Hello again.
Nachdem man üblicherweise seinen Jahresurlaub bevorzugt nicht in den bekannten und bewährten Krisengebieten und Regimestaaten dieser Welt verbringt, möchte ich mit einem kleinen und punktuellen "Testbericht" meiner Syrienreise aufwarten und diesen - aufgrund eigener Erinnerungen oder gezielter Nachfragen - nach und nach ausbauen.
[small]letztes Update: 22.09. 13:00h[/small]
Warum Syrien?
Warum nicht? Syrien ist eines der kulturell reichhaltigsten Länder des Nahen Ostens, es finden sich zahlreiche und gut erhaltene Spuren verschiedener Hochkulturen. Sowohl für Fans des alten Rom wie auch für Bibelfreaks und Islamisten ist das Land höchst interessant - und auch der gemäßigte Rest kommt kulturell auf seine Kosten.
Hauptgrund meiner Reise war allerdings ein anderer: eine Freundin lebt seit einem Jahr in Damaskus, um ihre arabischen Sprachkenntnisse fürs Studium zu vertiefen und so bot es sich an, den Urlaub einmal in einem etwas anderen Teil der Erde zu verbingen als gemeinhin üblich.
Über Syrien
Syrien hat rund 16 Millionen Einwohner, Hauptstadt ist Damaskus. Die Basis-Fakten liefert Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Syrien
Syrien gehört laut dem amerikanischen Präsidenten zur "Achse des Bösen" und spielt eine zentrale Rolle im internationalen Terrorismus. Soweit die Theorie.

[small]Blick über das nächtliche Damaskus vom Mount Kasjun aus, dem Berg auf dem Kain Abel erschlagen haben soll.[/small]
Preise und Rahmenbedingungen
Syrien ist billig. Der Flug via Istanbul dauert rund fünf Stunden und kostet ca. 400,-
Vor Ort erfährt die Geiz-ist-Geil-Mentalität dann allerdings ungeahnte Höhepunkte: eine Taxifahrt kostet - und sei es 45 Minuten quer durch die Stadt - bei Tag niemals mehr als 50 S.P., also rund einen Dollar. Das Essen ist spottbillig. Wir haben für vier Personen in guten bis sehr guten Restaurants inklusive der dort typischen und üblichen großen Vorspeisenpalette und Getränken niemals mehr als umgerechnet 20 USD bezahlt, es waren idR eher um die 10 Dollar (für drei bis vier Personen wohlgemerkt). Essen an Strassenständen, Obst und Getränke sind ebenfalls zu sehr kleinen Preisen erhältlich.
Die Taxifahrt von Damaskus nach Beirut (rund 2,5 Stunden) in einer alten Dodge-Limousine, kostete uns 10 Dollar pro Person, Fahrten mit dem gut ausgebauten öffentlichen Verkehrsnetz sind ebenfalls extrem günstig: eine Fahrt mit einem (modernen und klimatisierten) Überlandlinienbus kostet bei einer Fahrzeit von 2-3 Stunden selten mehr als zwei Dollar.
Hotelübernachtungen sind ebenfalls ab 10-20 Dollar die Nacht zu bekommen, was für uns aber irrelevant war.
Für Syrien benötigt man ein Visum, welches als Multy-Entry-Visum 60,- kostet und vor Anreise erworben werden muß.
Zigaretten kosten ca. 6-10 USD die Stange, je nach Marke.
Ach ja: Handys gibts an jeder Ecke, günstig geht aber - ausnahmsweise - anders. Das Telefonieren mit einer syrischen Pepaidkarte (wer käme drauf: billig!) ist im Inland mit 9 S.P. / Minute (unter zwei Dollar-Cent / Minute) ebenfalls mehr als günstig und die Netzabdeckung im ganzen Land durchweg sehr gut. Man hat hinsichtlich des Netzes die Auswahl zwischen Betreiber Syriatel und 94 areeba - beide gehören freilich zum selben Konsortium.
