Landung mit defektem Bugfahrwerk

  • Starten geht auch mit einem Triebwerk! Gerade in einer 757... Kein Flugzeug ist mehr "überpowert" als dieses Modell, aber alle sind so ausgelegt dass auch ein Verlust von 50% Schub in der Startphase noch einen sicheren Flug ermöglicht.
    Das ist gesetzlich so vorgeschrieben und da schneiden Zweistrahler sowieso besser ab als Vierstrahler weil die Reserven des einzelnen Triebwerks dort größer sein müssen um diese Vorschrift zu erfüllen.


    Das Triebwerk in dem Film ist sofort ausgefallen, sagt der Pilot ja auch ("Mayday, mayday, mayday, Thomson 253 Hotel, engine failure" ab Sekunde 21 - nebenbei: es ist Thomson 263 Hotel, im ersten Schreck hat der gute Mann also sein Rufzeichen verwechselt) abgeschaltet worden, das kann man auf dem Video auch sehen.
    Man bekommt aber sehr gut mit dass der Tower sich hier als "helfender Partner" versteht und immer wieder Hilfen und Ausweichmöglichkeiten sowie Infos anbietet.


    Die Entscheidung ob man einen Start abbricht oder nicht ist nicht dem Zufall überlassen, sondern es wird anhand der Startbahnlänge, der Triebwerksleistung und dem Gewicht ausgerechnet bis zu welcher Geschwindigkeit abgebrochen werden kann und ab wann gestartet werden MUSS weil die restliche Runway ab dann nicht mehr reicht um abbremsen zu können. Dieser Wert ist vorher klar und wird auch laut angesagt.


    Diese Frage stellte sich aber bei der Thomson-757 schon nicht mehr weil das Flugzeug schon abgehoben hatte als der Vogel ins Triebwerk geriet. Da gab es gar keine andere Wahl mehr als weiter zu fliegen...


    Als der Flieger dann einmal in der Luft war flog er zwar sicher, aber wenn ein Zweistrahler nur noch 1 Triebwerk hat ist die Redundanz weg. Das alleine ist schon als kritisch einzustufen.
    Naturgemäß hat das Flugzeug auch asymetrischen Schub gehabt, es mußte also entsprechend "gegengelenkt" werden. Man kann das z. B. schön nach der Landung sehen, dass dort auf der Runway immer wieder die Fahrtrichtung korrigiert werden muß.


    Dazu kommt dass aerodynamisch nicht nur ein einseitiger Schub da ist, sondern zusätzlich das ausgefallene Triebwerk einen erhöhten Luftwiderstand hat und dadurch zusätzlich bremst. Außerdem hat der "ziehende" Flügel immer einen höheren Auftrieb als der "bremsende", in Kurven weiterhin der kurveninnere einen geringeren als der kurvenäußere. Entsprechende Korrektur in der Steuerung muß bedacht werden, ist aber aufgrund regelmäßigen Trainings gut machbar.


    Aber das hat mit dem Fall in München ja nichts mehr zu tun.

    Ich dachte immer es sei technisch unmöglich mit jemandem Sex zu haben, der Dörte heißt...

  • Es gibt auch noch einen weiteren Grund nicht in Italien zu Landen: Das Flugzeug hatte ja mehr als genug Kerosin an Bord um heimzufliegen. AFAIK wird ja wenn eine "Bauchlandung" nicht zu vermeiden ist sicherheitshalber versucht so wenig Kerosin wie möglich an Bord zu haben um einen Großbrand zu vermeiden/ zu minimieren. Kerosin ablassen ist eine fürchterliche Umweltsauerei und hier nicht gerechtfertigt. Also hätte man das Flugzeug mehrere Stunden Kreisen lassen müssen.... dann kann man aber auch gleich wieder Heimfliegen.


    Der Zielflughafen wird wirklich nicht scharf drauf sein eine Notlage abzufangen weils ja wiegesagt damit den kompletten Flughafen blockiert. Ein D Flughafen kann da nicht ablehnen. Ausserdem hat man dann wirklich bequem Zeit alles zu organisieren.
    Von der Notlandung, bis hin zu Hotelzimmern.

