Interview mit Nokia-Chef Jorma Ollila in Welt am Sonntag

  • Alle die jetzt ein wenig enttäutscht von Nokia sind, da sie kaum Neuheiten auf der CeBit vorgestellt haben, können noch hoffen. Der Nokia-Chef hat angekündigt, dieses Jahr auch wieder um die 40 Handys vorzustellen.


    Hier das ganze Interview von http://www.wams.de:



    "Auf die Technik kommt es nicht an"
    Exklusiv: Nokia-Chef Jorma Ollila über die Zukunft der Telekommunikation, den europäischen Standort und den Kampf gegen Microsoft




    WELT am SONNTAG: Herr Ollila, Nokia hat früher Papier verkauft, später Gummistiefel und heute Handys. Was kommt als Nächstes?



    Jorma Ollila: Unsere Industrie verändert sich sehr schnell. Das ist gut für uns. Nokia wird in der Tat nicht mehr so wie früher sein, da es sich um eine neue Mobilitätsindustrie handelt, in der wir sowohl Geräte als auch Lösungen, Infrastruktur und Software verkaufen wollen.



    WamS: Sie stellen bereits tragbare Spielekonsolen, MP3-Player, digitale Kameras und sogar winzige tragbare TV-Geräte her. Wird Nokia ein Unterhaltungselektronik-Konzern?



    Ollila: Die Rasanz in der Branche führt dazu, dass auch die traditionellen Unterhaltungselektronik-Unternehmen nicht mehr das sein werden, was sie jetzt sind. Nokia wird sich aber nicht direkt in diese Richtung bewegen. Die Unterhaltungselektronik ist sehr stark von der Hardware geprägt. Nokia wird sich stärker Richtung Software bewegen, die unter dem Strich alles steuern wird. Natürlich werden wir auch weiter Geräte und Lösungen auf den Markt bringen. Aber die Software bekommt dabei ein höheres Gewicht.



    WamS: Sie verdienen aber heute das meiste Geld mit Geräten.



    Ollila: Gegenwärtig ist das so.



    WamS: Was bedeutet dieser Wandel für Nokia?



    Ollila: Wegen der Konvergenz von Telekommunikation, Informationstechnologie und Unterhaltungselektronik müssen wir neue Partnerschaften suchen und neues Know-how entwickeln. Das kann auch bedeuten, dass wir kleinere Unternehmen zukaufen. Ich glaube aber nicht, dass ein größerer Merger mit einem Player aus diesen Branchen notwendig sein wird.



    WamS: Sie treten nun gegen Schwergewichte wie Sony an. Sind Sie auch darauf ausreichend vorbereitet?



    Ollila: Sehen Sie, in den frühen neunziger Jahren gab es 40 bis 50 Handy-Hersteller. Heute gibt es immer noch so viele. Allerdings sind etwa 20 neue Namen hinzugekommen, die meisten aus Asien. Genauso viele sind verschwunden. Es gibt also viel Bewegung und neue Spieler kommen hinzu. Das ist unsere Situation. Uns geht es gut dabei. Wir wissen, dass wir neues Know-how und Kooperationen finden müssen. Aber das macht uns keine Angst.



    WamS: Die Mobilfunkanbieter haben schwierige Jahre hinter sich. Was haben die Unternehmen in der Krise gelernt?



    Ollila: Zwei Dinge. Zum einen gibt es keine automatische Aufwärtsbewegung. Diesen Eindruck konnte man in den neunziger Jahren haben. Zum anderen haben wir gelernt, dass es in unserer Branche nicht um Technologie geht.



    WamS: Wie bitte?



    Ollila: Ja, Sie haben richtig gehört. Es geht an vorderster Stelle um menschliche Bedürfnisse und Interaktion. Wir haben in der Vergangenheit die Technologie zu stark betont. Nokia hat aber gelernt, sich wirklich auf die Kundenbedürfnisse zu konzentrieren. Die Branche hat diese Phase aber trotzdem gut überstanden. Nun sehen wir einen vorsichtigen Optimismus.



    WamS: Sie sind der größte Player in dieser Industrie. Zuletzt ist Ihr Marktanteil bei Mobiltelefonen aber leicht zurückgegangen.


    Ollila: Unser Marktanteil ist mit rund 38 Prozent sehr hoch. Das gefällt uns. Wir haben immer wieder gesagt, dass wir gern 40 Prozent hätten. Aber das ist nicht das Wichtigste. Es geht uns jetzt darum, dass wir mit neuen Technologien wie dem schnellen Mobilfunkstandard UMTS die Bedürfnisse treffen und so Werthaltigkeit erreichen.



    WamS: Wie wird sich die Telekommunikations- und Informationstechnologie-Branche in den kommenden Jahren entwickeln?