(Westlichen) Touristen ggü. ist man sehr freundlich und hilfsbereit und auch die Sicherheitskräfte sind stets bemüht, dem Touristen ein "gutes" Syrien zu präsentieren, was allerdings auch absurde und schlimme Folgen haben kann: einer Freundin wurde in einem syrischen Dorf bei einem Volksfest der Geldbeutel gestohlen und sie erstattete Anzeige bei der Polizei. Keine 30 Minuten später präsentierte diese den Täter und schlug ihn vor den Augen der Freundin und deren Freund brutal zusammen. Selbstredend war das Opfer nicht wirklich der Täter, sondern eben eine arme Sau, die willkürlich aufgegriffen wurde.
Alle Hilfsbereitschaft allerdings änderte nichts daran, daß am dritten Tag unseres Aufenthaltes der syrische Geheimdienst vor der Tür stand und Fotokopien unserer Reisepässe forderte.
Die Unterkunft
Meine Freundin und ich wohnten bei unserer gastgebenden Freundin Nadine in der von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärten Altstadt Damaskus': unendlich viele kleine verwinkelte Gassen, alles sehr eng und dennoch rege und lebhaft von Autos befahren.

[small]Altstadt Damaskus[/small]
Das typische Damaszener Haus hat einen unbedachten Innenhof (10 Monate des Jahres sind regenfrei!), in dem man die September-Temperaturen von nachts rund 25 Grad und tagsüber 30-40 Grad gut geniessen kann. Ein Teil des Innenhofes ist dann typischerweise überdacht und dient als Sitzecke - in der Mitte des Hofes steht idR ein Brunnen. Die einzelnen Zimmer gehen dann vom Innenhof, bzw. der Veranda des ersten Stockes ab.

[small]Innenhof unseres Hauses[/small]
Stadtbild Damaskus
Syrien ist wohl eines der orientalischsten Länder des Nahen Ostens und Damaskus als Hauptstadt ein Sinnbild der typisch arabischen Stadt: natürlich macht auch die "Verwestlichung" vor Syrien keinen Halt, aber das Stadtbild ist nicht auch nur annähernd mit dem einer westlichen Großstadt vergleichbar. Es gibt in Damaskus keinen McDonalds und keinen WalMart. Überhaupt gibt es keinen Supermarkt, sondern unzählige sog. Suks, also (überdachte) Markstraßen. Hier kauft der Damaszener jeweils beim Gemüsehändler, beim Fleischhändler, beim Gewürzhändler usw. ein. Die kleinen Dinge des Alltags wie Zigaretten, Getränke usw. findet man an vielen Ständen und in "Tante-Emma-Läden" an jeder Ecke. Der Großteil des Handels spielt sich unter freiem Himmel auf den Märkten ab, es gibt nur sehr wenige Ladengeschäfte.
Der Straßenverkehr ist sehr (!!) lebhaft, einzige befolgte Verkehrsregel: Hupen. Komischerweise klappt alles, es gibt keine Unfälle, auch wenn der sicherheitsfanatische Westeuropäer auf seiner ersten Taxifahrt fast einen Herzstillstand erleidet. Der Spruch "der Fußgänger ist das schwächste Glied in der Kette des Straßenverkehrs" bekommt hier zentrale Bedeutung: absolutes Einschalten aller Sinne ist Grundvoraussetzung, um am Abend noch alle Zehen aus den Socken auspacken zu können.
So freundlich die Araber im Allgemeinen sind, so rücksichtslos sind sie auf der Straße, auf den Märkten usw., es wird gerempelt, geschubst, geschoben.
Frauen in Syrien
Ausser in den christlichen Vierteln Damaskus' sind die Frauen überwiegend verschleiert. Dabei gibt es allerdings Abstufungen:
Die normale Verschleierung der Haare, wie man sie hier hauptsächlich von den türkischen Mitbürgerinnen kennt.
Die komplette Verschleierung unter Auslassung des Gesichtes:
Die komplette Verschleierung bis unter die Nase.
Die komplette Verschleierung bis auf die Augen:
Die komplette Verschleierung (im Bild links):
Das Stadtbild ist mitgeprägt von diesen verschleierten muslimischen Frauen. Verstärkt wird der Fokus dabei insofern darauf gerichtet, als daß es eher unüblich ist, daß Männer und Frauen gemeinsam unterwegs sind.
Die Rolle der Frau in Syrien ist sehr viel religiöser geprägt als es die politischen Meinungen hierüber beschreiben, eine Diskussion darüber kann auch an dieser Stelle nicht befriedigend stattfinden, eines jedoch wird einem klar: die meisten bekannten Positionen dazu aus unserer Sichtweise greifen zu kurz.
Frauen unterliegen - ebenso wie Männer im Umgang mit Frauen - strikten Verhaltensregeln: Frauen sitzen im Taxi nicht vorne (das wäre ein falsches Signal an den Fahrer), Frauen bieten (fremden) Männern nichts an, Körperkontakt zwischen Mann und Frau in der Öffentlichkeit ist strikt zu unterlassen usw. usf.
Frauen haben allerdings auch alleinreisend nichts zu befürchten. Wohl gibt es viele Blicke und auch den einen oder anderen Spruch und selten wird auch gegrapscht, aber das ist nicht mehrheitsfähig und eine schnelle und laute Reaktion wird den Angreifer sehr schnell sehr schlecht dastehen lassen.
Syrien ist in Fragen der Gleichberechtigung offiziell relativ liberal und die Verschleierung viel mehr ein religiöses als ein politisches Zeichen wie bei uns. Desweiteren gibt es Nachbarstaaten wie Saudi Arabien und den Iran, die in diesen Fragen mit einer Religionspolizei und drastischen Gesetzen - auch für Ausländerinnen - sehr viel andere Maßstäbe setzen: die saudische Familie an einem Nebentisch im Restaurant nahm die Mahlzeit getrennt ein, an einem Tisch die Frauen, am anderen der Mann und die Söhne.
Touristinnen können - ausser in Moscheen und auf islamischen Freidhöfen - ohne Verschleierung unterwegs sein, der Respekt vor der Kultur und der Religion verbieten allerdings bauchfreie Shirts, sehr kurze Röcke etc.
Religiöse Stätten: Islam
Wenn es in Damaskus etwas wirklich im Überfluß und an jeder Ecke gibt, so sind das Moscheen. Täglich fünfmal (ab morgens um ca. 4:30) rufen sie zum Gebet.
Zwei Moscheen in Damaskus möchte ich kurz beschreiben. Zum einen ist das die Jámi' as-Saidat Ruqaiya, die wichtig für schiitische Pilger aus dem Iran ist.
In der Moschee liegt die dreijährig verstorbene Enkelin Mohammeds, Ruqaiya, in einem Schrein begraben. Männer und Frauen finden getrennt Zugang zu dem Schrein und man kann hier - für westliche Augen - seltsame Vorgänge beobachten: Männer weinen, fassen immer wieder an den Schrein und dann an die eigene Stirn. Die Frauen schreien, weinen, schlagen sich auf die Brust etc. -das ist religiöse Extase in Reinform und sehr befremdlich anzuschauen.
Schrein der Ruqaiya (leider verwackelt)
Ruqaiya-Moschee
Die zweite Moschee ist die Omayadenmoschee, einer der bedeutendsten Moscheen der islamischen Welt. Sie ist sowohl für Christen als auch für Moslems bedeutend, da hier u.a. das Haupt von Johannes dem Täufer in einem Schrein liegt.
Die Moschee erlangte auch dadurch Bekanntheit, daß sie die erste Moschee ist, die von einem Papst betreten wurde, nämlich 2001 von Johannes Paul II.
Die gesamte Anlage ist sehr groß gefasst und hat einen prächtigen Innenhof mit reichlich verzierten und bemalten Wänden. An dieser Stelle erkennt man, daß die Anlage einst christlich war, denn der Islam erlaubt keine Abbildungen (daher Vorsicht beim Fotografieren!!) und "normale" Moscheen haben idR keine Wandzeichnungen etc.
Vom Innenhof der Moschee (im gesamten Areal hat man übrigens die Schuhe ausgezogen, Frauen - auch Touristinnen - müssen ihr Haar verdecken) gelangt man dann in verschiedene Seitenflügel, z.B. zum Grab des Hussein oder in die große Gebetshalle.
