Richtig und effizient lernen?

  • Hallo Zusammen,



    da es hier genug kompetente, sympathische und erfahrene Menschen gibt, wende ich mich mal mit diesem Thema an euch:


    Wie lernt ihr, wenn ihr etwas lernt, effizient und nachhaltig?


    Beispiel: Böses Uni-Skript :)
    Da liegen 700 Seiten vor mir, ich habe das Wichtigste rausgekürzt und es auf ca. 300 Seiten reduziert.
    Bis dato habe ich es vor den Klausuren stichwortartig zusammengefasst, gelesen und geschrieben, habe aber subjektiv das Gefühl, das der Speicher zwischen meinen Schultern das exakt so lange behält bis ich nach der Klausur den Prüfungsraum verlasse. :)


    Ist zwar gut die Klausuren zu bestehen aber ich möchte das gelernte Wissen doch gerne dauerhaft(!) in meinem Kopf speichern.



    Also: Wie macht ihr das? Was empfehlt ihr?

  • Puh, interessantes Thema! Mit einem abgeschlossenen Medizinstudium hoffe ich, ein halbwegs kompetenter Diskussionspartner zu sein ;)


    Meine theoretischen Leistungen im Studium waren bis auf wenige Ausnahme nie überragend, wohingegen mir bei den praktischen Fähigkeiten schon des Öfteren herausragende Leistungen bescheinigt wurden. Möglicherweise liegt das daran, dass ich mich schon sehr früh und häufig gefragt habe: Wofür ist das wichtig? Brauche ich das? Was ist daran wichtig? Was bedeutet dieses und jenes für den Patienten?
    Damit kann man meiner Meinung nach rasch einen roten Faden finden. Ich habe mir dann häufig nicht mehr das pure Faktenwissen gemerkt (was sich dann negativ in den Klausurleistungen zeigt), sondern das, was wirklich von Bedeutung ist.


    Wie habe ich dann tatsächlich gelernt: in den Klausurphasen lief es häufig auf das Bulimielernen hinaus (reinschaufeln, zum Klausurtermin ausk****n). Wenn ich mal wirklich Fakten lernen wollte, habe ich die systematisch auf Lernkarten notiert (das allein hat bei mir schon einen ordentlichen Effekt) und ggf. mehrfach wiederholt. Ansonsten habe ich einfach viel gelesen, ohne jetzt mit dem Vorsatz "ich muss mir das jetzt alles merken" heranzugehen.


    Praktische Beispiele sind wichtig: Für mich der wesentlichste Punkt, mit dem ich mir Dinge am Besten merken kann ist, wenn ich das Ganze schon mal im realen Leben (bei mir also am Patienten) gesehen - und am Besten selbst behandelt habe. Das vergesse ich eigentlich nie!


    Ich habe mir eigentlich immer vorgenommen, noch einmal Lerntechniken zu lernen à la "Ich stelle mir eine Wohnung vor, in der in der Ecke dies und das steht, an der Lampe hängt eine rote Acht, ...", weil das außerordentlich effizient zu sein scheint. Aber irgendwie konnte ich mich dann nicht dazu aufraffen...


    Das genannte böse Uniskript: wer zur Hölle soll sich denn auch 700 Seiten Text auf Dauer merken können? Wie gesagt, wenn man begriffen hat, worum es geht und für sich die wesentlichen Sachen mitnimmt, dann sollte das eigentlich mehr als ausreichend sein.


    Herzliche Grüße!

  • Also ganz ehrlich: wenn es zwingend auswendig gelernt werden muß, und es eben keinen übergreifenden logischen Zusammenhang gibt, kannst Du entweder kürzen und eine schlechtere Note in Kauf nehmen, nächstes Semester bei einem anderen Dozenten einchecken oder erst gar nicht zur Vorlesung gehen und in der frei gewordenen Zeit lernen. Brauchst halt einen Strohmann, der ab und an mal hingeht, um organisatorische Dinge nicht zu verpeilen. Man kann sich auch absprechen, Du machst den einen Schein und gehst zur einen Vorlesung, Dein Kumpel geht zu einer anderen Veranstaltung (anderes Fach). Wenn Du das clever anstellst verkürzt das auch die Studienzeit. Klappt natürlich nicht beim Bachelor mit festem Stundenplan wie in der Klippschule.


    Das Anliegen, nachhaltig lernen zu wollen ist zwar ehrenhaft, bringt aber nichts. Fast immer wollen die eine Art Kaderschmiede sein und machen es ohne Sinn und Verstand schwer, das hat nichts mit Lernen und erst recht nichts mit Wissenschaft zu tun - aber so läuft´s nun mal, vor allem im Grundstudium wird einfach nur ausgesiebt unter dem Deckmantel "Motivation & Fleiß testen".