    Ollila: Wir werden in der Branche eine Zunahme der Absatzzahlen in allen wichtigen Segmenten sehen. Das Wachstum der Volkswirtschaften ist da. Sowohl in den OECD-Ländern als auch in den Emerging Markets. Darüber hinaus wird die technologische Entwicklung einen Preisverfall verursachen. Genau deswegen müssen wir bei Nokia weiterhin an der Werthaltigkeit unserer Produkte arbeiten. Wenn uns das in den nächsten drei bis fünf Jahren gelingt, können wir auch wieder zweistelliges Umsatzwachstum haben. Das bezieht sich nicht nur auf unser Unternehmen, sondern auch auf andere Telekom- und IT-Konzerne. Insgesamt stehen wir am Beginn eines leichten Aufwärtstrends.



    WamS: Eine Rückkehr zu den Wachstumszahlen von 30 bis 40 Prozent wie Ende der neunziger Jahre?



    Ollila: Das wäre schön. Aber diese Zeiten werden so schnell nicht wiederkommen.



    WamS: Unternehmen in Westeuropa und den USA verlagern ihre Produktion zunehmend ins Ausland. Ist Europa als Investitionsstandort überhaupt noch attraktiv?



    Ollila: Nokia ist da ein gutes Beispiel. Wir hatten früher in Europa lediglich zwei Produktionsstätten in Finnland und in Deutschland. Uns reichte das. Vor vier Jahren haben wir dann eine weitere Produktionsstätte in Ungarn geöffnet, um aus Kostengründen wettbewerbsfähig zu sein. Trotzdem ist die Produktion auch in Deutschland und Finnland gewachsen, bei Arbeitsplätzen haben wir ohne Entlassungen nur leicht abgebaut. Es geht also auch in Westeuropa. Wir müssen nur sicherstellen, dass wir dort hochwertige Produkte bauen, die sich nicht überall herstellen lassen. Da kommen die Vorteile von Faktoren wie Know-how und qualifizierte Arbeitskräfte zum Tragen.



    WamS: Werden Sie auch in Zukunft weiter in Deutschland produzieren?



    Ollila: Auf absehbare Zeit schon. Aber wir müssen ständig die Produktivität steigern, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Insbesondere im Vergleich mit Ländern wie Ungarn, in denen die Arbeitskosten deutlich niedriger sind. Unsere Mitarbeiter wissen das. Wir stehen ständig im Dialog und machen unsere Situation transparent.



    WamS: In diesen Tagen starten die UMTS-Dienste in Deutschland, nachdem der Startschuss mehrfach verschoben wurde. Die Mobilfunknetzbetreiber geben Ihnen die Schuld daran.



    Ollila: Tatsächlich ist die Industrie spät dran. Die Technologie hat sich als viel komplexer herausgestellt, als wir uns das vorstellen konnten.



    WamS: Wo liegt das Problem?



    Ollila: Insbesondere das Testen der Verträglichkeit von Geräten und Infrastruktur verschiedener Hersteller hat viel länger gedauert als geplant. Dadurch haben sich auch die Handys verspätet. Denn die Geräte kommen immer zuletzt. Wir hatten die gleichen Probleme und die gleiche Diskussion übrigens auch bei der Einführung früherer Mobilfunk-Technologien. Und wir werden sie in Zukunft wieder haben. Das wird sich nicht ändern.




    WamS: Die Erwartungen an UMTS sind hoch. Werden hier alte Fehler wiederholt?



    Ollila: Es ist üblich, dass neue Technologien kurzfristig überschätzt werden. Langfristig werden sie dafür unterschätzt. UMTS wird sich in den nächsten fünf bis sieben Jahren sowohl beim mobilen Telefonieren als auch bei der Datenübertragung durchsetzen. Sie würden eine langsamere Technologie dann nicht mehr akzeptieren.



    WamS: Sie sagten, Ihr Unternehmen wird sich künftig stärker auf Software ausrichten. Die Übernahme des Psion-Aktienpaketes am Handy-Betriebssystemhersteller Symbian unterstreicht diese Strategie. Aktionäre wie Siemens, Sony-Ericsson oder Samsung befürchten, dass sie aus der offenen Plattform eine eigene und exklusive Handy- software machen.



    Ollila: Das wird nicht geschehen. Das Konsortium wird in etwa so weiterarbeiten wie bisher. Die Vereinbarung der Aktionäre existiert ja fort, jeder kann sich einbringen. Der einzige Unterschied wird sein, dass der Finanzinvestor Psion nicht mehr dabei ist. Unser Ziel ist es nicht, den kompletten Psion-Anteil von 31 Prozent zu übernehmen. Ich glaube auch nicht, dass es so kommen wird. Wir ermutigen die übrigen Aktionäre, von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen. Symbian wird in jedem Fall Industriestandard sein.



    WamS: Sie werden auf dem Software-Markt für Handys nicht allein unterwegs sein. Sehen Sie den Markteintritt von Microsoft als Gefahr an?



    Ollila: Es wird neue Mitspieler aus der IT-Welt geben. Microsoft ist ehrgeizig. Aber wir sind in unserem Bereich sehr stark. Symbian wird den Markt der Smartphones weiterhin anführen. Wir bekommen zwar Konkurrenz, aber wir werden uns durchsetzen - auch gegen Microsoft.



    Artikel erschienen am 21. März 2004

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