Diese ist vollständig mit Teppichen ausgelegt. Beim ersten Besuch einer Moschee in Syrien ist man etwas erstaunt, erwartete man doch strenge Religiösität an einer solchen Stätte - nicht zuletzt durch die kaderhaften Gebetsvorgänge die in unseren Nachrichten immer gezeigt werden. Tatsächlich aber sind Moscheen Zentren des alltäglichen Lebens: hier trifft man sich, redet, manche essen, andere beten usw. - insgesamt eine sehr lockere und sehr viel angenehmere Stimmung als in unseren Kirchen!
In diesem großen Raum ist dann auch die Grabstätte Johannes des Täufers zu finden, der sowohl für Moslems als auch für Christen religiöse Bedeutung hat - also auch hier wieder die Vorgänge zu beobachten wie an den anderen Grabstätten.
Innenhof der Moschee
Gebetshalle der Omajadenmoschee
Grab Johannes des Täufers
Religiöse Stätten: Christentum
Das Gebiet des heutigen Syrien ist Schauplatz vieler biblischer Geschichten gewesen, z.B. der Ermordung Abels durch seinen Bruder Kain auf dem Mount Kasjun in Damaskus, die Bekehrung des Christenjägers Saulus zu Paulus ebenfalls in Damaskus usw.
Besonders eindrucksvoll kann man das Aufeinandertreffen der Religionen und Kulturen jedoch durch einen Besuch der zahlreichen und oft noch sehr gut erhaltenen Kreuzritterburgen nachvollziehen.
Wir besuchten u.a. den Krak des Chevaliers, eine der besterhaltenen Kreuzritterburgen der Welt. Auf den Fotos kommt das Bauwerk längst nicht so monumental heraus, wie es in echt wirkt: riesengroß und scheinbar völlig uneinnehmbar hoch über einem syrischen Dorf tronend - man kann sich fast nicht vorstellen, wie eine solche Burg ohne große mechanische Hilfsmittel erbaut worden sein kann.
Krak des Chevaliers
Blick von der Burg auf das Dorf
Burganlage I
Burganlage II
Ein weiterer sehr interessanter Ausflug führte uns zu dem christlichen Kloster Deir Mar Musa, welches in der Wüste an einem Berg erbaut wurde und eines der ältesten durchgehend bewohnten christlichen Kloster ist.
Nach einer ca. halbstündigen Fahrt von der nächsten Provinzstadt durch die Wüste, erreicht man schließlich den Fußpunkt, von wo aus sich dann ein ca. 1,5km langer Berganstieg anschliesst. Oben angekommen empfangen einen die Mönche mit einem Glas Wasser.
Auf der Terasse mit einem tollen Blick über die syrische Wüste kann man sich dann erholen bis nach einer Weile die Mönche und Nonnen dann das Mittagessen auftischten und sich jeder bedienen konnte. Anschliessend entspannten sich manche auf einer "Liegewiese" aus Matratzen, andere gingen in die Kapelle des Klosters: auch hier wieder ein völlig anderes Bild als erwartet, denn die Räume sind nicht bestuhlt sondern mit Decken und Teppichen ausgelegt, jeder kann es sich gemütlich machen, die Stimmung ist locker und undogmatisch, hier gibt es keine Regeln und Vorgaben, wie christlicher Glaube zu funktionieren hat.
Wenn man genug gesehen hat und wieder gehen möchte, so steht es jedem Frei, völlig unbeobachtet und ohne Zwang eine Spende für den Aufenthalt und das kostenlose Essen zu hinterlassen und sich an den Abstieg zu machen - obwohl ich nicht gläubig bin, haben mir die religiösen Stätten auf dieser Reise ein anderes Verständnis von Religiösität gezeigt, als man es durch einen Besuch einer Kirche in Deutschland erfährt.
Deir Mar Musa
Blick in die Wüste
In der Kapelle
Spuren des alten Rom
Na, wer erräts? Ja, auch die guten alten Römer fühlten sich im Nahen Osten einmal wohl und hinterliessen eindrückliche Spuren. Herauszuheben ist dabei wohl Palmyra, aber das schenkten wir uns - wir hatten schlichtweg keinen Bock für ein paar kaputte Häuser vier Stunden in die Wüste zu gurken. ![]()
Nicht weniger interessant allerdings die Stadt Bosra: hier findet sich ein extrem gut erhaltenes römisches Theater - dieses wurde einst mit Schutt und Steinen aufgefüllt um einem anderen Zweck zu dienen - sein Glück, denn dadurch ist es heute nahezu unbeschädigt.
