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Schönheit liegt im Auge des Betrachters
Das Nokia-Handy 8910 ist ein teures Schmuckstück aus Titan / Hoher Preis und edles Design
Die Nokia-Handys aus der Modellreihe 8 waren schon immer ganz besondere Design-Geräte für höchste Ansprüche. Man denke an das legendäre silberfarbene 8810 oder das 8850 mit besonders aufwendigem Aluminiumgehäuse. In diesem Jahr zeigt Nokia mit dem 8910 ein Handy aus Titan. Die naturbelassene Variante kostet stolze 900 Euro, die schwarz lackierte sogar 980 Euro. Beide Versionen haben ein extravagantes Aussehen: Der Sprechapparat wird von einer pausbäckigen Hülle umgeben, die Maße von 104 × 48 × 21 Millimeter entsprechen etwa dem Sony Ericsson T68i. Mit Betätigung der seitlich angebrachten Tasten fährt der Innenkörper auf einem Schlitten nach oben und gibt die zierliche Tastatur frei.
Das schwarz lackierte Gehäuse sieht gar nicht so hochwertig aus, wir fanden das günstigere Modell schöner. Auch bringt das kühle und kratzfeste Material einige Nachteile mit sich: Die Tastaturbeleuchtung kann den Titanmantel nicht durchdringen, im Dunkeln wählt und tippt man blind. Die untere Tastaturzeile ist nicht optimal erreichbar, die obere prellte bei unserem Gerät. Die äußere Hülle stört beim Wechsel der Sim-Karte, und rückseitig ist der obere Teil der Abdeckung aus billigstem Plastik, weil sich dahinter die Antenne verbirgt. Kurzum: Während das ältere Nokia 8850 eine teure Pretiose ohne Fehl und Tadel war, eine gelungene Kombination modernster Technik mit edlem Design, weist das Titan-Handy 8910 schon bei Gehäuse und Handhabung etliche Tücken auf.
Bei den inneren Werten überzeugt das Nokia durchaus: Viel Speicher für SMS und Adressen, viel Tempo mit GPRS und HSCSD und viel Kommunikation mit Bluetooth und Infrarot. Sprachwahl und Sprachsteuerung sind ebenfalls dabei, ferner die bewährten Gruppenfunktionen und Profile. Das alles ist einfach und schnell zu bedienen. Was man vermißt, sind Java, Triband-Empfang für Amerika, mehrstimmige Klingeltöne, einen E-Mail-Client und einen Anschluß für die Auto-Antenne. Typisch für Nokia: Abermals gab es Probleme mit Bluetooth, dem neuen Kurzstreckenfunk. Unser blauzähniger Datenadapter am PC wurde vom Handy nicht gefunden, umgekehrt erkannte aber der PC wenigstens das Handy. Das Zusammenspiel mit dem Bluetooth-Sprechbügel von Motorola funktionierte einwandfrei, allerdings nicht mit der Sprachwahl per Headset-Knopfdruck. Der 111 Gramm schwere Apparat (das ähnlich kleine Nokia 8310 wiegt nur 84 Gramm) hält sehr lange durch, der Hersteller spricht von bis zu 300 Stunden.
Fazit: Die Ausstattung müßte bei einem so teuren Gerät vollständig sein, und im praktischen Gebrauch ist der Titanmantel eher störend. Das exklusive Design schafft hingegen Wertbeständigkeit. Wer dieses Handy kauft, hat sich in sein Äußeres verliebt. Schon jetzt ist das 8910 ein rares Sammlerobjekt.
MICHAEL SPEHR
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.08.2002, Nr. 198 / Seite T2