[Berlin] Religions-/Ethikunterricht

  • Zitat

    Original geschrieben von raix
    Aber wenn man Religion einseitig von einem Pfarrer unterrichten lässt... was will man da erwarten?


    Siehst Du. Ich hatte die meiste Zeit einen schwulen Religionslehrer, der total locker drauf war. :)
    Da war nichts mit "So ist das! Und nun friss oder stirb!".


    Ganz schön heftig, wie religionsfeindlich hier teilweise gepostet wird. Damit meine ich nicht das von mir zitierte Posting.
    Die Religionsfeinde (so heftig muss man sie bezeichnen, denn mit einer normalen Anti-Haltung hat das nichts mehr zu tun), sind bei TT in solchen Threads klar in der Überzahl bzw. posten häufiger. Nachvollziehbar, denn wer so krass gegen etwas ist, will das i.d.R. a) eher mitteilen und b) mit umso drastischeren Worten.


    Gemäßigt sind, wie so oft, die wenigsten Äußerungen. Leider.
    Einerseits ist man gegen Fanatismus, andererseits ist die eigene Haltung nicht minder fanatisch, nur eben in die andere Richtung.


    Es kommt mit Sicherheit auch stark darauf an, welche Rolle Religion in der Erziehung gespielt hat.
    Und genau darum geht es ja hier.


    Ich könnte mir Philosophie als Ersatz-Pflichtfach aber durchaus auch vorstellen, wenn es das Thema Religion - und das dürfte es unausweichlich - zum intensiven Thema hat.
    Wichtig wäre mir nur, daß es irgendein Schulfach als Pflichtfach gibt, das sich mit dem Thema Transzendenz im weitesten Sinne beschäftigt.

    “Das Leben ist wie ein Fahrrad. Man muß sich vorwärts bewegen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.” Albert Einstein

  • Zitat

    Original geschrieben von galahad13
    Religion hat in Schulen nichts zu suchen, da es sich bei Glauben um eine reine Privatsache handelt.


    dann bitte auch folgende fächer streichen:
    sport
    musik
    bildende kunst


    ist doch jedem seine sache, ob er sport macht, sich mit mozart auskennt und bilder zeichnen kann/will :rolleyes:


    religion gehört in deutschland in die schulen. wir sind nunmal ein christlich geprägtes land und moderner religionsunterricht beinhaltet auch dinge wie "wie gehe ich mit anderen menschen um" etc. und ist kein stures bibel-studieren oder ähnliches. zudem werden ja auch durchaus andere religionen dort behandelt (und wenns guter unterricht ist, dann auch neutral und kritische fragen sind erlaubt)
    religion gehört in unserem land nunmal zur allgemeinbildung und wenn sich schüler nicht mit der religion identifizieren können, dann bleibt immernoch die wahl des ethikunterrichts.

  • Und nochmal: Letztens gabs einen Artikel im Tagesspiegel (den ich leider nicht mehr finde), in dem ein Philosoph etwas interessantes schrieb: Religionsunterricht nimmt eine Sonderstellung an der Schule ein, weil der Lehrer sich zum Inhalt bekennen muss, also die Religion nur "von innen heraus" erklären darf. Ich kann Geschichtsunterricht über die Zeit des Nazi-Gelumps machen, ohne davon überzeugt zu sein (und auch zu dürfen!). Das geht im Religionsunterricht nicht. Mit anderen Worten: sich kritisch diesem Thema zu nähern ist durch die Verkörperung in der Person des Lehrenden schon merkwürdig. Oder pointierter ausgedrückt: kann ich bei einem überzeugten Raucher unvoreingenommen etwas über Risiken und Nebenwirkungen lernen? Und noch einen von mir drauf: Hier entscheiden (wieder mal) Eltern für ihre Kinder. Wohin das in der Erziehung führt, vor allem, wenn sich der Staat raushalten soll, sieht man leider immer wieder... :rolleyes:


    Ich habe zu Religion deswegen ein zwiegespaltenes Verhältnis, weil ihre Vertreter und deren Institutionen mir suspekt sind. Ein "hoch gebildeter" Professor, seines Zeichens damals Bezirksbürgermeister und Mitglied einer Partei mit dem "C" im Namen, nebenbei noch Laienprediger in der Kirche sagte zu mir, als er erfuhr, dass ich nicht getauft bin: "Na da haben deine Eltern aber was falsch gemacht und du kommst dann in die Hölle!". :eek: Das hat er mit vollem Ernst gesagt, denn er hatte noch andere Sprüche drauf. Und dass solche Leute entscheiden, wie Religion vermittelt wird, läßt nicht nur mir den ein oder anderen kalten Schauer über den Rücken laufen.