Um das Theater erstreckt sich dann eine komplette römische Siedlung, die auch teils mehr, teils weniger gut erhalten ist und - hoch lebe das syrische Bewußtsein für Denkmalpflege - heute ganz normal bewohnt wird.
Allerdings ist das römische nicht so meines - schon Pompeij fand ich langweilig - so daß ich zu Bosra nicht allzuviele Worte verlieren möchte und lieber ein paar Fotos einbinde:
Theater I
Theater II
Theater III
Denkmalpflege auf syrisch I
Denkmalpflege auf syrisch II
Syrien aus politologischer und politischer Sicht
Die Syrische Arabische Republik ist eine sozialistische Republik. Die Preise sind mittlerweile frei, Nahrung und öffentliche Verkehrsmittel sowie Strom sind subventioniert.
Staatsoberhaupt ist seit 2000 der Augenarzt Dr. Bashar Al-Assad. Der heute 40jährige folgte seinem Vater Hafiz Al-Assad nach dessen Tod, usprünglich sollte jedoch sein Bruder Basil Al-Assad die Nachfolge antreten - dieser verunglückte jedoch 1994 bei einem Autounfall tödlich, so daß der in London lebende Bashar Al-Assad nach Syrien zurückkehrte und eilig eine Militärkarriere absolvieren musste. Bashar Al-Assad wurde wenige Monate nach dem Tod seines Vaters mit Honecker'schen 97% ins Amt gewählt - eine Amtsperiode dauert sieben Jahre.
Assad gilt als reformfreudiger als sein Vater - im Alltag macht sich das z.B. durch die mittlerweile fast flächendeckende Verfügbarkeit des Internet bemerkbar. Unklar ist, wie fest Assad selbst in den Machtzirkeln installiert ist - in Syrien gibt es an die 20 Geheimdienste und ein Militär, was ganz anders aufgestellt ist als bspw. die Bundeswehr. Es ist ja ein übliches und probates Mittel in Regimen, möglichst viele konkurrierende Dienste und Machtzentren zur Machtbalance und gegenseitigen Kontrolle aufzubauen - fraglich ist nur, inwiefern Assad tatsächlich weitergehende Reformen durchsetzen kann. Er selbst äußerte sich erst neulich im Spiegel insofern, als daß er sich zuallererst der Stabilität seines Landes verpflichtet sieht und diese nicht zugunsten voreiliger oder mit der gesellschaftlichen und religiösen Struktur des Landes nicht in Einklang zu bringender Reformen gefährden möchte.
Syrien unterliegt einem Handelsembargo durch die USA - diese stuft Syrien in die Liste der terrorunterstützenden Länder ein. Offenkundig schadet das Embargo und die Investmentverbote allerdings eher der amerikanischen Industrie als der syrischen Wirtschaft.
Die Arbeitslosenquote in Syrien beträgt offiziell rund 20-25%, real liegt sie wohl deutlich darüber. Das Bruttosozialprodukt pro Kopf ist rund 20mal geringer als in Deutschland.
Das sind allerdings nur nackte Zahlen. Wenn man - wie es mir möglich war, da ich nicht im Hotel sondern direkt mit Syrern und anderen Ausländern zusammenlebte - sich allerdings abseits der Zahlen auf die realen Auswirkungen konzentriert, so ergibt sich folgendes Bild:
Syrien ist korrupt von vorne bis hinten. Absolut undurchsichtig ist die interne Machtstruktur der Landesführung - obgleich Assad den Kampf gegen die Korruption forcierte, ist sie im Alltag allgegenwärtig. Ein junger Syrer hat selbst bei akademischer Laufbahn aufgrund der strengen Ausreisegesetze nur wenige Möglichkeiten, in seinem Land etwas zu verändern - er wird an dem unendlichen Filz scheitern müssen. Für akademische Syrer ergibt sich daraus eine Art der Perspektivlosigkeit, wie wir sie uns gar nicht vorstellen können: wie wertvoll die Reisefreiheit in der gesamten EU ist, bemerkt man erst, wenn man sich in Ländern bewegt, wo dies sehr viel rigider gehandhabt wird.