    Und denk nicht zulange über so etwas nach, das demotivert auf Dauer auch. Mach Dein Ding, such Dir einen Ausgleich und dann haut das schon hin, schließlich haben schon genug Leute bestanden, das kannst Du auch.


    Außerdem: mach nicht den Fehler, Perfektionist sein zu wollen, das demotiviert auf Dauer nur.


    Auf jeden Fall hast Du mich schön von meinen 4000 Seiten abgelenkt, die ich noch zur SAP Zerti durchzuackern habe :top:

  • Zitat

    Original geschrieben von Educator
    [...]
    Das Anliegen, nachhaltig lernen zu wollen ist zwar ehrenhaft, bringt aber nichts. Fast immer wollen die eine Art Kaderschmiede sein und machen es ohne Sinn und Verstand schwer, das hat nichts mit Lernen und erst recht nichts mit Wissenschaft zu tun - aber so läuft´s nun mal, vor allem im Grundstudium wird einfach nur ausgesiebt unter dem Deckmantel "Motivation & Fleiß testen".
    [...]


    Das halte ich für den Kernsatz, den kann ich nur unterstreichen (Maschinenbaustudium).

  • Ja das ist schon übel.


    Was mir noch einfällt zum Auswendiglernen von Schaubildern, Ablaufschemata oder Rangfolgen im Allgemeinen usw:


    Oft kennt man die zugehörigen Begriffe, bringt diese aber durcheinander. Mal als Beispiel die customer experience beim Handykauf.


    Informieren
    Kaufen
    Reklamieren
    Zurücksenden


    Dann kann man versuchen, die Anfangsbuchstaben der jeweiligen Begriffe nach Alphabet zu sortieren. Also I K R Z.
    Ist hier natürlich sinnlos weil es so schon logisch ist, aber wann ist es das schon...

  • Lernen ist ein spannendes Thema. Wenn du selber Zusammenfassung in deinen Worten schreibst um den Stoff zu behalten/verstehen, dann bist du bspw. nach Bloom's Taxonomie auf Stufe 2 von 6. Eine Übersicht der Stufen gibt schon eine Idee wie man weiter lernen kann um ein besseres Verständnis für die Themen zu bekommen:



    http://en.wikipedia.org/wiki/Bloom's_Taxonomy#Cognitive


    Das vlt. als erster Ansatz um weiter über das Thema nachzudenken. Didaktik und Pädagogik gibt verschiedene Modelle zur Hand wie man "lernt/lehrt". Eine Erfahrung die jeder selbst schon gemacht ist, ist dass man es selber lernt und ein tieferes Verständnis für ein Thema bekommt wenn man es anderen beibringt, das geht in die gleiche Richtung. Einer unserer Profs hat damals nie die Skripte zu seinen Vorlesungen herausgeben wollen, weil er immer der Überzeugung war, dass wir uns mit den Primärquellen auseinandersetzen sollten und dann selber das Skript bzw. die Folien zum "Lehren" erstellen sollten als Prüfungsvorbereitung bzw. um den Stoff ordentlich zu lernen (hört man als Student nicht gern und machen auch nur die wenigsten)


    Einfache Tricks oder Abkürzungen gibt es für ein fundiertes Lernen nicht.



    Ansonsten, was meine beiden Vorschreibet angeht: Es muss jeder für sich selber entscheiden welchen Trade-Off aus Pragmatismus und Idealismus er an der Uni eingehen will. Hängt auch viel damit zusammen welchen eigenen Anspruch man am Thema hat. Natürlich sind einige Dinge immer nur Mittel zum Zweck, aber man muss aufpassen dass man das Kind nicht mit dem Bade ausschüttet und man vor lauter Mitteln an denen man sich abrackert die Zwecke vergisst.


    Ein Fach zu studieren, dass einen interessiert und sich tiefergehend mit Themen zu beschäftigen ist als Selbstzweck jedenfalls interessanter und lohnender als heutzutage anscheinend viele denken. Der Mensch neigt leider dazu immer das zu "optimieren" was man leicht messen kann (Studiendauer, Noten), anstatt das zu optimieren was vlt. das eigentliche Ziel ist (ein Thema durchdringen mit fachlich, fundierter Qualität). Das Überwerten von Zielindikatoren/Zielmessgrößen zu lasten von tatsächlichen, qualitativen Zielen führt oft und heftig, wenn auch meist langsam, zu vielerlei verderben in vielen Strukturen und Organisationen. Wenn man sich als Student nur als "Produkt" der Uni/Schule begreift und sich allein an deren Zielen orientiert, verschenkt man Möglichkeiten die man später nicht mehr so ohne weiteres bekommt.


