Der Fall Mollath

  • Nicht gleich in den falschen Hals bekommen, bitte!


    Mich wundert nur, warum in der aktuellen Reportage von Report Mainz die Autoren auf die Frage "wann geht es weiter" sagten, sie rechneten Tag für Tag mit einer neuen Entscheidung.


    Das wäre genau das Gegenteil von vorstehendem, daher nochmals die Frage: Wo ist das geregelt, wie ist das kodifiziert?

  • Das mit den Regelungen zur Verfahrensdauer ist nicht ganz einfach.


    Vor geraumer war Zeit mal wieder eine dazugekommen und andere sind in ständiger Diskussion (die ich nicht im Einzelnen kenne) - weil diese Vorschriften aber nicht in die richterliche Unabhängigkeit eingreifen dürfen, haben sie auf die Verfahrensdauer ohnehin keinen direkten Einfluss, sondern schaffen nur einen Schadenersatzanspruch für den Fall, dass das Gericht die Angelegenheit nicht in der vorgegebenen Zeit abwickelt.


    Selbst der EUGH kann lediglich eine unangemessene Verfahrensdauer (ggf. verbunden mit einer Entschädignungpflicht durch den Nationalstaat) feststellen. Stets enthalten diese Entscheidungen den Zusatz, dass der EUGH auf die Art und Weise der Verfahrensführung keinen Einfluss nehmen darf und den weiteren Verlauf des konkreten Verfahrens nicht beschleunigen kann. Sogar schwerkriminelle Bandenmitglieder mussten schon aus der U-Haft entlassen werden, weil Entscheidungen über besondere Gründe für eine weitere Inhaftierung nicht zeitgerecht getroffen wurden.


    Will heißen:
    Selbst wenn es Vorschriften gibt, betreffen sie in aller Regel nicht die Bearbeitung des Verfahrens selbst, sondern regeln nur die Folgen ihrer Nichtbeachtung (mal etwas vereinfacht, im Ergebnis aber zutreffend dargestellt).


    Also merke: Gut Ding will Weile haben, die in Wochen oder gar Monaten zu bemessen sein dürfte.


    Frankie

  • Zitat

    Original geschrieben von frank_aus_wedau
    Das mit den Regelungen zur Verfahrensdauer ist nicht ganz einfach.


    (..)
    Also merke: Gut Ding will Weile haben, die in Wochen oder gar Monaten zu bemessen sein dürfte.


    Frankie


    Was soll da so leicht altväterlich heissen "merke" :mad:


    Der Herr Mollath soll sich deine von der Lehrkanzel erteilten Empfehlungen hinter die Ohren schreiben? :rolleyes:

  • Zitat

    Original geschrieben von saintsimon
    Die Richter haben ja sonst nichts zu tun, bzw. lassen alle anderen Fälle liegen. Ja, Herr Mollath verdient "eigentlich" eine höhere Prio, aber wer möchte gerne dafür in der Warteschlange der Justiz zurückstehen? Du z.B.?


    Würdest du genauso reden/schreiben wenn du in der Psychiatrie einsitzen würdest? Würdest du dann auch verständnisvoll sagen, dass sich die Richter ja auch um Kleinkram kümmern müssen bevor sie sich damit beschäftigen, dich aus der Psychiatrie zu holen, in der du zu Unrecht sitzt?


    Hier geht's nicht um einen relativ unspektakulären Rechtsfall, bei dem niemand persönlich betroffen ist. Da sitzt einer möglicherweise zu Unrecht hinter Gittern. Freiheitsentzug ist in der deutschen Rechtsprechung eine der massivsten Einschränkungen, die normalerweise mit allerhöchster Priorität behandelt und an höchsten Ansprüchen gemessen wird.


    Wenn man in diesem Fall ein Bearbeitungstempo an den Tag legt, das dem in irgendwelchen Bagatellfällen entspricht, passt das perfekt zu allen bisher schon skandalösen Umständen dieses Falls.

    Ich dachte immer es sei technisch unmöglich mit jemandem Sex zu haben, der Dörte heißt...

  • Zitat

    Original geschrieben von Printus
    ...
    Hier geht's nicht um einen relativ unspektakulären Rechtsfall, bei dem niemand persönlich betroffen ist. ...


    Bei jedem Rechtsfall ist jemand persönlich betroffen, sofern sich nicht gerade auschließlich Firmen, Institutionen oder Staaten untereinander kloppen.
    Auch ist die Spektakulärität des Falles kein Maßstab für die Wichtigkeit für die Beteiligten oder für das Gericht.


    Aber Du hast meinen Text nicht verstanden. Ich schrieb, daß Mollath eine höhere Prio verdient, aber ob er sie bekommt ist eine andere Sache. Die Überlastung der Justiz läßt sich nicht wegempören, sondern nur durch die Einstellung von mehr Richtern (mit Mehrkosten für die Steuerzahler) lindern.

    LG: V30
    Samsung: Galaxy Tab S2 LTE, A5 (2017);
    Sony: Xperia X Compact;

  • Zitat

    Original geschrieben von iStephan
    Was soll da so leicht altväterlich heissen "merke" :mad:


    Der Herr Mollath soll sich deine von der Lehrkanzel erteilten Empfehlungen hinter die Ohren schreiben? :rolleyes:


    Wenn noch Platz ist ... vielleicht besser zwischen die Ohren.


    Natürlich könnte man sehr viel dazu schreiben, was alles sein müsste ... oder eher sollte ... und warum das dann aber doch nicht gilt. Oder man merkt sich einfach das Ergebnis ... was weitaus ökonomischer ist - nämlich dass möglicherweise zwar ein Anspruch auf eine zeitgerechte Entscheidung besteht, dieser aber weder de jure noch de facto durchsetzbar ist.


    Die richterliche Unabhängigkeit erstreckt sich unbestreitbar auch auf verfahrensleitende Entscheidungen, die die Verfahrensdauer im Wesentlichen ausmachen. Und auch die Zeit, die der Richter zum Nachdenken und zur Entscheidungsfindung benötigt, liegt allein in seinem (billigen) Ermessen.


    Ich weiß nicht, was daran so schwer zu verstehen ist. Diese (bis zur Pensionierung des Richters nicht disponable) uneigeschränkte richterliche Unabhängigkeit ist einer der Grundpfeiler des Rechtsstaats nach deutscher Ausgestaltung.


    Damit wird Herr Mollath leben müssen, wie jeder andere Betroffene auch - und keineswegs bin ich dafür verantwortlich.


    Frankie



    Edit @ iStephan:
    Ich frage mich, was Du lesen möchtest. Als Sprecher der Justizverwaltung könnte ich natürlich die passenden Worte finden, die Dich fürs erste vollumfänglich im Recht wähnen ... bis Du merkst, welchen Inhalt die schön anzuhörenden Worte tatsächlich haben. Spätestens wenn dann doch nix passiert und der Justizsprecher bedauert, mit seinen (in der Tat) richtigen Worten nur falsch verstanden worden zu sein, folgt die Ernüchterung.


    Magst Du so etwas? Das könnte ich auch ... ganz ohne in die "Klartext-Falle" zu tappen und mich damit möglicherweise unbeliebt zu machen ...

  • Zitat

    Original geschrieben von frank_aus_wedau
    Und auch die Zeit, die der Richter zum Nachdenken und zur Entscheidungsfindung benötigt, liegt allein in seinem (billigen) Ermessen.


    Das ist so nicht richtig. Du hast Recht, dass es keine konkreten gesetzlichen Zeitvorgaben gibt. Allerdings erfordert das Rechtsstaatgebot ein angemessen langes Strafverfahren; Verzögerungen sind nicht hinzunehmen, auch nicht durch "nachdenken". Ein überlanges Verfahren stellt eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren da.
    Das BVerfG hat schon Angeklagte wieder freigesprochen, weil in Anbetracht des überlangen Verfahrens die Strafe unverhältnismäßig war und sie in ihren Grundrechten verletzt waren. Für die jeweiligen Richter hat das aber, genauso wie eine falsche Verurteilung, (leider) keine unmittelbaren Folgen.

