Der Fall Mollath

  • Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass der Fall Mollath wegen Inhaftierung des Betroffenen (wie gleichgelagerte Fälle im Übrigen auch) eine deutliche Priorität genießt. Alles andere würde der Annahme nicht gerecht, dass Richter in zweiter Linie auch emotionsbegabte Menschen sind (viele jedenfalls). ;)


    Das alles darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, das auch in solchen Fällen alles "seinen Gang geht". Es dürften also keine Sonderkuriere eingesetzt werden und auch der übliche Geschäftsgang dürfte nicht verlassen werden. Auch als Eilsachen gekennzeichnete Angelegenheiten laufen über Geschäftsstellen, landen gelegentlich (wenn auch mit mit Eilvermerk) in der Schreibkanzei, in der Schreiben gefertgt und versandt werden etc. Allein die Zeit, die sich eine Akte (wenn auch im beschleunigten) Geschäftsgang befindet, dürfte eher in Wochen, denn in Tagen zu bemessen sein.

    Die von JimmytheBob angeführten Fälle sind im übrigen solche, die über Jahre hinweg vertrödelt wurden - also wirkliche Extremfälle. Das dürfte in der Angelegenheit Mollth wegen des öffentlichen Interesses ausscheiden. Verzögerungen um Wochen oder Monate sind in der Praxis aber nichts, worüber es auch nur nachzudenken lohnt - auch in so bedauerlichen Fällen wie diesem hier. Und selbst dann, wenn auch ich das (wie die wohl die Allermeisten) für höchst bedauerlich halte.


    Frankie

  • Zitat

    Original geschrieben von Printus
    Es ist für den Betroffenen aber ein gewaltiger Unterschied, ob es ein Rechtsstreit um den Maschendrahtzaun des Nachbarn geht oder darum, dass man hinter Gittern sitzt und um seine Freilassung kämpft. ...


    Also Zivilrecht und Strafrecht kann ich noch auseinanderhalten.
    Ausserdem weiß ich gerade nicht, warum der unglückliche Herr Mollath anderen zu unrecht Verurteilten vorgezogen werden soll, deren Urteile ebenfalls in der Warteschlange der Überprüfung harren dürften. Bloß, weil andere Fälle gerade nicht in der Presse stehen, heißt es nicht, daß nicht andere auch rauswollen, die wegen Falschaussagen Dritter, wegen fehlerhafter Gutachten oder voreingenommenen Richtern einsitzen.


    Justizia ist bekanntlich blind.

    LG: V30
    Samsung: Galaxy Tab S2 LTE, A5 (2017);
    Sony: Xperia X Compact;

  • Zitat

    Original geschrieben von saintsimon
    Also Zivilrecht und Strafrecht kann ich noch auseinanderhalten.
    Ausserdem weiß ich gerade nicht, warum der unglückliche Herr Mollath anderen zu unrecht Verurteilten vorgezogen werden soll, deren Urteile ebenfalls in der Warteschlange der Überprüfung harren ...


    Da Urteile Kraft Gesetzes immer (na ja nahezu immer) richtig sind, gehe ich davon aus, dass eine solche Warteschlange nicht existiert. Die Hürden, ein einmal rechtskräftiges (und daher unumschränkt als wahr geltendes) Urteil einer ernsthaften Prüfung unterziehen zu lassen, sind immens.


    Von Rechts wegen wird lieber ein falsches Urteil in Kauf genommen, als den Rechtsfrieden zu stören, der von einem rechtskräftigen Urteil ausgeht. Diesem Rechtsfrieden kommt eine erheblich größere Bedeutung zu, als der (Wieder-) Herstellung der Einzelfallgerechtigkeit. Insbesondere in Zivilsachen hat der Gesetzgeber Formalien bestimmt, aus denen das ganz deutlich hervorgeht. Selbst wenn zweifelsfrei feststeht, dass ein Urteil unrichtig ist dürfte es in Zivilsachen der Regelfall sein, dass einem Fortgelten dieser Fehlentscheidung der eindeutige Vorrang begührt. Allein enge Fristen schließen eine Richtigstellung in aller Regel aus. Wer erst einmal in Ruhe nachdenkt, ist schon außen vor.


    In Strafsachen kenne ich zwar keine enge Befristung, Anträge auf Wiederaufnahme sehe ich dennoch als "juristisches Hochreck". Beauftragt man keinen in solchen Sachen erfahrenen (und damit kostspieligen) Verteidiger, droht der Antrag unweigerlich in die Hose zu gehen.