Wie muß sich das erst für die perspektivlosen Nicht-Akademiker, denen die Arbeitslosenquote von 20-60% im Nacken sitzt auswirken? Auch vor dem Hintergrund des islamistischen Terrorismus und der Tatsache, daß z.B. im Libanon jeder Vierte unter 14 Jahre alt ist: die Probleme der Zukunft - unabhängig davon, ob es eine Neuordnung des Nahen Ostens gibt oder nicht - lassen sich jetzt schon prognostizieren, wenn man nicht eine Kehrtwende in der Politik unternimmt und den Terrorismus nur als Symptom bekämpft ohne die Ursachen zu erforschen. Hier sehe ich eines der größten Konfliktpotentiale, neben der Bevölkerungsexplosion der Erde, für das kommende Jahrhundert.
Im Alltag bleibt die Rolle Syriens im internationalen Terrorismus unklar: man findet keine Hassprediger auf den Straßen, der Ton ggü. den USA und Israel ist gespannt aber nicht hetzend und Bashar Al-Assad hat kein Interesse, als Unterstützer des Terrorismus zu gelten - allerdings scheint seine Macht nur limitiert und nicht ausreichend, um tiefgreifende strukturelle Reformen intern und in der Bevölkerung durchsetzen zu können.
Dieser Abschnitt ist natürlich nur sehr verkürzt und ich könnte ihn noch über Seiten fortführen, aber fürs Erste soll das mal genügen.
Mehr gerne auf Nachfrage.
Exkursion Libanon: Beirut
Aus Damaskus erreicht man die libanesische Küstenstadt Beirut mit dem Taxi in rund 2,5 Stunden und zu einem Tarif von 10 USD / Person. Eingesetzt werden alte amerikanische Limousinen, wie man sie auch im Stadtbild Damaskus' sehr oft sehen kann.
Bereits an der Grenze bemerkt man erste Unterschiede: während man eine relativ marode syrische Polizei und Armee hinter sich lässt kommt man wenige hundert Meter weiter in eine Straßensperre aus schweren amerikanischen schwarzen Geländewagen und mit Soldaten in Splitterschutzwesten und das Maschinengewehr im Anschlag: im Libanon ist die Bedrohung durch Terroranschläge allgegenwärtig.
Nachdem man das Gebirge überquert hat bietet sich einem dann ein prächtiger Blick auf Beirut, wie es sich in einer Bucht erstreckt.
Die Stadt selbst konnte uns nicht überzeugen: Zwar wurde die historische und durch den Bürgerkrieg zerstörte Altstadt komplett wieder aufgebaut, aber die Kriegsschäden sind allgegenwärtig und die Stadt wirkt zerklüftet und gibt ein uneinheitliches Bild ab. Auch die tolle Lage in einer Bucht am Mittelmeer bleibt komplett ungenutzt, die Promenade ist ganz in Beton gehalten und auch das französische Flair ist spürbar, aber trägt nicht entscheidend zum Wohlfühlen bei.
So schlenderten wir also die Promenade entlang, "besichtigten" die Attentatsstelle auf den ehemaligen Premier Hariri, der im Februar ermordet wurde - die Rolle Syriens dabei, die ja nach wie vor als Ordnungsmacht im Libanon vertreten sind, ist nach wie vor unklar. Anschließend gingen wir in einem Militärclub an der Bucht baden (direkt an der Promenade zu baden wollte meine Freundin den hormongeplagten Jugendlichen dann doch nicht antun
) und fuhren danach wieder nach Damaskus - mit uns die Erkenntnis, daß man Beirut nicht unbedingt ein zweites Mal besuchen muß, es sei denn, man steht auf unverschleierte und attraktive Araberinnen. ![]()
Die historische Altstadt - neu aufgebaut
Nicht hässlich: Libanesinnen
Allgegenwärtig: Sicherheitskräfte
Promenade
Hariri-Attentatsstelle
Kriegsschäden überall
Für Martyn: McDonalds (natürlich alles ohne Schweinefleisch!)
