Mal aus Händlersicht...
Da sich nun die meisten hier aus Sicht des "armen, über den Tisch gezogenen Kunden" ausgekotzt haben, möchte auch ich als (Lebensmittel-) Händler mal meinen Senf dazugeben.
Vorweg möchte ich sagen, daß auch an meinem kritischen Auge die Preiserhöhungen nach (aber auch schon vor!) der Euro-Einführung nicht vorübergegangen sind.
Dennoch macht ihr es euch doch vielleicht ein bißchen einfach, wenn ihr alles auf die "Bösen Händler" schiebt. Es gab nun mal in Deutschland durch den gnadenlosen Wettbewerb schon lange vor der Euro-Einführung einen "Preisstau", der sich in den letzten 18 Monaten endlich (durch die Preiserhöhungen) ein bißchen entspannt hat!
Ich als einer der "bösen Einzelhändler", die so eiskalt die Preise erhöhen, möchte euch mal eben ein paar Dinge in den Raum werfen, aufgrund derer als Basis man gerne weiterdiskutieren kann: Jeden Monat erhalte ich eine Übersicht über meine Spannen. Das heißt, ich kann genau nachverfolgen, um welchen Prozentsatz ich meine Artikel gegenüber dem Einkaufspreis "teurer" mache. Meine Spannen sind (wie auch die aller meiner Kollegen im Bezirk und die der gesamten Ladenkette - ich spreche jetzt nur von dem Konzern, für den ich tätig bin) im Vergleich zum Vorjahr gesunken! Das bedeutet, wenn der Preis trotzdem steigt: Ich kaufe teurer ein als noch vor einem Jahr! Ich als Händler habe also an der Euro-Umstellung keinen müden Cent verdient.
Noch ein Beispiel: In meiner Obst- und Gemüse-Abteilung werden (nach Gewicht und Anzahl) die gleichen Mengen in die Theke geräumt und auch verkauft wie noch vor einem Jahr. Dennoch sinkt mein O+G-Umsatz um fast 20%. Woran liegt das? Klauen die Leute mehr? Nein! Die O+G -Preise sind um diesen Prozentsatz gesunken!
Noch nie zu DM Zeiten habe ich gesehen, daß es 500 Gramm Paprika für 39 cent (brob gerechnet 77 Pfennig!) gab, oder den 10 Kilo Sack Kartoffeln für 99 cent (grob 1,96 DM)!
Und da wollt ihr mir erzählen, der Handel füllt sich die Taschen?!
Gerade die, die bei Aldi und Co einkaufen gehen und damit "angeben", sind die, die am Wenigsten aufgepaßt haben: Aldi hat schon vor Jahresmitte 2001 sein Preisniveau ordentlich angehoben. Auf dieser Basis ist natürlich leicht gesagt: "Wenn der Euro kommt, senken wir alle Preise". Eine wirkliche Preissenkung war das nicht. Aldi hat alle ordentlich verarscht! Aber er hat es geschickt gemacht. Ich empfinde durchaus Respekt für die Art und Weise, wie die Sache abgelaufen ist.
Solche "Preisrunden" vor dem Euro gab es übrigens viele. Wir hatten die meisten Preiserhöhungen nicht nach der Euro-Einführung, sondern (ganz klammheimlich) im zweiten Quartal 2001. So wäre also auch eine gesetzliche Preisbindung locker-lässig ausgehebelt worden. Komisch übrigens, daß damals (im 2. Quartal 2001) keiner über höhere Preise gemeckert hat.
Sicherlich ist ein Grund für diese "subjektiven" Preiserhöhungen auch der, daß wir zum Einen einen psychologisch ungünstigen Wechselkurs hatten (Thema 1:2), jedoch auch, daß man halt dann gerne in die eine oder andere Richtung noch ein paar "draufschlägt", damit es extremer wird.
@Krähe: Dein Beispiel mit der Milka paßt da ganz gut: Es ist richtig, daß die Milka teurer geworden ist, nur hat sie halt vorher nicht 0,99 gekostet, sondern (zumindest überall da, wo ich einkaufe) 1,09 DM. Wenn Du einen niedrigeren DM-Preis zugrunde legst, dann mußt Du auch den niedrigeren Europreis zum Vergleich nehmen (im Lidl oder sonstwo gibt es die Milka sicherlich günstiger als 65 cent), sonst vergleichst Du Äpfel mit Birnen.
Und zu guter Letzt: Wenn ich 500 Euro für ein Mobiltelefon ausgebe, für das ich vorher "keine 1000 DM gezahlt hätte" und danach mit Schrecken feststelle, daß mein Geldbeutel leer ist, dann darf ich das aber nicht auf Preiserhöhungen schieben, sondern ausschließlich auf mein verändertes Einkaufsverhalten.
Viele machen den Fehler und gönnen sich jetzt auch mal was außer der Reihe (und sei es nur ne Cola auf dem Jahrmarkt), ohne darüber nachzudenken, was das zu DM-Zeiten gekostet hat (dann hätte man es sich nämlich wirklich nicht "gegönnt"). Und danach glaubt man, man wäre der Euro-Inflation zum Opfer gefallen...
Ach, ich könnte ja noch so viel schreiben...
[EDIT] div. Schreibfehler