Ausbildungspakt gescheitert?

  • Zitat


    gäbe es einen ganz schönen Schub, was die Einstellung von Azubis angeht


    Es wird dabei immer vergessen, dass ein Azubi nicht nur Lohn kostet. Ich hab damals mal meine Kostenaufstellung für die Ausbildung gesehen. Die lag AFAIK bei 50.000 € für 3 Jahre. Davon waren vielleicht 20.000 € der reine Lohn bzw. das Gehalt. Der Rest geht für die Ausstattung, die Zeit die andere Mitarbeiter investieren und die Lehrmittel die verlangt werden, drauf.


    Und das sich das ein zwei oder drei Mann Betrieb nicht leisten kann, ist ja verständlich. Da wären sogar einige bereit lieber 450 € Strafgebühr zu zahlen anstatt auszubilden. Ist unterm Strich billiger. Andersherum, was bringt es wenn jeder Ausbildet, aber nach der Ausbildung keinen Job findet? So gesehen beim Amtsgericht. Da werden jährlich 10-20 Leute pro Gericht ausgebildet wovon 2 übernommen werden (wenn überhaupt zeitverträge) und der Rest landet auf der Straße. Mit so einer speziellen Ausbildung kriegt man nämlich nirgendwo was, oder nur sehr selten. Was für einen Sinn hat das ganze also?


    Es mangelt in Deutschland an Arbeit. Die produzierenden Schiene ist in D kaum noch vorhanden, d.h. Leute die damals zum Pütt (Bergbau, für nicht kenner) oder auf´m Bau gegangen sind, mussten nicht viel können, nur anpacken. Solche Berufe wo man ohne Hirn viel leisten kann, gibt es eben nicht mehr (um das mal so platt auszudrücken). Und genau das haben viele verpennt. Ich sehe meinen ehemaligen Schulkollegen heute ab und an nochmal. Nach seiner Ausbildung als Tischler wurde er gekündigt (Firma hatte kein Geld), die zweite Firma wo er arbeite zahlte keinen Lohn, danach arbeitete er als Vorfeldarbeiter auf dem Flughafen (was komplett anderes) bis er es nicht mehr aushielt für 1300 € brutto eine 50 Stundenwoche hinzulegen ohne jegliche Zuschläge für Nacht- und Wochenendarbeit. Danach hat er bei einer Firma gearbeitet wo er als Subunternehmer selbstständig war. Da die Firma aber betrügerisch vorging, kündigte er selber. Jetzt arbeitet er wieder als Subunternehmer für einen Schreiner. Summasumarum ärgert er sich heute nicht direkt auf höhere Bildung gesetzt zu haben, anstatt direkt "Kohle scheffeln zu gehen".

  • Hi,


    Zitat

    Ich hab im Jahr 2004 meinen Qualifizierten Hauptschulabschluss (Schnitt 2,0) gemacht und sofort eine Lehrstelle gefunden (hatte dort aber zuvor insgesammt drei Wochen Praktikum gemacht).


    Löblich, aber leider heutzutage die Ausnahme.


    Wenn man meinen chef hört, was für "Pfeifen" sich bei uns bewerben und glaube, nur weil die einen PC einschalten können und CS spielen, Ahnung von Computern zu haben, stehen einem die Haare zu Berge.
    Dann kommen die Schulnoten, reiner Müll und spätestens bei Englich = 5 fällt der Kandidat hinten raus. Was wollen wir mit sowas in einem international tätigem Unternehmen, wo schon die Firmensprache englich ist und die Mitarbeiter selbst in D international sind.

  • Zitat

    Original geschrieben von Thomas4711
    ...wo schon die Firmensprache englich ist und die Mitarbeiter selbst in D international sind.


    schlimm genug.

  • Also bei mir war es damals so: Ich habe 10 Bewerbungen geschrieben un hatte von der ersten Stelle ne Zusage (und das war eine Initiativ-Bewerbung, die offenen Stellen vom Arbeitsamt wurden alle abgesagt). Somit bin ich da gelandet und hab auch die Ausbildung ohne Mühe bestanden. Ich konnte dann im letzten Ausbildungsjahr auch neue Azubis mit testen und war teilweise echt überrascht, was für gravierende Mängel in den einfachsten Aufgaben zu erkennen waren. Da wurden in einem 10-Zeilen-Text mal mindestens 10 Fehler gemacht oder bei einer simplen Rechenaufgabe totale Leichtsinnsfehler gemacht.


    Zusätzlich zu den Fehlern war das Auftreten bei manchen einfach furchtbar. Ich meine OK, bei einem Test muss man nicht im Anzug auftauchen (gerade im Alter zwischen 16-18), aber da sind die Jungs teilweise in Baggy-Hosen aufgetaucht, mit ner kompletten Tube Gel im Haar und haben einen auf dicke Hose gemacht. Sowas fällt natürlich sehr aus dem Rahmen. Und die Mädels waren nicht besser. Auch wenn es Sommer ist, sollten doch bitte die Brüste nicht fast rausfallen und die Strings bis zu den Ohren hochgezogen sein. Auch bei den Tests wird auf sowas geachtet, bzw. sollte man nicht unbedingt negativ auffallen.