ZitatOriginal geschrieben von Andrew
...und wäre echt cool, wenn Du noch was zu den Standard-Touri-Gefahren sagen könntest (angefangen bei Abzocke und aufhörend bei Anschlägen ).
Gerne. ![]()
Als westlicher Tourist bewegt man sich in Syrien grundsätzlich sehr sicher, da die syrischen Sicherheitskräfte und auch die Bevölkerung sehr bemüht sind, Syrien in einem guten Licht dastehen zu lassen.
Nach arabischer Tradition ist das Handeln und Feilschen sehr verbreitet, hier ist eine kleine Touri-Falle in überhöhten Preisen zu sehen, allerdings ist das Preisniveau insgesamt so niedfrig, daß auch hier kaum ein wirklicher Schaden droht - ob ich im Taxi nun 50 Dollarcent wie angemessen bezahle oder mit einem Dollar "abgezockt" werde macht kaum einen Unterschied.
Fallen und Stolpersteine drohen eher in organisatorischen Fragen wie den Ein- und Ausreiseformalitäten, mangelnden Sprachkenntnissen und den z.T. ziemlich verworrenen Verhaltensregeln - idealerweise hat man einen Führer der Arabisch spricht oder macht sich vorher mit der Mentalität und den Alltagsregeln etwas vertraut.
Anschläge sind in Syrien eher nicht zu erwarten - es sei denn die israelische Armee fliegt wieder Angriffe oder die USA finden im Haushalt doch noch ein paar Dollar zur Neuordnung des Nahen Ostens.
Vorsicht beim Fotografieren: militärische Anlagen (darunter sind auch Brücken und Flughäfen zu verstehen) unterliegen strengstem Fotografierverbot. Ebenso sollte man beachten, daß der Islam eigentlich keine Abbildungen erlaubt - Menschen sollten daher befragt werden, ob man sie fotografieren darf (Bilder in die Mengen sind natürlich okay) - besonders problematisch und meistens nicht möglich sind Fotografien von Frauen.
ZitatOriginal geschrieben von Martyn
Ich hätte eigentlich schon gedacht das es zumindest in Damaskus auch westliche Labels wie McD, Burger King, ... gäbe
Amerikanische "Labels" würden denkbar schlecht laufen in einem solchen arabischen Land. Es gibt schon einige westliche Geschäfte - allerdings dann eher europäischer Firmen.
Wenn du zu McDonalds willst, musst du nach Beirut gehen. ![]()
Zitat...und das zumindest in einer so grossen Stadt auch viele Araberinnen nicht verschleiert wären. Mit dem Nightlife siehts dann wahrscheinlich abgesehen von Teestuben auch nicht sonderlich gut aus.
Natürlich gibts auch viele unverschleierte Araberinnen - z.B. alle Christinnen. Das hängt zudem sehr vom Viertel ab in dem man sich bewegt.
Es gibt schon einige Clubs. Die sind allerdings auch relativ teuer und das Publikum setzt sich zusammen aus reichen Syrern und russischen Prostituierten - und einigen christlichen Damaszenern.
ZitatFür einen Urlaub kann man es sicher durchhalten, aber wirklich für eine gewisse Zeit dort zu leben möchte ich dann sicher nicht.
Andererseits hat es auch seinen Reiz einmal jenseits von Malle seinen Urlaub zu verbringen und einmal eine wirklich fundamental andere Gesellschaft kennenzulernen.
ZitatAchja, besuchst du noch mehr "Schurkenstaaten" für uns? Dein Thread-Titel lässt darauf schließen.
Gute Frage. Der Threadtitel sollte eigentlich "nur" möglichst reisserisch klingen. ![]()
Wenn ich mir überlege dass die anderen "Schurkenstaaten" die Länder Iran, Irak, Libyen, Sudan, Nordkorea und Kuba sind, so muss ich eingestehen dass das ein ehrgeiziges Ziel wäre.






