Kosovo-Konferenz in Wien - zukünftiger Status ?

  • Zitat

    Original geschrieben von IGGY
    Nur gelangen wir damit wieder zu dem Punkt, warum ich gegen die Unabhängigkeit bin, den wenn wir anfangen jeder Minderheit und ehemaligen Reichen, Ihre Gebiete zurück zu schneidern können wir gleich alle Normen und Gesetze der letzten 100 Jahre an den Nagel hängen.


    IGGY
    Abgesehen davon, dass ich mit den meisten deiner Posts in diesem Thread übereinstimme, trifft das obige Zitat wirklich den Nagel auf den Kopf.

    Medizinmann und Mitglied Nr.2 des S///-Lampenbesitzer-Clubs!!!


  • Hi Iggy,



    ich muss Dir im großen und ganzen zustimmen. Die EU und NATO hat einen Riesenfehler gemacht: Man hat mit dem Status-Problem des Kosovo ewig gewartet. Somit wurde die jetzige "demokratische" Regierung Serbiens für etwas bestraft, was die eigentlich nicht begangen haben.


    Man hätte sofort 99 nach den NATO-Luftangriffen den Kosovo-Status klären müssen, nicht 9 Jahre danach. Wäre der Kosovo 99 schon unabhängig geworden, wäre die damalige Milosevic-Regierung für ihr Handeln bestraft worden. Jetzt hat man letztendlich den "falschen" bestraft. Das ist meiner Meinung ein Riesenfehler gewesen, dass man es solange hinausgezögert hat.


    Andererseits ist das Vertrauen der Albaner an die Serben flöten gegangen. Wäre die Autonomie von 74 nicht aufgehoben worden (die Albaner hatten bis 89 Selbstbestimmungsrecht im Kosovo), hätten wir heute darüber nicht diskutieren müssen.


    Was die Albaner in MK betrifft: Ich selbst bin einer von denen, aber ich distanziere mich von sämtlicher Gewalt, Gebietsansprüche usw. So wie es jetzt gerade ist, ist in meinen Augen doch vollkommen ok. Die Albaner sind ein staatstragendes Volk, albanisch ist 2.Amtssprache und auch sonst spricht nichts dagegen.


    Ansich, der komplette Zerfall Jugoslawiens war ein einziges Desaster, wo auch der Westen seine Finger im Spiel drin hatte. Anyway, dass ist alles Geschichte und bringt auch nichts da groß auszuholen.


    Letztendlich ist der Kosovo nur ein Spielball der internationalen Staatengemeinschaft.

  • Nach der aktuellen Entscheidung des internationalen Gerichtshofs ist es m. E. an der Zeit, diesen Thread mal wieder aus der Versenkung zu holen.


    Aufgrund der vom Inhalt her recht spärlichen Meldungen bin ich ein wenig verunsichert, was die Entscheidung zu bedeuten hat.


    Die habe ich in den gesendeten Ausschnitten so verstanden (Kern):


    Da die Souveränitätserklärung des Kosovo nicht gegen die Regeln des Völkerrechts verstößt, ist sie durch den IGH nicht zu beanstanden.


    Jede andere Entscheidung hätte mich sehr gewundert. Auch die Souveränitätserklärung eines australischen Farmers, der inmitten des australischen Kontinents auf seinem Gebiet den Staat "Hutt River " gegründet hat, dürfte völkerrechtlich nicht zu beanstanden sein. Genau so wenig, wie die Ausrufung eines Staates Palästina durch die Palästinenser.


    Welche Rechtsfolge hat also die Ausrufung eines eigenen Staates:


    Zunächst einmal gar keine!


    Im Atlas finde ich weder den Staat Palästina noch den von Hutt River.


    Die Meldungen der Medien, der Staat Kosovo sei infolge der gerichtlichen Entscheidung nun rechtmäßig gegründet, kann ich jedenfalls nicht nachvollziehen.


    Ich erinnere nur an die Ausrufung der Deutschen Demokratischen Republik. Sie hatte auch ihre Souveränität erklärt. Die DDR war aus deutscher Sicht dennoch niemals ein eigener Staat - darum gab es dort auch niemals eine Deutsche Botschaft. Eine Botschaft im eigenen Land - das geht nun einmal nicht.


    Die DDR konnte nach Entscheidung des höchsten deutschen Verfassungsorgans kein Staat sein, weil sie eines nicht hatte: Ein eigenes Volk!