    Wir haben für dieses Jahr glaub ich nicht alle Stellen besetzt, weil einfach die Leute zu schlecht waren! Da kann man den Firmen noch tausendmal vorwerfen "Ausbildungspakt, ihr müsst einstellen!!", aber wenn keine Bewerber die Anforderungen erfüllen sind denen auch die Hände gebunden.


    Am Ende wurde ich unbefristet Übernommen, habe jedoch gekündigt und fange in ner Woche an zu studieren!


    Mein Fazit: Ausbildungpakt schön und gut, aber nicht nur die böse Industrie ist immer dran schuld, wenn viele Jugendliche keinen Job finden.

  • Zitat

    Mein Fazit: Ausbildungpakt schön und gut, aber nicht nur die böse Industrie ist immer dran schuld, wenn viele Jugendliche keinen Job finden.


    Das es zwei Seiten der Medaille gibt ist klar. Zum einen gibt es eben Betriebe die das nicht können/wollen und zum anderen die Schüler die sich keine Mühe geben. Manche Betriebe stellen aber auch Erwartungen für einen einfachen Job, das ist nicht mehr feierlich.


    Meine erste Bewerbung war damals der Treffer - Einstellungstest - Vorstellungsgespräch - Gruppengespräch (mit gegenseitigem Ausstechen) - das wars. Ich nenne sowas Glück und nicht unbedingt können, denn eine gehörige Portion Glück gehört schon dazu.

  • Ich schließe mich der Meinung an daß vieles nur noch möglich ist durch Glück ober Beziehungen. Mein Werdegang und somit meine Erfahrung:


    Ausbildung bei der (damals) Bundespost Telekom zum Kommunikationselektroniker erhalten aufgrund dessen das ein Schauspielerkollege meiner Mutter dort arbeitete in einer leitenden Position.
    Direkt danach den Ersatzdienst geleistet. Die Leiterin der Ziviabteilung war eine Segelkollegin meines Vaters.
    Verkäufer im Media Markt. Der Marktleiter war der Onkel einer Freundin meiner damaligen Freundin (kein Scherz, war wirklich so !)
    Servicehotline eines großen Mobilfunkherstellers. Der Chef war ein früher Kollege aus einer Diskothek in welcher wir zu jungen Jahren arbeiteten.
    Jetziger Arbeitgeber. Der Chef ist ein Tenniskollege des Vorstands vom Verein in welchem ich Tätig bin.


    Ihr seht, alle Stellen sind Beziehungen ! Deswegen ist es mir dort aber nicht leichter gefallen. Zum Thema Ausbildung kann ich das Bild nur bestätigen. Ein Groß der heutigen Jugend ist blos zu faul, zu Vorlaut und stellt zu viel Anforderungen und mein man wäre cool ! Mit dieser Einstellung stelle ich niemanden ein. Die Ursache liegt im Elternhaus in der Erziehung der jungen Leute. Aber ich schweife ab ...

  • @AdminDR: Sind keine Vorurteile, habe während des Studiums so 3 Jahre für den öffentlichen Dienst gearbeitet als Computerfuzzi. Weiterhin arbeitet mein Vater im öffentlichen Dienst, meine Mutter früher auch mal. Jeder in einem anderen Bereich, in einer anderen Stadt. Also von daher kenne ich da gewisse Gepflogenheiten der "Branche"

  • Wir haben in diesem Jahr einen Technischen Zeichner als Auszubildenden eingestellt.
    Beworben hatten sich im Vorfeld etwa 20 Personen, überwiegend mit Realschulabschluss. (Wir hatten absichtlich keinen Abiturienten gesucht)
    Eingeladen wurden davon sofern ich mich richtig erinnere fünf Bewerber für einen kleinen Test über Grundkenntnisse zu Mathematik, technisches Grundverständnis, räumliches Vorstellungsvermögen und nen bisschen Allgemeinwissen und Rechtschreibung. Alle Fragen bewegten sich so auf dem Niveau des siebten oder achten Schuljahres, teilweise noch weit darunter. Also im schlimmsten Fall nen bisschen Dreisatz, die Nennung von ner handvoll Bundesländer und dergleichen mehr.
    Von den fünf eingeladenen (die schon zu den Besten von den 20 Bewerbern gehörten) lagen die Ergebnisse zwischen 40 und 80%. Den Besten, der eh allgemein etwas herausragte haben wir genommen. Aber abgesehen von der "Zweitplatzierten" die grundsätzlich auch geeignet gewesen wäre, war der Rest schlicht ungeeignet.

  • Zitat

    Original geschrieben von fahrsfahrwerkaus
    Könnte nicht auch ein Grund darin liegen, dass der moderne, 17jährige "krasse Checker", der zu blöd ist, seinen eigenen Namen zu schreiben, einfach keine Chance hat, irgendeinen ernsthaften Auftritt vor dem Personalmenschen/Ausbildungsleiter hinzulegen? Hier im Forum habe ich schon von einigen gelesen, die regelmässig Bewerbungen auf den Tisch bekommen, wie doof doch das Bewerbervolk geworden ist, insbesondere das junge.


    Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen, wenngleich ich nicht behaupten will, dass das erst eine Entwicklung der letzten Jahre ist. Mein Vater ist vor ca. 10 Jahren in Rente gegangen, war zuvor Ausbildungsleiter in einem größeren Unternehmen. Wenn Bewerbungszeit für Ausbildungsstellen war, saß er oft daheim und hat die Bewerbungen abends durchgesehen. Was ich da damals schon in den Bewerbungsunterlagen gesehen habe, war nicht selten haarsträubend bis ungewollt komisch.


    Heute bin ich selbst im Personalbereich tätig, und man muß sich in der Tat erst darauf einstellen, dass die Anforderungen, die man selbst zu erfüllen gelernt hat bei Bewerbungen um eine Stelle nach dem Studium und das, was als Bewerbungen um eine Ausbildungsstelle ankommt, zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe sind. Gut, nicht wirklich verwunderlich, bedenkt man Alters- und Personengruppe die angesprochen wird - aber das ist anfangs schon haarsträubend, was da sowohl schriftlich als auch persönlich im Vorstellungsgespräch geboten wird.


    Dass es wirklich nicht einfach ist, in jedem Fall Ausbildungsplatz und Azubi-in-spe zusammenzubringen ist schlicht richtig, und die immer geforderte Mobilität - naja, erstens erlauben ja selbst die vom Arbeitgeberverband als so wahnsinnig viel zu hoch eingeschätzten Azubi-Gehälter kaum, sich irgendwo fernab vom Hotel Mama eine Bleibe und vielleicht noch ein Auto zu leisten, und zum anderen erlebe ich selbst, dass es a) nicht einfach ist in einer neuen Gegend Fuß zu fassen und b) nicht mal viele der ach so flexiblen Studierten bereit und in der Lage sind, sich aus der gewohnten Umgebung zu verabschieden. Insofern verblüfft es mich nicht, dass viele Jugendliche sich damit überfordert fühlen und nicht bereit sind, ans andere Ende Deutschlands zu ziehen für eine Ausbildung.


    Aber bedeutet das, dass die Arbeitgeber deshalb per Gesetz zu zwingen sind, jedem seinen Wunschausbildungsplatz vor Ort anzubieten? Kaum - wenn ich Fach X studieren will, muß ich ja auch schauen, wo ich das angeboten bekomme, und kann nicht schmollen wenn das halt gerade nur in Lüneburg läuft. Ich nehm´s, oder ich lass es bleiben. Ähnlich beim Ausbildungspakt - es macht Sinn, dass sich die Arbeitgeber verpflichten, eine ausreichend hohe Zahl von Ausbildungsplätzen bereitzustellen, damit keine zu große Zahl von auch qualifizierten Jugendlichen erst gar keine Chance auf einen Platz hat. Aber mehr kann nicht Aufgabe der Arbeitgeber sein.


    Dass es auf den ersten Anschein so aussieht, dass der Ausbildungspakt nicht eingehalten wird, ist meines Wissens der etwas wirren Berechnungsformel geschuldet - 30.000 neue Ausbildungsplätze (d.h. AP von Arbeitgebern, die bisher nicht oder nicht in dem Umfang ausgebildet haben) dürften durchaus erreicht werden. Allerdings werden wegfallende Plätze nicht auf diese Zahl angerechnet, so dass es sein kann dass 30.000 neue Plätze geschaffen werden und trotzdem in toto weniger Plätze da sind als im Vorjahr. Zumal die Zahl der "fehlenden" Plätze ja auch nichts aussagt, da ja auch die Zahl der Nachfrager schwankt...

    Die Mehrheit? Was ist die Mehrheit? Mehrheit ist der Unsinn, Verstand ist stets bei wen'gen nur gewesen. Bekümmert sich ums Ganze, wer nichts hat? Hat der Bettler eine Freiheit, eine Wahl? Er muss dem Mächtigen, der ihn bezahlt, um Brot und Stiefel seine Stimm verkaufen. Man soll die Stimmen wägen und ncht zählen; Der Staat muss untergehn, früh oder spät, wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet.
    (Friedrich Schiller, Demetrius)

  • Zitat

    Original geschrieben von DeusExMachina
    ... die vom Arbeitgeberverband als so wahnsinnig viel zu hoch eingeschätzten Azubi-Gehälter...


    Ich hab neulich auch ein wenig gestaunt, als ich mal in den Tariftabellen gesehen habe was unsere Azubis so bekommen.
    Anderereseits wird ja wie bereits erwähnt, nicht nur hier bei TT große Flexibilität verlangt. Das bedeutet eben häufig nen eigenes Auto oder gar ne eigene Wohnung bereits in der Ausbildung um den Ausbildungsort in endlicher Zeit erreichen zu können. Außerdem sind Azubis bei Ausbildungsbeginn heute nicht selten schon 20 Jahre alt und nicht 14 wie das vor 40 Jahren mal üblich war, sodaß oft bereits ein anderer Lebensabschnitt erreicht ist der nunmal mehr Kosten verursacht.

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