Mit der Staatsform ist es doch auch nicht getan.
Aktuell ist Libyen eine Demokratie. Die Verwaltung erfolgt dezentral. Die Bezirke, die in weiten Teilen mit den Stammesgebieten übereinstimmen werden unter Mitbestimmung der Stämme und ihrer Mitglieder regiert. Zudem gibt es eine Gewaltenteilung, die im Wesentlichen auch praktiziert wurde.
Es besteht Schulpflicht und ein funktionsfähiges Sozialsystem. Jeder Bürger genießt eine kostenlose staatliche Krankenversorgung, wie es sie etwa in England gibt. Das Pro-Kopf-Einkommen war in Libyen eines der höchsten auf dem gesamten arabischen Kontinent.
Allerdings gibt es an der Staatsspitze einen Despoten, der seine Interessen gnadenlos durchsetzt. Wer - wie einfache Bürger ohne politische Ambitionen - nicht mit ihm zusammenstößt, hatte einen Lebensstandard weit über dem afrikanischen Durchschnitt. Also eigentlich keinen Grund, mit dem "Regime" unzufrieden zu sein.
Für die Zusammenfassung habe ich etliche Quellen zu Hilfe genommen, unter denen - ich gestehe - auch Wikipedia war.
Das Ganze erinnert mich an das "System" in Kuba, das eines der besten Sozialsysteme der lateinamerikanischen Welt hat und aufgrund einer allgemeinen Schulpflicht eine Analphbetenquote niedriger als Deutschland haben soll (kann man in der Tat bestätigt finden). Die Versorgung ist mangels Ölquellen zwar nicht so gut, aber niemand hungert und die Obdachlosenzahl dürfte sogar geringer sein, als in Deutschland. Ich habe dort sehr viele "echte" Anhänger von Castro kennengelernt - Ausländer können sich im Land frei bewegen. Aber natürlich hat er auch viele Gegner.
Wenn es in Kuba freie Wahlen gegeben hätte, schließe ich nicht aus, dass Castro die Mehrheit aller Stimmen erhalten hätte.
Wenn ich das auf Libyen übertrage, wo ich persönlich noch nicht war, bin ich mir im Gegensatz zu den Meinungsmachern gar nicht so sicher, ob Gaddafi demokratische Wahlen verloren hätte. Wer sagt uns überhaupt, dass die Mehrheit der Bevölkerung ihn ablehnt und dass der Übergangsrat "das Volk" repräsentiert.
Arabische Liga & Co. wollen ihn weg haben ... aber was ist mit dem libyschen Volk? Und um das geht es schließlich bei der UN-Resolution.
Wenn wir Geheimdienstberichte und persönliche Einschätzungen libyscher Intellektueller mal vernachlässigen: Gibt es eine zuverlässige Quelle für den Willen des Volkes?
Frankie
Zusatzfrage:
Warum zwingt der Westen Gaddafi durch die Androhung eines Schauprozesses (davon wäre selbst ich überzeugt) vor dem Internationalen Gerichtshof, bis zum letzten Mann weiterzukämpfen?
Selbst wenn er wollte: Er könnte mit den Kampfhandlungen doch gar nicht aufhören und den Rebellen das Feld überlassen. Solange diese Drohung aufrechterhalten bleibt, scheiden jegliche Überlegungen für eine friedliche Lösung kategorisch aus - ich hoffe, dieses Dilemma leuchtet jedem ein.
Es gibt also offensichtlich Interessen, den Konflikt in Libyen auf jeden Fall militärisch zu lösen - koste es, was es wolle. Aber warum?