    Und ist das Argumentationspulver für die Wiederaufnahme durch Ablehnung des Antrags "verschossen", dürfte endgültig das Ende der Fahnenstange erreicht sein. Ein Antrag auf Wiederaufnahme bedarf höchster Sorgfalt, wenn man nicht alles durch einen unklugen Schritt endgültig verderben will.


    Auch in (eigentlichen) Strafsachen reicht die Nichtbeatung kleiner Formalien, um einen Unschuldigen zu Recht hinter Gitter zu bringen. Selbst wenn alle "wissen", dass der Verurteilte die Tat nicht begangen hat, wird er durch die Rechtskraft eines Strafurteils definitiv zum Täter.


    Und wehe ein solcher "Täter" zeigt keine Reue in Bezug auf "seine" Tat - eine vorzeitige Haftentlassung kann er sich dann in aller Regel abschminken. Wer seine Unschuld auch im Vollzug noch beteuert stellt sich gegen die (amtlich beurkundete) Wahrheit - er bestreitet die Tat also selbst dann noch, wenn sie mit Wirkung für und gegen alle (insbesondere gegen den Inhaftierten) als Tatsache gilt. Ein Dilemma ... das nur dadurch keines ist, weil es Fehlurteile schon von Gesetzes wegen gar nicht gibt. Ein Fehlurteil ist nur dann eines, wenn es rechtskräftig aufgehoben wurde. Bis dahin gibt es genau eine Wahrheit; und die kann jeder nachlesen.


    Frankie

  • Zitat

    Original geschrieben von frank_aus_wedau
    Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass der Fall Mollath wegen Inhaftierung des Betroffenen (wie gleichgelagerte Fälle im Übrigen auch) eine deutliche Priorität genießt. (...)


    Ein Patient in der Psychiatrie ist kein Häftling. Eine Einweisung ist keine Inhaftierung.


    Bitte dies auseinander halten!

  • Das ist aber ein rein akademischer Unterschied. Wer gegen seinen Willen und möglicherweise zu Unrecht weggesperrt wird, für den macht der äußere Rahmen nur einen zweitrangigen Unterschied.

    Ich dachte immer es sei technisch unmöglich mit jemandem Sex zu haben, der Dörte heißt...

  • Zitat

    Original geschrieben von skater
    Ein Patient in der Psychiatrie ist kein Häftling. Eine Einweisung ist keine Inhaftierung.
    ...


    So sollte es sein. Ebenso, wie die Sicherungsverwahrung de jure keine Inhaftierung ist.


    Dass die Bundesrepublik solche Unterschiede de facto nicht in der gebotenen Form umsetzt, hat der EUGH vor geraumer Zeit bereits mit deutlichen Worten festgestellt. Insoweit muss ich Printus leider Recht geben.


    Aus praktischer Sicht heißt das: Weggesperrt ist weggesperrt. Diskussionen über die Rechtsgrundlage grenzen an Wortklauberei und entbehren in meinen Augen (noch) jeder faktischen Grundlage.

  • Es gibt Neuigkeiten:


    Das Landgericht Regensburg hat einen "Vermerk" rausgeschickt, in dem drinsteht dass es sich nicht sicher sei, ob den Wiederaufnahmeanträgen stattgegeben werden wird....


    also ob die ca. 5 Gründe der St-Anwaltschaft und die ca. 12 Gründe der Verteidigung noch nicht genug wären - sie hätten angeblich noch nicht den hinreichend grossen Grad "innerer Wahrscheinlichkeit"...


    Die Verteidigung hat das sofort als Auf-Zeit-Spielen durchschaut bzw. es als eine durchsichtige Camouflage gesehen, einen Beschluss als bloßen "Vermerk" zu "tarnen"... bei einem Vermerk denkt man "oh, aja, wie schön dass ich jetzt insider-Infos aus 1. Hand vorab bekomme" während bei einem "Beschluß" doch klar ist dass es eine Ablehnung (der Freilassung) ist.


    Strate hat nicht nur sofortige Beschwerde beim nächsthöheren Gericht eingelegt sondern konnte es sich anscheinend nicht verkneifen das Landgericht darauf hinzuweisen, dass es Beschwerden wie diese binnen 3 Tagen dem OLG vorlegen muss..... nicht dass es wie früheren Mollath-Sachen ergeht die dann vier oder sechs Monate irgendwo liegenbleiben ...


    http://www.sueddeutsche.de/bay…hiatrie-bleiben-1.1683406

  • Zitat

    Original geschrieben von iStephan
    ...
    Das Landgericht Regensburg hat einen "Vermerk" rausgeschickt, in dem drinsteht dass es sich nicht sicher sei, ob den Wiederaufnahmeanträgen stattgegeben werden wird....


    also ob die ca. 5 Gründe der St-Anwaltschaft und die ca. 12 Gründe der Verteidigung noch nicht genug wären - ...


    Diese Tendenz hatte ich ja schon befürchtet ... rechtskräftige Entscheidungen verkünden die reine Wahrheit und die Tendenz der Gerichte, eine einmal eingetretene Rechtskraft zu durchbrechen, tendiert gegen Null ... wenn sie in der Praxis überhaupt so hoch ist.


    Irgendeine Form des Nachweises, dass ein Urteil unrichtig ist, reicht definitiv nicht aus - selbst sehenden Auges versucht die Justiz in aller Regel, aus Gründen der Rechtssicherheit an der einmal eingetretenen Rechtskraft festzuhalten. Zudem helfen auch lupenreine Beweise oft nicht - der Kreis der ein Wiederaufnahmeverfahren begründenden Beweismittel ist eingeschränkt. Ein Beweis kann noch so stichhaltig sein ... gehört er nicht zum erlesenen Kreis (den ich mir hier zu definieren erspare), ist er unbeachtlich.


    Dem Bürger ist das in aller Regel nur schwer zu vermitteln und man sollte denken, solche formalen Hürden müssten in einem demokratischen Rechtsstaat abgebaut werden - aber das genaue Gegenteil ist der Fall!


    Ganz allgemein wird in Zivil- als auch Strafverfahren die Latte ständig höher gelegt. Und das nicht selten unter Punkt 127 irgendeines Ausführungsgesetzes zu irgendwas (was keinen wirklich interessiert), so dass die Änderung oft erst zu einem Zeitpunkt auffällt, wenn jeder Widerstand schon vollkommen sinnlos ist. Nahezu jährlich wird an der Schraube gedreht und der Rechtsgewährungsanspruch des Bürgers langsam aber stetig immer weiter beschnitten.


    Zitat

    Original geschrieben von iStephan
    ...
    Strate hat nicht nur ...


    Das ist einer der Besten in diesem Rechtsgebiet ... bessere Aussichten könnte Gustl Mollath kaum haben. Aber auch er hat häufig einen schweren Stand - selbst wenn die Angelegenheit glasklar zu sein scheint ...


    Frankie

  • Hallo Kai,


    soweit ich verstanden habe, ist es eine eigenständige neue Reportage, mit neuem Material. Nächste Woche kommt auch ein Buch zweier (SZ-)Autoren heraus. Solange die Erstauflage nicht verkauft ist, kann auch das Gericht Herrn Mollath nicht freilassen :eek: geschickte abgestimmtes timing ;)
    EDIT: ich möchte dich, wenn du das schon in einem Posting bringst, bitten, den Programmhinweis auf die Sendung - wenigstens temporär - auch in deine TT-Signatur aufzunehmen, so ähnlich habe ich das auch gemacht siehe unten :)


    Die Autorin und der Autor waren schon mit bisherigen Berichten zum Fall Mollath befaßt, hatten aber bisher nur wenige Minuten Sendezeit in anderen Sendungen dafür eingeräumt bekommen.


    Bemerkenswert ist ausserdem dass die Sendung deutschlandweit ausgestrahlt wird.


    Bemerkenswert ist ausserdem, dass die Beschwerde von RA Strate nun innert 3 Tagen dem OLG Nürnberg vorgelegt werden muss, und dass zeitgleich zu dieser Entwicklung die Süddeutsche Zeitung einen sehr energischen Kommentar des ehem. Staatsanwalts H. Prantl veröffentlicht hat,


    Wenn die Fehler zum Himmel schreien
    ... ein kaum verhüllter Appell an das OLG Nürnberg zugunsten des M. zu entscheiden ...



    Gruss
    Steph


    [small](hoffentlich klinkt sich der BR nicht aus der ARD aus wie bei früheren kritischen deutschlandweiten ARD-Sendungen wie z.b. scheibenwischer mit Dieter Hildebrandt :rolleyes: ) [/small]

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