    Gemäß den Regelungen im Grundgesetz der westlichen Bundesrepublik lebten dort Deutsche. Genau wie im westlichen Teil. Die DDR hatte mithin zwar ein Staatsgebiet und eine Staatsgewalt - aber kein eigenes Volk, über das man hätte regieren können. Und das ist in der Tat Voraussetzung für die Annerkennung eines Staates nach Ausrufung seiner Souveränität.


    Jetzt hab ich in Geschichte nicht immer richtig aufgepasst. Von einem altersher gewachsenen einheitlichen "Kosovarischen Volk", das durch viele kulturelle Gemeinsamkeiten zusammengehört und sich durch diese Gemeinsamkeiten zugleich von den Nachbarvölkern abhebt, habe ich jedenfalls bisher nie etwas vernommen. Immer nur von in diesem Gebiet lebenden Serben und Albanern.


    Wo sind die Kosovaren? Warum ist in Deutschen Medien noch nie einer vorgestellt worden - mit Berichten über Kosovarische Kultur, Sprache und Geschichte. Hab ich auch da nicht aufgepasst? Nicht einmal die Sprache, die dieses Volk spricht, ist mir bekannt.


    Gäbe es ein solches zusammengehöriges Kosovarisches Volk mit eigenem Kulturgut neben den in diesem Gebiet lebenden Serben und Albanern nicht, wäre der Kosovo nach den vom BVerfG zur DDR aufgestellten Grundsätzen jedenfalls kein eigener Staat - halt mangels eines eigenen Volkes. Allein mit den dort lebenden Serben und Albanern kann man jedenfalls aus rechtlicher Sicht keinen eigenen Staat ausrufen. Insbesondere können Albaner nicht zwei getrennte Staaten (Albanien und Kosovo) ausrufen (wie ich das bisher jedenfalls verstanden habe). Allenfalls denen, die zur "Achse des Bösen" zählen, wird das für gewöhnlich zugestanden (wie etwa Nord-/Südkorea). Auch den bösen Türken wird der EU-Beitritt im Wesentlichen durch die Abspaltung eines Teils von Zypern verweigert. Grundsätzlich ist der Böse der, der sich abspaltet. Aber diese Einschätzung kann je nach Interessenlage, Blickrichtung und Vorkommnissen an Bodenschätzen beliebig variieren.


    Bin ich im übrigen der einzige, der hier Parallelen zur (unrühmlichen) deutschen Geschichte sieht?


    Frankie



    Erg.:
    Werten die EU und Amerkia die Entscheidung des IGH als Anerkennung des Kosovo als eigenem Staat hat das Gericht zwei Möglichkeiten:


    Richtigstellung oder Auflösung. Oder halt Umbenennung in "Amerikanisches und europäisches Interessengericht". International hat in diesem Namen dann jedenfalls rein gar nichts mehr verloren. Oder es verkommt zur Witzfigur ... und dafür sind die Kosten zu hoch.


    Und wenn demnächst jede Interessengruppe ihren eigenen Internationalen Gerichtshof gründet, drohen Verhältnisse wie im Boxsport. :flop:


    Dann könnten vielleicht vier Gürtel notwendig werden, um einmal Recht zu bekommen.



    Erg.2:
    Der Staat Hutt River unterhält im übrigen auch in Deutschland eine Vertretung (Berlin), bei der auch Einbürgerungsanträge gestellt werden können. Allerdings liegen meine Kontakte dorthin bereits einige Jahre zurück ... und nein, ich bin noch Deutscher und wollte daran auch nie rütteln.

  • Ich glaub, den meisten Deutschen ist die Lage einfach egal - eine Entscheidung in welche Richtung auch immer hat keinen Einfluss auf sie.

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    Als ich zurückkam von den Reisen und sah am Gepäckband das erste mürrische Gesicht, da dachte ich: Das ist meine Heimat. - Harald Schmidt

  • Zitat

    Original geschrieben von frank_aus_wedau ...
    Bin ich im übrigen der einzige, der hier Parallelen zur (unrühmlichen) deutschen Geschichte sieht?


    Nein. Die Frage bleibt nach wie vor, welche Konsequenzen das in der Interaktion mit Serbien haben wird.