    War jetzt ein wenig weit ausgeholt, aber als Denkanreiz für den einen oder anderen hoffentlich nicht völlig vergebens...

    "That's not a hair question. I'm sorry." - 01/31/07 - Never forget!

  • Nichts für ungut, aber genau solche Teile meinte ich.


    Man könnte auch sagen:
    Wissen ist, dass um 8.00 Uhr der Bus fährt.
    Nachdenken ist, wenn man weiß das man 5 min zur Haltestelle latscht.
    Intelligenz ist, wenn man vor 7.55 Uhr losläuft ;)


    Sowas kann man wunderbar in Aufsätzen verwenden, aber auswendig lernen, ich weiß ja nicht...

  • Danke für Eure Antworten. Die Idee des nachhaltigen Lernens habe ich mittlerweile aufgegeben; das ist einfach zu viel.


    Was mir persönlich schwer fällt - wenn ich meine Kommilitonen höre, bin ich offensichtlich auch der einzig Doofe der nicht nur 2-3 Tage vor der Klausur lernt - ist die weitere Vereinfachung und Übertragung.
    Beispielsweise enthalten die Skripte aus meiner Sicht null "Geschwafel" sondern sind schon sehr stark strukturiert und beinhalten fast ausschliesslich die zu lernenden Fakten, Modelle (wie die hier im Thema gezeigte Lernpyramide) und Formeln und ich sitze dann immer da und frage mich:
    "Was soll ich denn hier noch kürzen oder umformulieren?"


    Die Zusammenfassung der letzten Klausur betrug stichwortartig ca. 40 DIN A4 Seiten in Word, Schriftgrösse 10, Arial.


    Wie's der Zufall will bin ich jetzt wohl zu 99% durch eine der Horrorklausuren durchgefallen - und das bei einem Dozentenpaar von denen einer schon angedroht hat
    "Wenn ich eine Wiederholungsklausur stellen muss wird die so hart, das die garantiert niemand besteht!" (Zitat!). Motiviert natürlich zusätzlich.


    Gehört das Durchfallen auch dazu?


    Vom Medizinstudium weiß ich, das die z.T. das Glück haben und viel Multiplechoice-Klausuren haben und es sogar praktische Büchlein gibt in denen man quasi nur die Lösungen (wo gehört das Kreuz hin?) lernen. Aus Studentensicht ist das natürlich spitze! :D

  • Ich halte es für höchst individuell wie man am besten lernt. Die einen schreiben alle mehrfach auf und lernen dadurch (das ist auch der effekt von spickzetteln, hat man ihn geschrieben, ist oft auch ein großer teil der inhalts verinnerlicht). bei sprachen bzw vokabeln ist aufschreiben und wiederholen eine top möglichkeit.


    dadurch hat man auch gleich die wesentlichen inhalte komprimiert. durch die komprimierung hat bereits eine erste einordnung der wichtigkeit stattgefunden, je öfter man sich mit etwas beschäftigt, desto eher behält man es, insbesondere bei entsprechender verarbeitungstiefe.


    eine gute möglichkeit ist auch gruppenlernen, entweder als "dozent" oder als "schüler". durch das erklären vertieft man alles nochmal und auch der "schüler" wiederholt die inhalte und bekommt nochmal eine drittmeinung zur wichtigkeit einzelner aspekte.


    grundsätzlich sollte man sich natürlich mit sachen beschäftigen, die einen auch interessieren, dann fällt das behalten leichter, das ist aber nicht immer und zu 100% möglich.


    irgendwann sollte man auch in der lage sein, einzuschätzen, was wichtig und unwichtig ist, ich habe erstis erlebt, die kamen gerade von der schule und haben die dümmsten, naivsten fragen zur klausur und den inhalten gestellt ohne rot zu werden. da fehlte einfach komplett die erfahrung.

  • Zitat

    Original geschrieben von system02
    Vom Medizinstudium weiß ich, das die z.T. das Glück haben und viel Multiplechoice-Klausuren haben und es sogar praktische Büchlein gibt in denen man quasi nur die Lösungen (wo gehört das Kreuz hin?) lernen. Aus Studentensicht ist das natürlich spitze! :D


    Man ist das ganze Studium neben den Klausuren damit beschäftigt, das Wichtige vom Unwesentlichen zu trennen - was aber von niemandem überprüft wird. Von bestandenen Kreuzklausuren wird man auf jeden Fall kein guter Arzt. Und auch wenn ich immer sage, dass man das Medizinstudium auch mit dem Intellekt eines Gorillas übersteht, wenig Arbeit ist's dann doch nicht. Total spitze. :rolleyes:

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