13 Seiten polarisiertes "Geplauder" in nicht einmal drei Tagen - alle Achtung. ![]()
Im Grunde haben hier nur sehr wenige versucht, der grundsätzlichen Problematik des heutigen Individualverkehrs auf den Grund zu gehen - immerhin hat Jochen einen guten Ansatz genannt, der im Prinzip darauf basiert, zunächst einmal der besseren Ausnutzung des vorhandenen Raumes auf unseren Autobahnen den Vorrang zu geben vor (m. E. durchaus fragwürdigen, dazu weiter unten mehr) starren Tempolimits.
Würde man noch eine zweite Variable ins Spiel bringen, nämlich neben einer räumlichen auch eine zeitliche Entzerrung zu berücksichtigen, käme es außerdem zu einer beträchtlichen Verbesserung sowohl auf unseren Autobahnen als auch in den vom Verkehrsinfarkt bedrohten Ballungsräumen. Doch hier "spielen" Industrie, Handel, Gewerkschaften und Politik nicht mit, denn diese Lösung ließe sich nur durch eine weitgehende Flexibilisierung der Arbeitszeiten regeln, mit die relativ starren Kernzeiten "Arbeitsbeginn zwischen 7 und 8, Arbeitsende zwischen 17 und 18 Uhr" zugunsten von Konzepten wie Telearbeit aufgegeben würden. (Wikipedias englischsprachiger Artikel zu Telearbeit sagt sogar ausdrücklich: "Telecommuting is seen as a solution to traffic congestion caused by single-car commuting, and the resulting urban air pollution and petroleum use." Von den Einsparungen durch die Vermeidung von "Pendelzeiten" gar nicht erst zu sprechen...
Um aber beim Thema zu bleiben: Die grundsätzliche Frage ist: Geht es bei der Einführung von Tempolimits um
a) die Verbesserung des Verkehrsflußes (weniger Totalstaus),
b) die Reduzierung der mit dem Verkehr verbundenen Schadstoffemissionen,
c) die Verbesserung der Verkehrssicherheit (weniger Verkehrsopfer)?
Bei allen drei Fragekomplexen wird man - bei genauer und ideologisch unvoreingenommener Betrachtung - feststellen, daß es sich um hochkomplexe kybernetische Modelle handelt, bei denen sich nicht durch das Verändern eines einzigen Parameters (nämlich der maximal erlaubten Geschwindigkeit auf Autobahnen) das gesamte Modell in einen "optimalen Zustand" versetzen läßt - wobei zunächst noch die Frage beantwortet werden müßte: wie sieht eigentlich ein "optimaler Zustand" aus, wer legt diesen fest, und nach welchen Kriterien?
(Klammern wir dabei einmal bewußt die noch tiefer gehende Frage aus, ob wir uns mit unserem Gesamtsystem des Individualverkehrs, so wie wir es heute haben, nicht grundsätzlich auf einem Irrweg befinden? Denn sonst würde die Diskussion hier noch stärker ausufern.)
Ich stehe also einem verkehrspolitischem Konzept, das mit Vorschlaghammer-Methoden operiert - und die Einführung eines starren Tempolimits ist m. E. wie der Versuch, den Akkudeckel eines Mobiltelefons mit Hammer und Meißel zu öffnen - äußerst skeptisch gegenüber, was aber nicht heißen soll, daß ich grundsätzlich gegen die Einführung von Tempobegrenzungen auf Autobahnen bin - bloß sollte dahinter mehr Methodik stecken als ggw. erkennbar ist.
zu a) Gegen die Einführung von Verkehrsleitsystemen, die ggf. bei zunehmender Verkehrsdichte auch die Höchstgeschwindigkeit variabel begrenzen, wäre m. E. nichts einzuwenden. Hier ginge es also um eine Verbesserung des Verkehrsflusses zur Vermeidung von Totalstaus, was auch zu mehr Verkehrssicherheit und einer Verminderung unnötiger Emissionen führt.
zu b) Zur Reduzierung von Emissionen trägt ein starres Tempolimit nichts nennenswertes bei; hier wären durch die Einführung von intelligenteren Motormanagementsystemen, Hybridantrieben, gewichtsparende Leichtbauweise (wie sie einige Hersteller in den späten 1970er und 1980er Jahren bereits umzusetzen begannen) und eine damit verbundene Reduzierung der Motorleistungen (weniger Gewicht bringt gleiche Fahrleistungen mit schwächeren und sparsameren Motoren) weitaus höhere Einsparpotentiale möglich. Dazu käme noch eine grundsätzliche Verbesserung des Verkehrsflusses durch moderne und flexible Verkehrsleitsysteme.
zu c) Betrachten wir nun noch den Aspekt der Verkehrssicherheit. Hier liegt m. E. überhaupt keine gesicherte Datenbasis vor, die die These belegt, durch ein starres Tempolimit ließe sich die Zahl der Unfallopfer signifikant senken. Das Problem mit den Autofahrern, die sich trotz bestehender Tempolimits auf dem größten Teil aller Straßen nicht vom "Rasen" (= unangepaßte Geschwindigkeiten liegen nicht unbedingt über der erlaubten Höchstgeschwindigkeit, sondern häufig bereits erheblich darunter) abhalten lassen, bekommt man auch mit einem flächendeckenden starren Tempolimit nicht in den Griff. Die samstagnächtlichen Rasereien alkoholisierter Jugendlicher über die Landstraßen von der Disco nach Hause werden damit genau so wenig erfaßt wie die morgendlichen oder mittäglichen "Schumis", die Kinder auf ihrem Schulweg auf Zebrastreifen überfahren. Von daher halte ich das Argument der besseren Verkehrssicherheit durch ein starres Tempolimit zumindest für sehr fragwürdig.
@ brasax: Moderne Fahrzeuge haben eine Art Sensor, der halbherzig durchgeführte Notbremsungen erkennt und in Sekundenbruchteilen den Pedaldruck selbsttätig erhöht. Aber natürlich können die Grenzen der Physik auch mit solchen Systemen nicht aufgehoben werden.