  • Zitat

    Original geschrieben von Jimmythebob
    Das ist so nicht richtig. Du hast Recht, dass es keine konkreten gesetzlichen Zeitvorgaben gibt. Allerdings erfordert das Rechtsstaatgebot ein angemessen langes Strafverfahren; Verzögerungen sind nicht hinzunehmen, auch nicht durch "nachdenken". Ein überlanges Verfahren stellt eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren da.
    ...


    Das steht nicht in Widerspruch zu dem von mir geschriebenen.


    Was Du schreibst, betrifft den Nachteilsausgleich betreffend die Belastung des Betroffenen durch eine überlange Verfahrensdauer. Den hatte ich bereits erwähnt und festgestellt, dass hierdurch das Verfahren selbst aber nicht verkürzt wird. Und diese überlange Verfahrensdauer wird zwar festgestellt, ändert aber rein gar nichts daran, dass die richterliche Unabhängigkeit die (objektiv möglicherweise langsame) Sachbehandlung dennoch rechtfertigt. Eine Verletzung der Dienstpflicht durch den Richter kann definitiv nicht festgestellt werden (gehen wir vom Regelfall aus und nicht von einer gezielten Verschleppung des Verfahrens, die ziemlich sicher auszuschließen sein dürfte).


    Im Verlauf des Strafvervahrens selbst sehe ich (in der betroffenen Instanz) keine effektive Beschleunigungsmöglichkeit. Oder irre ich hier?


    Frankie

  • Ist ja alles richtig. Ich würde es aber nicht so stehen lassen wollen, dass die Zeit, die der Richter sich nimmt, in seinem billigen Ermessen steht. Der Richter ist in seiner Entscheidungsfindung an Recht und Gesetz gebunden. Und die Verfassung schreibt eben vor, dass ein Verfahren nicht übermäßig lang dauern darf (Rechtsstaatsprinzip). Also hat ein Richter diese Verfassungsvorgabe eben auch einzuhalten. Dass eine Verletzung dieser Vorgaben keine Folgen für den Richter hat, ändert an der grundsätzlichen Pflicht nichts.

  • Zitat

    Original geschrieben von saintsimon
    Bei jedem Rechtsfall ist jemand persönlich betroffen, sofern sich nicht gerade auschließlich Firmen, Institutionen oder Staaten untereinander kloppen.


    Es ist für den Betroffenen aber ein gewaltiger Unterschied, ob es ein Rechtsstreit um den Maschendrahtzaun des Nachbarn geht oder darum, dass man hinter Gittern sitzt und um seine Freilassung kämpft.


    Zitat

    Original geschrieben von saintsimon
    Aber Du hast meinen Text nicht verstanden. Ich schrieb, daß Mollath eine höhere Prio verdient, aber ob er sie bekommt ist eine andere Sache. Die Überlastung der Justiz läßt sich nicht wegempören, sondern nur durch die Einstellung von mehr Richtern (mit Mehrkosten für die Steuerzahler) lindern.


    Ich habe es durchaus verstanden, mag es aber nicht schulterzuckend dabei belassen, dass es aufgrund der Überlastung der Justiz halt so ist. Öffentlichkeit und Empörung sind hier durchaus angebracht und notwendig, denn jeder Tag, den Herr Mollath sich länger in der Psychiatrie befindet, ist fortgesetztes Unrecht, sollte er unrechtmäßig eingesperrt sein.
    Es kommt nicht von ungefähr, dass z. B. Festgenommene spätestens zum Ablauf des nächsten Tages dem Haftrichter vorgeführt werden müssen. Es ist dann unbefriedigend, wenn in in Fällen wie dem des Herrn Mollath Wochen verstreichen können bevor etwas passiert, wenn die zuständigen Organe es entsprechend verzögern wollen.

    Ich dachte immer es sei technisch unmöglich mit jemandem Sex zu haben, der Dörte heißt...

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!