsprechenden Sanktionen bei Nichtbefolgung, nicht nur auf dem Papier exisitieren, sondern auch in der Praxis konsequent durchgesetzt werden.
Einhergehend damit muß Kindern aber auch eine Chance geboten werden, damit sie selbst einsehen, daß Lernen Sinn macht - sogar und gerade, wenn man Hauptschüler ist. Durch unsere völlig verfehlte Schulpolitik haben wir die Hauptschulen zu "Restschulen" verkommen lassen, an denen alle die Lehrer, die es nicht wenigstens zum Realschullehrer gebracht haben, auf die Schüler treffen, die es nicht einmal auf eine Gesamtschule geschafft haben.
Eine Diskussion über Schul- und Bildungspolitik ohne die Berücksichtigung des ökonomischen und gesellschaftlichen Umfeldes, in dem sie stattfinden soll, macht überhaupt keinen Sinn. Das ist das Gefährliche an der Diskussion. Denn mir scheint, im Moment weiß kaum jemand, welche Art von Gesellschaft sich eigentlich entwickelt und in welchem Umfang ein wie auch immer geartetes politisches Instrumentarium dazu in der Lage ist, nicht erwünschte Entwicklungen aufzuhalten oder abzumildern, andere Entwicklungen in die richtigen Bahnen zu lenken und zu verstärken.
Von daher erachte ich eine Diskussion über ein Verbot von Mobiltelefonen an Schulen für vollkommen überflüssig. Denn bevor nicht die Grundlagen geklärt sind, nützt ein Herumpfuschen an einem einzelnen von vielen Symptomen absolut nichts. Gewalt unter Schülern und Jugendlichen und Lernunwilligkeit in den Klassenzimmern auf das Vorhandensein von Handfunken in Schülerhänden zurückzuführen statt auf eine völlig verfehlte Integrations-, Bildungs- und letztlich auch Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik und die daraus resultierende Perspektivlosigkeit vieler Jugendlicher (nicht nur ausländischer, sondern auch deutscher), erscheint mir geradezu lächerlich.
Viele Grüße und einen
Happy (Sun)Day