BVerfG kippt "Abschussgesetz"

  • Das BVG hat heute morgen das seit Anfang letzten Jahres geltende Gesetz als verfassungswidrig gekippt, nach welchem es der Bundeswehr erlaubt gewesen war, Passagierflugzeuge abzuschießen, die - parallel zu den 9/11-Ereignissen - von Terroristen als Waffe gegen Gebäude, Atomkraftwerke usw. verwendet werden.


    Die Frage, ob der Staat das Leben Weniger gegen das Vieler aufwägen darf, wurde somit verneint.


    Ich fand das Gesetz ok. Wenn ich damals in einem der Flieger gesessen und gewusst hätte, was die vorhaben (d.h. gewusst hätte, dass ich eh sterbe), dann hätte ich auch gewollt, dass sie mein Flugzeug vorher abschiessen. Abgesehen davon sind ja auch noch ganz andere Konstellationen denkbar, wo es um deutlich mehr als "nur" 3500 Menschen und ein paar Gebäude geht.


    Was meint Ihr?

    Ist das eine von den Kirchen, wo man so kleine Cracker kriegt? Ich habe Hunger!

  • Re: BVG kippt "Abschussgesetz"


    Zitat

    Original geschrieben von BigBlue007
    Was meint Ihr?


    Schwieriges Thema.


    Zum Einen: dass mit der Gerichtsentscheidung auch eine Stellungnahme zum Thema Bundeswehreinsatz im Inland (abseits von den erlaubten Hilfseinsätzen) abgegeben wurde, halte ich im Prinzip für richtig.
    Die aktuellen Bestrebungen, die BW zum Beispiel bei der Fußball-WM als Unterstützung der Polizei zur Seite zu stellen, halte ich persönlich für absoluten Blödsinn.
    Aber: eine direkte Bedrohung durch Terroristen ist für mich eine Situation, in der es darum geht, den Staat zu verteidigen, und für derlei Aufgaben ist die Polizei alleine nicht ausreichend.
    Wobei man auch sagen muss, dass ein Attentat mit Passagierflugzeugen ein sehr spezielles Szenario darstellt, welches nur einen geringen Prozentsatz möglicher Bedrohungen darstellt.


    Dennoch: im Ernstfall hielte ich es sowohl für richtig, als auch für angemessen, einer solche Bedrohung mit militärischen Mitteln entgegenzutreten.
    Allerdings muss auch im Ernstfall sehr, sehr genau abgewägt werden, welche Gefahr von einem solchen Flugzeug wirklich ausgeht und ob es diesen "finalen Rettungsschuss" rechtfertigen würde.
    In dieser Frage aber käme die berühmt-berüchtigte deutsche Bürokratie durchaus sinnvoll zum Einsatz. Die Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit der Verteidigungsminister seine Einwilligung zum Abschuss gibt, dürften ausgesprochen genau vorgegeben sein, um den Ermessenspielraum so gering wie möglich zu halten.
    Genau wie bei Polizeieinsätzen mit finalem Rettungsschuss wäre es der letzte mögliche Schritt, und der wäre dann auch sehr genau überlegt und käme nur im äußersten Notfall zum Einsatz.


    Grundlegend habe ich Verständnis für beide Seiten (Befürworter und Kritiker).

  • Laut GG nicht zulässig, in sofern richtig dass sie es gekippt haben.
    Persönliche Meinung: Die ändern das GG und weiter gehts... :D
    Finde ich eigentlich auch richtig so.
    [small]wobei ich ja im Fall der Fälle versuchen würde die Kidnapper zu überwältigen, mit ein paar anderen Passagieren sollte das ja schliesslich gehen?! Und sterben müsste man ja sowieso, in sofern...[/small]
    Eisi

    Die Handy-History gehört nicht in die Signatur!

  • Das ist die einzig sinnvolle Entscheidung!


    In der Praxis wäre es doch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unmöglich vorhersagen zu können ob es "nur" eine Entführung ist bei der Gefahr für die Flugzeuginsasssen besteht, oder ob hier ein Terroranschlag a la 11.09. geplant ist. Der Innenminister würde niemals ausreichende Entscheidungssicherheit haben daß ein Abschuß gerechtfertigt ist weil ansonsten vielleicht noch mehr Menschen gefährdet wären.
    Die Annäherung des Flugzeugs an Atomkraftwerke, Innenstädte, Industrieanlagen ist bei JEDEM Flugzeug in der Luft zwangsläufig weil wir so dicht besiedelt sind daß das unvermeidbar ist.


