Interessante Debatte hier und das auf einem erstaunlich sachlichen Niveau *top*
Inhaltlich muß ich zugeben, daß Serbien in den europäischen Medien tatsächlich immer ziemlich dämonisiert wurde und ich denke, daß wir uns keine Illusionen machen brauchen, daß unsere Medien immer ein Hort der Objektivität sind. Ich habe ein paar Monate im Büro eines Bundesministers gearbeitet und die Unterlagen, die ich dort gesehen habe, haben sich zum Teil erheblich von den Informationen unterschieden, die in den Medien waren.
Trotzdem bin ich für die Unabhängigkeit des Kosovo. Im momentanen Klima sehe ich keine Chance, daß ein föderales staatliches Gebilde dort unten funktionieren kann. Es herrscht, wie man ja schon hier im Forum überdeutlich sieht, ein großes Mißtrauen zwischen Serben und Kosovo-Albanern, so daß eine gemeinsame Verwaltung momentan einfach abwegig ist.
Dennoch glaube ich nicht, daß das Kosovo auf Dauer unabhängig bleiben kann, denn dazu ist es im Moment wirtschaftlich nicht stark genug. Das mag sich ändern, aber aus momentaner Sicht sind der Anschluß an Albanien, eine Aufnahme in die EU oder eine Kooperation mit Serbien die einzigen dauerhaft tragfähigen Modelle, auch wenn sie zur Zeit eher unwahrscheinlich sind. Langfristig wäre aus meiner Sicht ein Staatenbund auf dem Balkan wünschenswert, aber dazu muß sich das Klima erst wieder abkühlen, was Jahrzehnte dauern dürfte. Allerdings gibt es auch für durchaus verfahrene Situationen Hoffnung, wenn man sich ansieht, daß zwischen Deutschland und Frankreich bzw. zwischen Belgien und den Niederlanden eine Aussöhnung möglich war und jetzt enge politische Kooperationen funktionieren.
Dennoch werde ich den Eindruck nicht los, daß sich Serbien keinen Gefallen damit getan hat, gegen die Gewalt gegen Botschaften und Konsulate erst so spät einzuschreiten. Die Unantastbarkeit von Botschaften ist die einzige völlig unantastbare Regel in internationalen Beziehungen. Indem man zuläßt, daß Botschaften angegriffen bzw. sogar in Brand gesteckt werden, schafft man tiefes Mißtrauen, denn man gibt zu verstehen, daß man an Gesprächen nicht mehr interessiert ist, und das Botschaftspersonal insoweit "zum Abschuß freigibt".