    Deswgen: Religion ist Privatsache und darf nur zusätzlich zum sonstigen Unterricht sein. Ich kann darin keine radikale antireligiöse Haltung erkennen, denn wer mich kennt, weiß, dass ich sehr viel "religiöser" bin, als so mancher Institutionszeitgenosse.

  • Zitat

    Original geschrieben von StebuEx
    Hallo,


    demnächst steht in Berlin eine Abstimmung hinsichtlich dieser Fächer an.
    Für mich als Atheist stellen sich diverse Fragen:


    [*]Was hat Religion an Schulen zu suchen


    Erstmal steht Religion nicht per se auf dem Unterrichtsplan, wer sich mit dem christlichen Glauben nicht identifiziert, dem steht es frei, Ethik zu besuchen. Was hat Ethik an Schulen zu suchen? Leider viel zu wenig! Ethisches Verhalten oder aber christliche Grundwerte, die in vielen Punkten als "ethisch" angesehen werden (man denke zum Beispiel an das Gebot der Nächstenliebe), bilden die fundamentale Basis, auf der ein gesellschaftliches Leben überhaupt erst fußen kann. Die totale Verrohung am unteren Ende der sozialen Skala bis hin zur Maßlosigkeit und schamloser, ja kultivierter Egozentrik am ganz oberen Ende sind meiner Meinung nach die Ausprägungen unethischen Verhaltens.


    [*]Gesetzt den Fall man wäre "gläubig":wäre es nicht sinnvoller, den Unterricht über andere Religionen zu besuchen um den eigenen Horizont zu erweitern. Warum will jede Glaubensrichtung ihren eigenen Unterricht.


    Bevor Du Deinen Horizont erweitern kannst, musst Du erst einmal Deine eigene glaubende/ethische Wurzel kennen; wie sollte man denn sonst überhaupt reflektiert Dialog mit beispielsweise dem Islam suchen? Wenn ich Wertvorstellungen nicht komparativ ins Verhältnis setzen oder kritisch hinterfragen kann, dann bringt mir ein Horizonterweiterungsversuch rein gar nichts, denn ich falle hinter dem Informationsmonopol de facto hilflos zurück. Beide Themen, Ethik und auch christliche Religion (über Bestrebungen, muslimischen Unterricht anzubieten, bin ich nicht wirklich informiert, deshalb konzentriere ich mich mal auf die wohl gängigeren diskutierten Fälle - wertungsfrei, möchte ich betonen) sind derart komplex, daß wohl niemand von uns, noch dazu in jungen Jahren, behaupten könne, sie vollumfassend zu verstehen. Ich glaube, die Mehrheit hat noch nicht einmal die Bibel gelesen; kein Mensch käme auf die Idee, um den Vergleich ein wenig breiter zu hämmern, zwei Bücher zu vergleichen, wenn er eines von beiden nur vage kennen würde.


    [*]Warum wird das nicht im Geschichtsunterricht behandelt


    Weil Glaubensfragen sinnigerweise nur maximal in einem historischen Kontext betrachtet werden können, nie aber durch Geschichte ersetzt werden können. Eine absurde Idee.


    [*]Verstecken sich andere Absichten dahinter, als man vordergründig annehmen sollte[/list]


    Und diese sollten sein, welche?




    Letztendlich läuft es doch auf folgende Frage hinaus: worin bestünde der Schaden? Ist Religion/Ethik nicht eine absolut erstrebenswerte Hilfestellung für Jugendliche? Die Fächer vermitteln ein Wertegerüst, die, so glaube ich, einem gesellschaftlichen Zusammenleben voll zuträglich sind. Viele Kritiker assoziieren Religion de facto sofort mit der Institution Kirche, der man natürlich zahlreiches Fehlverhalten und eine gewisse Rückwärtsgewandtheit vorwerfen kann. So wie man das gleiche auch zahlreichen anderen Institutionen vorhalten kann, von mir aus auch der bayrischen Staatskanzlei. Bei Religion geht es aber um viel viel mehr, als das Gerüst, die Organisation. Es geht um fundamentale, hochmoralische Gesichtspunkte. Interessante philosophische Aspekte, die den Geist, sollte man willens sein, hervorragend fordern. Es geht um Lebensentwürfe, die Haltung meinen Mitmenschen gegenüber. Religion mag nicht so "nützlich" sein, wie Physik, Chemie, Mathematik; ethisches Verhalten aber bringt meiner Meinung nach Menschen bei, Menschen zu sein. Für den mitlesenden Praktiker: man stelle sich den Output als intangible Asset vor, quasi den nicht quantifzierbaren, aber dennoch stark werttreibenden goodwill.