    Selbst wenn man ausreichende Erkenntnisse hätte und den Abschuß freigeben würde: auch hier bedeutet die dichte Besiedelung daß wir in D extrem wenige Flächen haben, über denen ein Abschuß "relativ ungefährlich" möglich wäre.


    Vor allem ist der entführte Flieger 10x von Hamburg nach München und zurück geflogen bis allein die Meldewege und Entscheidungen absolviert sind. Wie lange dauert es bis man von der Entführung erfährt, die Erkenntnis gewinnt daß ein Anschlag gegen Ziele am Boden geplant ist, der Minister informiert werden muß, dieser genügend Fakten hat um einen Abschuß anordnen zu können, diese Meldung an die Bundeswehr gehen kann und die Piloten den BEfehl dann über einem relativ sicheren Gelände umsetzen können?


    Wie lange ist allein der Meldeweg und die Zeit für den Anflug bis ein BW-Jet in der Nähe des entführten Flugzeugs ist?


    Es ist völliger Schwachsinn gewesen für Deutschland eine rechtliche Handhabe zum Abschuß von Flugzeugen zu erlassen und es ist gut daß das Gericht diesen hirnrissigen Dummfug deutlich zurückgewiesen hat.


    Zu den verfassungsmässigen Grundlagen hat sich das Gericht ja ausreichend deutlich geäußert - dem ist nichts hinzuzufügen.

    Ich dachte immer es sei technisch unmöglich mit jemandem Sex zu haben, der Dörte heißt...

  • Zitat

    Original geschrieben von eisi
    Persönliche Meinung: Die ändern das GG und weiter gehts... :D


    Das Bundesverfassungsgericht hat ja zwei Dinge festgestellt: zum einen, daß dem Bund in dieser Frage die Gesetzgebungskompetenz fehlt und zum anderen, daß die entsprechende Klausel des Luftsicherheitsgesetzes mit Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar ist, wenn sich der Einsatz gegen Passagierflugzeuge mit unbeteiligten Passagieren richtet und diese angeführten Artikel des GG können nach Art. 79 Abs. 3 nicht geändert werden.


    Wenn der Bund die Gesetzgebungskompetenz hätte, so würde eine Regelung, die einen Abschuss eines unbemannten oder nur mit Angreifern besetzten Flugzeuges erlaubt, nicht gegen Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verstossen, so das Bundesverfassungsgericht. Der gekippte § 14 des Luftsicherheitsgesetzes ist inhaltlich also nicht verfassungswidrig, wenn er nicht auf Passagierflugzeuge angewendet wird - allerdings ist er formal verfassungswidrig, weil es dem Bund eben wie gesagt an der Gesetzgebungskompetenz mangelt.


    Zitat

    Original geschrieben von Chevygnon
    Genau wie bei Polizeieinsätzen mit finalem Rettungsschuss wäre es der letzte mögliche Schritt, und der wäre dann auch sehr genau überlegt und käme nur im äußersten Notfall zum Einsatz.


    Ja, aber es gibt schon einen Unterschied zwischen einem polizeilichen "finalen Rettungsschuß" und dem Abschuss eines Passagierflugzeuges. Das Bundesverfassungsgericht schreibt in der Pressemitteilung ja auch zum Abschuss eines Flugzeuges, in welchem sich keine tatunbeteiligten Passagiere aufhalten, folgendes:


    Zitat

    [...] Das mit § 14 Abs. 3 LuftSiG verfolgte Ziel, Leben von Menschen zu retten, ist von solchem Gewicht, dass es den schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht auf Leben der Täter rechtfertigen kann. Die Schwere des gegen sie gerichteten Grundrechtseingriffs wird zudem dadurch gemindert, dass die Täter selbst die Notwendigkeit des staatlichen Eingreifens herbeigeführt haben und dieses Eingreifen jederzeit dadurch wieder abwenden können, dass sie von der Verwirklichung ihres verbrecherischen Plans Abstand nehmen. [...]


    Es geht also nicht um die Tötung eines Terroristen in letzter Konsequenz, sondern um die Tötung unschuldiger und an der Tat nicht beteiligter Menschen und das Gericht stellt klar, daß dieses in jeder Situation gegen Art. 1 und Art. 2 des Grundgesetzes verstösst, da "Menschliches Leben und menschliche Würde [...] ohne Rücksicht auf die Dauer der physischen Existenz des einzelnen Menschen gleichen verfassungsrechtlichen Schutz [geniessen]", sprich: auch wenn ich als Passagier in einem solchen Flugzeug vielleicht nur noch zehn Minuten zu leben habe, geniesse ich dennoch den verfassungsrechtlich garantierten Schutz und mein Leben als das Leben eines an der Tat nicht beteiligten Menschen kann nicht gegen das Leben anderer - eventuell zu rettender Menschen - aufgerechnet bzw. eingesetzt werden.