  • Das Sprit ablassen hat mit dem Gewicht zu tun, nicht mit der Brandgefahr. Je nach Betankungszustand kann ein Flugzeug zu schwer für die Landung sein, dann wird nach Möglichkeit noch Sprit abgelassen oder verflogen.

  • Korrekt. Außerdem können solche kleinen Mühlen gar keinen Sprit ablassen, das gibt es nur bei den ganz großen, denn bei denen liegt das Max. Landing Weight über dem Max. Takeoff Weight. Würden die also mit ihrem Gewicht sofort wieder landen würde das Flugzeug strukturell überlastet. Das ist aber bei kleineren Maschinen (selbst in der Größenordnung B737 / A320) kein Thema. Deswegen gibt es da kein Fuel dumping.


    Wenn wirklich Kerosin abgelassen wird regnet das nicht auf den Boden herab, sondern verdampft in der Luft. Man muß allerdings aufpassen dass man nicht in das Luft-Kerosin-Gemisch hineinfliegt, das hat seinerzeit in der DDR mal einen Flieger zum Absturz gebracht.

    Ich dachte immer es sei technisch unmöglich mit jemandem Sex zu haben, der Dörte heißt...

  • Folgendes selbst erlebte Beispiel ist etwas offtopic, aber es legt die Vermutung nahe, dass das Wohl der Firmenkasse schon manchmal über das Wohl der Passagiere gestellt wird:


    LTU-Flug von New York nach Düsseldorf, mit Zwischenlandung in München, wo grob geschätzt ein Drittel der Passagiere aussteigen wollte.


    Kurz vor München die Ansage, dass man wegen Nebels nicht landen könne und Warteschleifen fliegen müsse. Nach einer Alibi-Schleife dann die Ansage, dass sich die Verhältnisse in absehbarer Zeit nicht bessern werden und man deshalb direkt nach Düsseldorf fliegen muss.


    In DUS dann 6 Stunden Aufenthalt, bis eine halbleere Maschine nach Zypern flog, die in München ohnehin noch Passagiere aufnehmen wollte. Nach einer schlaflosen Nacht im Flugzeug ist sowas richtig angenehm. Das Verlassen des Transitbereichs wurde uns auch noch untersagt, sonst hätte man mit 6 Stunden noch was anfangen können.


    Neblig war es in München zwar wirklich, komischerweise war die LTU aber die einzige Maschine an dem Tag, die nicht gelandet ist.


    Als "Entschädigung" gabs in DUS einen Essensgutschein über 5 Euro, das kam LTU sicher billiger als die Landegebühren in München und der zusätzliche Sprit.

  • Zitat

    Original geschrieben von fantomas
    Folgendes selbst erlebte Beispiel ist etwas offtopic, aber es legt die Vermutung nahe, dass das Wohl der Firmenkasse schon manchmal über das Wohl der Passagiere gestellt wird:


    OK, du warst/bist verärgert weil es natürlich in der Tat kein besonders angenehmer Ablauf gewesen ist. Daraus zu folgern dass aufgrund finanzieller Erwägungen Passagiere für blöd verkauft werden ist aber eine Unterstellung. Wenn sich ein Routing über MUC generell nicht lohnen würde, würde LTU es nicht planmäßig anbieten sondern Paxe, die von NYC nach MUC wollen, schon gleich immer über DUS routen.


    Zitat

    Original geschrieben von fantomas
    Kurz vor München die Ansage, dass man wegen Nebels nicht landen könne und Warteschleifen fliegen müsse. Nach einer Alibi-Schleife dann die Ansage, dass sich die Verhältnisse in absehbarer Zeit nicht bessern werden und man deshalb direkt nach Düsseldorf fliegen muss.


    Es ist durchaus denkbar dass ein nächster Wetterbericht abgewartet worden ist, währenddessen ein Holding geflogen wurde, dann aber recht schnell feststand dass ein Abwarten auf eine Landemöglichkeit nicht sinnvoll ist.