    Ich denke, daß viele Universitäten dazu übergehen, Wirtschaftsethik-Lehrstühle zu besetzen und ein Anselm Bilgri von DAX CEOs belagert wird, hat seine Gründe; offensichtlich fehlt es der Gesellschaft doch an einer wirklichen Wertdebatte. Und daher bin ich der Meinung, daß das Angebot zur seelischen Bildung an einer Schule bestehen sollte.


    Persönlich Glaube ich, wenn jeder sich an den Grundsatz den Nächstenliebe halten würde, und zwar wirklich, es eine ganze Menge Probleme nie geben würde

  • Und genau da liegt der Fehler:


    Glauben heißt nicht unreflektiert, unkritisch, voreingenommen und verkrustet von einer Sache total befangen zu sein.


    Ganz im Gegenteil! Wer glaubt, wird unweigerlich immer wieder an seinem eigenen Glauben zweifeln. Einfach, weil Glaube nicht alles erklären kann und soll. Er ist aber eine Stütze, etwas, an dem man sich orientieren kann.
    Aber auch etwas, das sich durchaus ändern kann, im Laufe eines Lebens.
    Die allerwenigsten - selbst Klerikale - leben und führen ihren Glauben vom Tag an, mit dem sie mit Glauben und Religion in Berührung kamen bis zu ihrem Tod linear.


    Besonders die Laien in der Kirche stehen ständig vor Konflikten mit ihrem Glauben und der Kirche. Das bedeutet noch nicht, daß sie ihren Glauben verlieren, aber Zweifel, Kritik und intensive Beschäftigung mit allen Facetten des Glaubens gehören definitiv dazu.


    Wer denkt, dass das so wäre, zeigt, wie wenig Ahnung er vom Thema eigentlich hat. Und das wiederum zeigt, was für ein falsches Bild vom Glauben herrscht.
    Schuld daran ist größtenteils die Kirche selbst, weil sie es nicht schafft, den Konflikt zwischen Unumwürflichem und Veränderlichem (weil Glaube etwas Individuelles ist und sich die Welt nun mal dreht und die Zeit weiterläuft) der Menschheit richtig zu verkaufen.


    Daß die Kirche nur Menschen Religion unterrichten läßt, die sich zu ihr bekennen, ist doch irgendwo logisch.


    Carsten würde auch keinen zum Mod machen, der sich nicht zu TT bekennt. ;)
    Aber sich zu etwas zu bekennen, bedeutet nicht, daß man Kritik und Andersdenken nicht toleriert.

    “Das Leben ist wie ein Fahrrad. Man muß sich vorwärts bewegen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.” Albert Einstein

  • Zitat

    Original geschrieben von Jochen
    Daß die Kirche nur Menschen Religion unterrichten läßt, die sich zu ihr bekennen, ist doch irgendwo logisch.


    Aber dass der Staat nur diese Leute zuläßt, ist das Problem. Ich könnte mir z.B. Religionsunterricht auch durch Leute vorstellen, die nicht explizit einer Richtung angehören. Dies könnte man durch entsprechende Ausbildungen an der Uni auch erreichen.


    Zitat

    Original geschrieben von Jochen
    Carsten würde auch keinen zum Mod machen, der sich nicht zu TT bekennt. ;)
    Aber sich zu etwas zu bekennen, bedeutet nicht, daß man Kritik und Andersdenken nicht toleriert.


    Also wenn ich das A&K so lese, wird dir gerade dein letzter Satz von einigen Leutchen nicht geglaubt! :D

  • Und genau darin liegt das Problem am Religionsunterricht.