    Ein zugegeben nicht sehr pragmatischer Ansatz, aber verfassungsrechtlich natürlich richtig.

  • Zitat

    Original geschrieben von andi2511
    Das Bundesverfassungsgericht hat ja zwei Dinge festgestellt: zum einen, daß dem Bund in dieser Frage die Gesetzgebungskompetenz fehlt...


    Ohh, das wusste ich ja nun gar nicht...
    Aber wer hat die Kompetenz denn bitte dann...!?


    Gibts dazu sowas wie nen link zum nachlesen? Würed mich schonmal interessieren! Evtl. was wo man das genaue Urteil inkl. Begründung nachlesen kann?
    Edit: durch eigenen Fleiss gerade selber gefunden...:
    Urteil mit Begründung
    Und wo steht da jetzt das was ich suchen tu...!? :D


    Zitat

    Original geschrieben von andi2511
    ...und zum anderen, daß die entsprechende Klausel des Luftsicherheitsgesetzes mit Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar ist .... und diese angeführten Artikel des GG können nach Art. 79 Abs. 3 nicht geändert werden.


    Dann wirds aber schwierig, oder...!? :D

    Die Handy-History gehört nicht in die Signatur!

  • Zitat

    Original geschrieben von eisi
    Gibts dazu sowas wie nen link zum nachlesen? Würed mich schonmal interessieren! Evtl. was wo man das genaue Urteil inkl. Begründung nachlesen kann?


    Nimm die Pressemitteilung, ist etwas übersichtlicher. ;)


    http://www.bundesverfassungsge…de/cgi-bin/link.pl?presse


    Die Gesetzgebungsbefugnis fehlt, weil Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG den Einsatz spezifischer militärischer Waffen nicht hergibt.


    Zitat

    Dann wirds aber schwierig, oder...!? :D


    Was den Abschuss von Passagiermaschinen mit unbeteiligten Passagieren an Bord betrifft: Ja. ;)

  • Ich denke auch, dass in der Praxis dieses Vorhaben in so einigen Szenarien nicht aufgegangen wäre, um nicht zu sagen, Unfug gewesen wäre.


    Wenn ich jetzt ein Flugzeug entführe und kurz vor dem Landeanflug auf Frankfurt Main Airport (bzw. direkt nach dem Start von dort) die Maschine übernehme und die Innenstadt ansteuere (wo anderst in D gibt es ja eh keine großen (= über dem Durchschnitt hohen) Häuser zum Reinfliegen :p ;)) ist so schnell doch gar kein BW-Pilot da. Und selbst wenn: Das Rhein-Main-Gebiet ist dermaßen dicht besiedelt, da wäre es schon ne Kunst, das Ding nicht über Wohngebiet per Abschuss runterzuholen. Und ob ich jetzt die Maschine im Commerzbank-Turm versenke oder sie in 100 Einzelteilen diverse Häuser der Innenstadt platt macht... naja, schwere Abwägung.



    Und was ich von der Bundeswehr im Inland einsetzen halte, sag ich hier lieber nicht... ich deute mal nur an, dass wir das schonmal hatten als - für Herrn Schäuble sicherlich gut verständlich nach seinen Ausführungen vor Burschenschaftlern anno afair 1992 - auch die ostdeutschen Gebiete noch zu Deutschland gehörten.

    Q: I've always tried to teach you two things. First, never let them see you bleed.
    Bond: And the second?
    Q: Always have an escape plan...

  • Zitat

    Original geschrieben von DUSA-2772
    Und was ich von der Bundeswehr im Inland einsetzen halte, sag ich hier lieber nicht... ich deute mal nur an, dass wir das schonmal hatten als - für Herrn Schäuble sicherlich gut verständlich nach seinen Ausführungen vor Burschenschaftlern anno afair 1992 - auch die ostdeutschen Gebiete noch zu Deutschland gehörten.


    Damals war der Osten Deutschlands aber noch deutlich größer. :rolleyes:


    Man kann auch das Thema Bundeswehreinsätze im Inland durchaus sachlich diskutieren, ohne sich gleich wieder hinter unser Vergangenheit zu "verstecken" oder die Geister eben jener heraufzubeschwören.
    Derart polemisches Geschwafel sollte man als geistig gesunder Mensch auch und insbesondere bei derartigen Themen außen vor lassen können.

  • Re: BVG kippt "Abschussgesetz"


    Was die Berliner Verkehrsbetriebe nicht alles können :D

    Er war Jurist - und auch sonst von mäßigem Verstand. | PN zu Rechtsthemen werden nicht beantwortet.

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