Noch mal zur Kamera:
Stimmungsvolle Nachtaufnahmen sind bei ausreichender Auflösung und einer Kamerasoftware, die für die Belichtungszeit und Eingriff in die entscheidenden Faktoren genügend Spielraum lässt, keine Kunst. So gesehen fürchte ich, Torcidas Fotos hätte man mit fast jeder Kamera hinbekommen: ISO auf 100, die passende, lange Belichtungszeit nehmen, Kamera auf eine feste Unterlage, passender Weißabgleich, Selbstauslöser und dann ab dafür! Dass das zweite Bild aus der Hand geschossen ist, ist bei 1,5s Belichtungszeit kaum zu glauben, aber egal.
Die Fotos von der französischen Seite taugen für Vergleiche jedenfalls fast gar nichts, dazu sind die Fotos einfach viel zu unterschiedlich belichtet. Dazu ein ganz kleiner Exkurs:
Die Belichtungsautomatik hat kein Gefühl dafür, wie hell oder dunkel "es ist", d.h. wie hell oder dunkel wir etwas wahrnehmen. Stattdessen ist sie darauf optimiert, den Dynamikumfang eines Bildes möglichst optimal wiederzugeben, d.h. möglichst wenig komplett schwarze und möglichst wenig komplett weisse, ausgefressene Bereiche zu produzieren. Mit einer richtigen Kamera würde man bei Nachtaufnahmen die Belichtungsautomatik aussen vor lassen, und die Belichtungszeit manuell so wählen, dass das Ergebnis hinterher für den Fotografen zufriedenstellend ist, das kann heller oder dunkler sein, das hängt ganz von der Bildwirkung ab, die der Fotograf erzielen will, ein richtig oder falsch gibt es aus Sicht des Fotografen nicht.
Aus Sicht der Belichtungsautomatik aber schon! Sie möchte den sweet spot zwischen hell und dunkel treffen und würde nachts im Zweifelsfall dafür plädieren, minutenlang zu belichten, um ein Ergebnis zu bekommen, dass technisch ausgewogen ist, aber kein menschlicher Betrachter haben wollte, weil es unnatürlich aussieht. So wird die Belichtungsautomatik besonders bei den Bildern der 4. Szene von 808, SIII und One X mit Sicherheit konstatieren: Viel zu dunkel, das halbe Bild säuft ja ab! Besser gefallen werden der Automatik die Bilder von 920 und iP5, aber selbst die sind nach (für Tageslicht optimierten!) Kriterien noch zu dunkel. Es ist gut zu sehen, dass die Automatik in den ersten Fällen mit ihrem Latein am Ende ist, ihr geht der Spielraum zur Korrektur aus. Blende ist offen, Belichtungszeit ist so lang wie möglich (evtl. ist diese zusätzlich durch Verwendung eines Motivprogramms drastisch eingeschränkt um z.B. verwackeln zu vermeiden), ISO ist teilweise schon jenseits von gut und böse.
So ist das iPhone-Foto bei ISO 2500 aufgenommen, absurd für so einen kleinen Sensor, das One-X-Foto bei 1250, die Nokias hatten eine Empfindlichkeit von immer noch brutalen ISO800, beim 808 mit einer Belichtungszeit von 1/8s, beim 920 mit einer immerhin drei mal so langen (!!) Belichtungszeit von 0,3s. Das erklärt aber immer noch nicht den gravierenden Helligkeitsunterschied zwischen den beiden Fotos, der ist offensichtlich nachträglich per Software erzeugt worden. Farbrauschen ist auf beiden Fotos sehr ordentlich entfernt worden, beim 808 sind aber Farb-Moire-Effekte entstanden, gut zu sehen im Bereich des Himmels. Helligkeitsrauschen ist bei beiden deutlich zu sehen, aber für die Auflösung des Bildes und ISO800 für eine Handykamera ausgesprochen akzeptabel. Das 920-Foto ist krass überschärft, alles voller Artefakte, das 808-Foto leicht verwackelt, das alles ist bei normalen Betrachtungsgrößen aber kaum störend.
Ich habe zum Spaß mal die Helligkeit des 808-Fotos auf das Niveau des 920-Fotos gebracht, man erntet totales Gegrissel. Es ist aber dem 808 gegenüber nicht fair, ein von der Kamerasoftware endbearbeitetes (v.a. entrauschtes, geschärftes) Bild weiterzubearbeiten, selbst wenn man die unbearbeiteten RAW-Daten hätte, wäre es das nicht, weil das 808-Foto für so ein Helligkeitsniveau einfach nicht ausreichend belichtet ist. Für einen fairen Vergleich hilft nur: Bilder mit gleicher Belichtung vergleichen.
Meine persönliche Meinung: Über Geschmack lässt sich streiten, vom Dynamikumfang und der Qualität her finde ich die L920-Fotos aber ausgesprochen bemerkenswert! Da das 808 bei der Belichtungszeit offensichtlich am Anschlag ist, ist die drei mal so lange Belichtungszeit beim L920 mit kleinerem Sensor (der die mögliche Belichtungszeit weiter verkürzt) wirklich beeindruckend, und die größere Blende macht es dann noch mal besser! :top: