Mein persönliches Erleben dieser Katastrophe begann irgendwie merkwürdig schleichend. Noch Anfang dieser Woche habe ich trotz der ständigen Nachrichten irgendwie gar nicht realisiert, was da eigentlich genau passiert. Am Mi. habe ich damit begonnen, die Nachrichten und Bilder intensiv zu verfolgen. Mein Empfinden ist seitdem beständig so wie damals beim Verfolgen der Nachrichten am und nach dem 11. September. Ich habe die ganze Zeit über dieses Gefühl, daß hier ein absolut unvorstellbares Ereignis mit einem noch nicht absehbaren Schadenvolumen unmittelbar vor der eigenen Haustüre passiert. Es ist halt doch irgendwie was anderes, ob sich Naturkatastrophen mehrere Tausend km entfernt oder direkt im eigenen Land ereignen. Das sollte eigentlich nicht so sein, und ich fühle mich auch nicht wirklich gut dabei, aber es ist halt nun mal so...
Ich habe von 1990 bis 1995 im sachsen/anhaltinischen Köthen studiert. Viele meiner ehemaligen Komollitonen leben noch heute in dieser Gegend. Ich habe inzw. die meisten der Leute, mit denen ich noch mehr oder weniger regen Kontakt hatte, auf verschiedenste Art und Weise erreichen können. Einer z.B. wohnt in Raguhn, eine andere in Wittenberg. Diese beiden und ein paar andere sind unmittelbar betroffen und gehören zu genau denen, die faktisch nichts mehr außer den Klamotten, die sie am Leib tragen, besitzen. Ich bin absolut außerstande, hier in Worte zu fassen, was in diesen Menschen vorgehen muss...
Ich beginne nun mich zu fragen, was hier falsch läuft. Ich meine - wir bauen Raketen. Wir empfangen am heimischen TV 200 verschiedene Sender. Firmen geben 100 Milliarden EUR aus für das blose Recht, irgendwann einmal auf bestimmten Frequenzbändern Signale zu übertragen. Aber wir schaffen es nicht, unser Land oder wenigstens Großstädte vor über die Ufer tretenden Flüssen zu sichern? :eek:
Die Schadenssumme allein nur an der Infrastruktur und Betrieben und nur allein in Sachsen wird bereits auf ca. 3 MILLIARDEN EURO geschätzt, und da sind die Schäden der Privatpersonen sowie die in den anderen Bundesländern noch nicht dabei. Für all das Geld hätte man wahrscheinlich nicht nur an der Elbe, sondern auch an allen anderen deutschen Flüssen überall da, wo nötig, Deiche erhöhen und Retentionszonen schaffen können. Aber was wird stattdessen passieren? Wahrscheinlich nichts. Man wird die Schäden beheben und alles wieder fein herrichten. Aber man wird auch sagen, daß sowas sobald ganz sicher nicht wieder passieren wird. Und das wirds dann gewesen sein.
Ich bin keiner, der jetzt sonderlich stark in das Umweltschutzhorn blasen würde. Kürzlich kam irgendwo ein sehr interessanter Beitrag dazu. Das Argument des Treibhauseffekts z.B. ist nur bedingt tauglich, um eine Klimaänderung aufzuzeigen. Während der letzten Eiszeit herrschte in der Atmosphäre ein deutlich höhrerer Kohlendioxydgehalt als heute - trotzdem wurde es saukalt. Das Klima läßt sich eben nicht an unseren menschlichen Maßstäben von "Zeit" messen und wird auch nicht innerhalb weniger Jahrzehnte durch uns beeinflusst.
Leider sind die Möglichkeiten, die man in einer parlamentarischen Demokratie hat, um auf die Geschicke und den Kurs eines Staates Einfluss zu nehmen, sehr begrenzt. Und letztlich ist die verbreitete Meinung ja eh, daß es relativ egal ist, wer da regiert, weil ja eh alle dasselbe machen. Vielleicht reicht es aber manchmal aus, einfach nur ein Zeichen zu setzen, damit die derzeit an der Macht Befindlichen merken, daß das Volk ein Umdenken begehrt. Aber dann ist man ja schon wieder in einer Sackgasse: Denn wir haben ja bereits einen grünen Umweltminister... :eek:
Angesichts der bevorstehenden Wahlen trennte sich, was das Verhalten der Kandidaten angeht, mal wieder die Spreu vom Weizen. Stoibers Auftritt in Dresden war unter aller Sau, sein ins Gespräch gebrachtes Schlagwort vom "Flutopferfond 2002" pure Polemisierei. Für mich der letzte Beweis, daß Stoiber eben doch ein bäuerliches Landei ohne großes politisches Profil oder gar Charisma ist, gut sicher für Bayern (nix gegen Bayern, habe selbst jahrelang dort gelebt), aber Gott - an den ich nicht glaube - möge bitte verhindern, sowas als Kanzler zu bekommen. Die Grünen halten sich überraschenderweise stark zurück, obwohl ihnen die Ereignisse ja eigentlich geradezu in die Hände spielen.
Auch wenn ich, was den Willen zu einem ökologischen Umdenken selbst einer grünen Partei angeht, schon vor langer Zeit resigniert habe, so denke ich trotzdem, daß das Letzte, was dieses Land momentan braucht, "Wirtschaftskompetenz" ist. Wirtschaft regelt sich selbst, und das wohl oftmals leider in einem größeren Maße, als gut für uns ist. Gegen die Natur können wir nicht viel machen. Und es hilft auch nicht, irgendwelche Kraftwerke abzuschalten. Was wir bräuchten, wäre eine Regierung, die dafür sorgt, daß nicht einfach nur die Schäden beseitigt und alles wieder hergerichtet werden kann, sondern eine, die mit Weitsicht dafür sorgt, daß es zu Schäden in diesem Ausmaß nicht wieder kommt. Wenn man jetzt weiß, daß die Elbe in Dresden eben 10m hoch werden kann, dann muß eben etwas gebaut werden, was dafür sorgt, daß der Fluß auch bei 10m Höhe nicht über die Ufer tritt. Mag sein, daß das teuer ist und vielleicht auch sch***e aussieht, aber unmöglich sollte das sicher nicht sein. Und so ist es sicher fast überall.
Aber meine Befürchtung ist leider, daß über kurz oder lang alles wieder vergessen wird, keinerlei präventive Maßnahmen ergriffen werden, daily business eben. Bis zum nächsten Mal. Hinterher ist man immer schlauer - aber Halbwertzeit der Schläue ist bedauerlicherweise extrem kurz... ![]()