    Da die (Kosovo-)Albaner keine Wiedervereinigung wollen (allerdings nicht aus Gründen der Staatsideologie, wie den Sozialismus in der DDR, sondern um unter anderem die meiner persönlichen Meinung nach korrupte und durchgehend mafiose Struktur der Gesellschaft aufrechterhalten zu können), stellt sich die Frage, nicht ob, sondern wann (insbesondere vor dem merkwürdigen Hintergrund dieser unseligen Entscheidung einer Institution, die als Gericht bezeichnet wird) Serben (als Volk) die Unabhängigkeit bzw. je nach Vorgehensweise Zugehörigkeit des Serbischen Nordens von Kosovo zum Staat Serbien proklamieren und notfalls mit Waffengewalt fürs Erste durchsetzen werden.


    Zitat

    Original geschrieben von bLaCkFoX
    Ich glaub, den meisten Deutschen ist die Lage einfach egal - eine Entscheidung in welche Richtung auch immer hat keinen Einfluss auf sie.


    Ich halte es für eine äußerst naive Vorstellung zu glauben, dass das keinen Einfluss auf die Deutschen und vor allem Europa haben wird. Schließlich hat die Geschichte gezeigt, dass es fast immer einen Einfluss vor allem in Form militärischer Auseinandersetzungen gegeben hat und entsprechend haben wird.

  • In meinen Augen sollte der Internationale Gerichtshof umgehend klarstellen, dass seine Entscheidung keinerlei Auswirkungen auf das Bestehen (oder Nichtbestehen) eines souveränen Staates Kosovo hat.


    Das Gericht wäre gut beraten gewesen, eine Entscheidung, die keinerlei Auswirkungen auf den Status Quo haben dürfte, mangels Beschwer abzulehen.


    Rechtlich gesehen folgt aus der konkret getroffenen Entscheidung m. E. rein gar nichts. Wem wäre in diesem Fall mit einer Entscheidung gedient, deren einziger Zweck es sein kann, Zwietracht zu streuen ohne irgendwelche Rechtssicherheit zu erzeugen?


    Den in den Medien gesendeten Ausschnitten konnte ich jedenfalls nicht mehr entnehmen. Oder man hat die wesentlichen Aussagen geflissentlich unter den Tisch fallen lassen (was ich mir aber nicht vorstellen kann - jedenfalls nicht im öffentlich-rechtlichen Rundfunk).


    Frankie

  • Ich sehe das so: Es ist eine politische Entscheidung, die zwar ein Signal senden soll, jedoch keine rechtliche Bindung darstellt.



    Die Entscheidung kann ich zwar nachvollziehen aber ich verstehe sie nicht. Einerseits rückt Europa immer enger zusammen und anderseits schafft man durch solche Enklaven eine neue Teilung. Man stelle sich nur vor das Gericht hätte über eine solche oder ähnliche Situation aber in einem "etablierten" EU-Land zu entscheiden. Ohne den Teufel an die Wand malen zu wollen aber solche Ansprüche wären in fast ganz Westeuropa möglich. Ob man dann so voreilig eine Unabhängigkeit anerkennt, bezweifle ich sehr stark. Und warum hat Deutschland fast umgehend das Kosovo anerkannt? Ganz einfach: Man wollte keine Kriegsflüchtlinge hier.



    Mein Fazit: Solange Unabhängigkeiten nicht im eigenen Land und ganz weit weg stattfinden -ist man demokratisch. :D

  • Zitat

    Original geschrieben von scaleon
    Ich sehe das so: Es ist eine politische Entscheidung, die zwar ein Signal senden soll, jedoch keine rechtliche Bindung darstellt.
    ...


    ... allerdings um den Preis, die Glaubwürdigkeit einer Institution, die die Welt in meinen Augen dringend benötigt, erheblich zu beschädigen.


    Und wenn die Informationen, die ich jedenfalls bisher den Medienberichten entnehmen kann (ich hätte gern mehr), so stimmen, war das auch noch unnötig.


    Während der EuGH in meinen Augen durch seine umsichtigen Entscheidungen hohes Ansehen genießt, erinnert mich der Internationale Gerichtshof immer stärker an das Nürnberger Tribunal nach dem zweiten Weltkrieg, von dem ich rein gar nichts halte ... überhaupt gar nichts.


    Und eine juristische Institution, die bei Anerkennung ihrer Entscheidungen im Gegensatz zum Nürnberger Tribunal noch die Zustimmung der beteiligten Staaten bnötigt, wird bei derartigem Vorgehen bald einpacken können.