    Im Kern jeder Religion steckt eine Kernphilosophie, die aber durch die Organisation des Glaubens von Regeln umrahmt wird, verschiedenste Auslegungen hat, teilweise willkürlich verändert worden ist und in x-Richtungen ausgelegt wird.
    Dazu kommen viele hundert Jahre in denen sich die Welt verändert hat und der historische Kontet weggefallen ist.
    Allein in den großen Religionen gibt es hunderte von Absplitterungen, veränderte und neugeschriebene Texte in den Hautpwerken und Regeln die nie im Ursprungswerk zu finden waren.
    Der Islam ist zum Beispiel eine Mischung aus alten lokalen Glaubensformen, Zaratustra, Judaimus und Christentum gemischt mit ein paar neuen Ideen.
    Das Christentum in der heutigen Form besteht aus mindestens 9 großen Abspaltungen, verschiedensten Auslegungen selbst innerhalb der großen Aussrichtungen.
    Gleiches sieht man an anderen Philosophien wie dem Marxismus.


    Also kann kein Religionsunterricht die richtige Form haben, dann man sich anderes als in den Naturwissenschaften nicht so sehr an klaren Formeln, Regeln und Fakten orientieren kann.


    Was bleiben kann ist die philosophische Diskussion und Auslegung der Kernphilosophie und das kann man eben am besten im Kontext und Vergleich mit anderen Philosophien in einem Philosophieunterricht.

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    Ericsson T39m
    Legends never Die!
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  • Zunächst: Ich finde Berlins bisherigen Weg seit 2006 gar nicht so schlecht:


    - Verpflichtenden Ethikunterricht ab Klasse 7 - ohne Trennung der Schüler/innen nach Konfessionen :top:
    - Zusätzlich kann jede/r Schüler/in konfessionsgebundenen Religonsunterricht erhalten.


    Und es geht um Berlin, nicht um Bayern ;):


    Nur 32,6 % der Stadtbevölkerung sind katholisch oder evangelisch, 60 % der Bevölkerung sind ohne Konfession. (Quelle KStA heute)


    Ich selbst erlebe (in NRW) die Trennung der Schüler/in in kath. oder ev. Religionsunterricht und dem Fach "Praktische Philosophie" (ähnlich zum Ethikunterricht) als kontraproduktiv in der Erziehung und dem offenen "aufeinander Zugehen". Man schafft dadurch höhere Grenzen. Im Fach PP sammeln sich alle in einem Kurs, die Muslime, Zeugen Jehovas, freikirchlich usw. sind, keine Konfession haben oder mit ihrem Relegionslehrer nicht klar gekommen sind und deshalb gewechselt sind.


    Der bisherige Weg Berlins fördert klar das Miteinander und die passenden Auseinandersetzungen dazu - und trotzdem gibt es ja Religionsunterricht.


    Daher ein klares nein von mir zum Volksentscheid.


    Obwohl BILD mal wieder die Meinung ihrer Leser BILDen will :rolleyes: :
    http://www.bildblog.de/7507/so…-muss-ja-keine-wahl-sein/


    Gruß, Öle

    Mit Grüßen ...


  • Richtig! Niemand wird ja gezwungen einer Religon anzugehören und am Religionsunterricht teilzunehmen. Berlin ist ja bisher das einzige Bundesland, wo der Religionsunterricht an öffentlichen Schulen abgeschafft wurde. Das kann sich aber jetzt durch das Volksbegehren wieder ändern. Wenn man Umfragen glaubt, sind die meisten Berliner dafür, daß der Religionsunterricht wieder ordentliches Lehrfach an den Schulen wird. Was die Mehrheit will, das sollte die Politik auch umsetzen, bzw. muß dies sogar wenn der Wähler dies beim Volksbegehren so entschieden hat.

    Oberfranken ist meine Heimatliebe, die mir am Herzen liegt Bernhard

  • Zitat

    Original geschrieben von bernbayer
    Berlin ist ja bisher das einzige Bundesland, wo der Religionsunterricht an öffentlichen Schulen abgeschafft wurde.


    Falsch.


    Richtig:
    Konfessionsgebundener Relegionsunterricht ist in Berlin nicht abgeschafft, sondern freiwilliges Zusatzfach. Als z.B. kath. Schüler hast du bisher gemeinsamen Ethikunterricht UND auf deinen Wunsch hin kath. Religionsunterricht.

    Zitat

    Wenn man Umfragen glaubt, sind die meisten Berliner dafür, daß der Religionsunterricht wieder ordentliches Lehrfach an den Schulen wird.


    Welche Umfrage meinst du?


    Infratest: "Knappe Mehrheit von 50%" dafür
    Forsa: 53% dagegen


    Und immerhin sind 60 % der Berliner konfessionslos (s.o.)

    Mit Grüßen ...

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