    Da Flugzeuge, zumindest im Interkont-Bereich, aus Gewichts- und damit Treibstoffverbrauchs-Gründen immer nur für die nächste Strecke betankt werden (plus gewisser Reserven) kann es durchaus passieren dass schon relativ frühzeitig ein Commitment to stay oder die Entscheidung zum diverten/weiterfliegen fallen muß weil zu langes Zögern Treibstoff verbrennt und dann die Reserven angegriffen werden müssen.
    Was ist wenn sich dann blöderweise der Flieger vor einem auf der Runway zerlegt, sich das Wetter entgegen der Erwartung verschlechtert oder der Anflug im ersten Versuch mißlingt? Dann manövriert man sich ohne Not in eine kritische Situation und verspielt Handlungs- /Ausweichoptionen.


    Es gibt zahlreiche Beispiele wo Flugzeuge aus einer erstmal völlig harmlosen Situation heraus in eine kritische Lage kamen weil man gezögert und abgewartet hat und währenddessen die Optionen kleiner wurden. Kommt dann eine kleine, eigentlich harmlose, Komplikation dazu wird es aber plötzlich sehr unangenehm.


    Zitat

    Original geschrieben von fantomas
    Neblig war es in München zwar wirklich, komischerweise war die LTU aber die einzige Maschine an dem Tag, die nicht gelandet ist.


    Woher weißt du das? Und selbst wenn... es kann korrekte Gründe gegeben haben.


    Zitat

    Original geschrieben von fantomas
    Als "Entschädigung" gabs in DUS einen Essensgutschein über 5 Euro, das kam LTU sicher billiger als die Landegebühren in München und der zusätzliche Sprit.


    Die gesetzlichen Regelungen sind sehr verschärft worden. Einfach mal googlen...

    Ich dachte immer es sei technisch unmöglich mit jemandem Sex zu haben, der Dörte heißt...

  • Zitat

    Original geschrieben von Printus
    Wenn wirklich Kerosin abgelassen wird regnet das nicht auf den Boden herab, sondern verdampft in der Luft. Man muß allerdings aufpassen dass man nicht in das Luft-Kerosin-Gemisch hineinfliegt, das hat seinerzeit in der DDR mal einen Flieger zum Absturz gebracht.


    Du meinst sicher den Absturz einer IL62 am 14. August 1972 in Königs Wusterhausen. Daß das Flugzeug in die eigene Kerosinwolke geflogen ist, stimmt aber nicht. Es ist ein Gerücht, das sich in DDR-Zeiten verbreitete, weil die wahre Unglücksursache verschwiegen wurde. Und das Gerücht hält sich weiter hartnäckig. Ursache des Absturzes war aber ein Konstruktionsfehler an einer Heißluftleitung, wodurch das Flugzeugheck in Brand geriet und schließlich abbrach. Und da Flugzeuge aus der UdSSR aus ideologischen Gründen keine Fehler aufweisen durften, wurde die tatsächliche Absturzursache in DDR-Zeiten nie veröffentlicht. Der Fehler wurde wohl (laut einer Fernsehreportage über das Unglück, die vor einiger Zeit gezeigt wurde) still und heimlich dann an allen betroffenen IL62 nachgebessert.


    Zitat

    14. August 1972 – Die Iljuschin IL-62 (DM-SEA) der Fluggesellschaft Interflug befand sich auf dem Flug von Berlin-Schönefeld nach Burgas in Bulgarien. In 8.700 Metern Höhe bemerkte der Pilot ein Problem mit der Beweglichkeit des Höhenruders. Daraufhin wollte die Crew nach Berlin zurückkehren. Kurz darauf, etwa 30 Minuten nach dem Start in Berlin, stürzte die Maschine bei Königs Wusterhausen ab. Alle 156 Menschen an Bord starben. Grund war eine defekte Heißluftleitung, Teile des Hecks gerieten in Brand. Kurz vor dem Absturz brach das Heck ab, die Besatzung hatte keine Chance das Flugzeug unter Kontrolle zu halten.


    Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Interflug



    Mehr zum Thema gibt es auch hier nachzulesen: http://www.interflug.biz/DM-SEA.htm


    Ein Auszug aus der erwähnten Seite:

    Zitat

    Hierüber kamen weitere Spekulationen der westlichen Medien ins Spiel, die verbreiteten, die Maschine sei dabei in ihre eigene Kraftstoffwolke geflogen und so in Brand geraten. Alles das war haltloser Unfug auf dem Nährboden der kontraproduktiven Geheimhaltung seitens der DDR.

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