    Als Staatsregierung könnte ich es inzwischen jedenfalls nicht mehr verantworten, dieser Einrichtung einen eigenen Bürger auszuliefern. Empfand ich die Entscheidung der USA, sich diesem Gericht in wesentlichen Teilen zu entziehen, bisher als beschämend, halte ich sie inzwischen für richtig.


    Frankie

  • @frank_wedau:


    Dein Vergleich mit der DDR und BRD hinkt. Der Hintergrund war nämlich der, dass die DDR Bevölkerung sich auch als Deutsche angesehen haben.


    Im Kosovo ist das anders. Die Kosovaren sehen sich nicht als Serben an, haben auch keinerlei Bezug zur serbischen Tradition, Kultur, Religion, Sprache usw.


    Man sollte auch ein wenig weiter in die Geschichte zurück gehen, um zu verstehen warum der Kosovo mit Serbien nichts mehr zu tun haben will.


    Es war das Jahr 1989. Serbien entzog der autonomen Provinz Kosovo und Vojvodina die Autonomierechte. Bis dato waren der Kosovo und Vojvodina (fast) gleichberechtigt wie die anderen Republiken Jugoslawiens. Die Albaner waren auch soweit zufrieden, es gab keine Unabhängigkeitsbestrebungen.


    Als dann 1989 Serbien dem Kosovo die Autonomie entzog, und den Albanern all die Rechte nahm, die sie vorher hatten, fing der Konflikt richtig an.


    Bis 1989 durften die Albaner in den Schulen albanisch lernen, durften als Beamte arbeiten, hatten ihr eigenes Fernsehen/ Radio in albanisch.


    Serbien begründete den Entzug der Autonomie damit, dass die Albaner die Serben terrorisieren würden. Da wurden in den Medien dann Bilder gezeigt, wie albanische Polizisten bei einer Demo die Serben verprügeln. Leider wurde nicht gezeigt, dass die Serben angefangen hatten, mit Steinen und sonstigen Gegenständen die Polizei anzugreifen. Es wurde in den Medien nur das gezeigt, was den Serben in den Kram gepasst hat. Dadurch wurde immer mehr der Nationalismus der Serben weiter vertieft, der Hass stieg immer weiter an. Von 1989 an wurden albanische Polizisten entlassen, albanische Ärzte, Beamte usw durften nicht mehr arbeiten und wurden entlassen. In den Schulen wurde albanisch als Sprache verboten, die Medien durften nicht mehr in albanisch senden oder drucken. Außerdem wurde die JNA (Jugoslawische Volksarmee) in den Kosovo geschickt. Der ganze Kosovo war umzingelt von einer der mächtigsten und stärksten Armee seinerzeit. Die Albaner durften defacto nichts mehr tun, was bis vor paar Jahren noch problemlos möglich war. Alles, was nicht serbisch war, war illegal.


    Das nach diesen Vorkommnissen die Albaner die Schnauze voll hatten und unabhängig werden wollten, ist für mich nachvollziehbar.


    Nach Kriegsende 99 wollten die Serben ja eine weitreichende Autnomie dem Kosovo geben. Das dies nicht geht, sollte ja klar sein. 1974 bekamen sie auch eine Autonomie, 1989 wieder entzogen. Serbien hätte somit jederzeit die Autonomie entziehen können.


    Aufgrund meiner Erfahrungen im Jahre 1999 im Kosovo selbst, und nachdem, was ich alles durchlebt habe, kann ich die Seite der Albaner verstehen.

  • So berechtigt diese Darstellung auch sein mag ... ich lese wieder nur von Serben und Albanern.


    Und insoweit gibt es die Staaten Serbien und Albanien. Wenn Angehörige eines dieser Völker auf dem (seinerzeitigen) Territiorium des anderen einen Dritten Staat ausrufen, darf man diese Erklärung zwar abgeben (so der Internationale Gerichtshof), eine Staat entsteht hierdurch aber (erst einmal) nicht.


    Und welche Rolle spielen die Kosovaren, die allein einen Staat Kosovo wirksam gründen könnten? Von einem solchen Volk war bisher niemals die Rede. Inzwischen habe ich den Eindruck, dass ein solches Volk gar nicht existiert.


    Frankie

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