Streiks - veraltetes Modell?

  • Zitat

    Original geschrieben von fadf
    Prozentual mag das kühn erscheinen.


    Aber sollte nicht vielmehr auf den absoluten Betrag abgestellt werden?
    a) wer möchte denn schon von 11,70 (brutto!!!) leben?
    b) wer kann von 11,70 (brutto!!) mehr als nur überleben?
    c) wichtigster Punkt: wie soll von 11,70 (brutto!) privat in einem Maße vorgesorgt werden, das Altersarmut verhindert? Dafür (und für ein Leben, das über das Nötigste hinausgeht) sind IMHO 16.- doch die absolut unterste Grenze.



    Ich komme bei 11.70 brutto bei 40h bei 4 Wochen im Monat auf 1872 brutto. Für das vorsichtig ausgedrückt, niedrige Qualifikationslevel, finde ich, ist es schon ein guter Lohn.

  • 11,70 ist aber immernoch mehr als 6,50. Es mag zwar notwendig sein. Aber aus wirtschaftlicher Sicht auf einem Schlag 43% zu verlangen ist m.E. unklug. Denn wir wissen ja was Arbeitgeber machen um solche Lohnerhöhungen wieder aufzufangen. Das fängt dann an bei Leiharbeitsfirmen über Subunternehmer bis hin zur Auslagerung in Tochtergesellschaften mit eigenen "Lohntabellen" und ohne Tarifbindung. Oder gar der Ausstieg aus der Tarifgemeinschaft, damit wäre die Gewerkschaft machtlos.


    Würde ich 43% mehr bekommen wären das Brutto ca. 913,- Euro plus Erhöhung der Zuschläge. Ich würde mich darüber freuen. Aber aus wirtschaftlicher Sicht überzogen!?

    Wenn die Kuh schon im Brunnen liegt, ist es unsinnig noch einen Deckel draufzumachen.


    Öffne Dein Herz und Du wirst die Welt sehen,

    öffne Deinen Geist und Du wirst sie verstehen.

  • Re: Re: Streiks - veraltetes Modell?


    Zitat

    Original geschrieben von handyman1981 Am letzten groß angekündigten Amazon Arbeitskampf hat z.B. nicht einmal 12% der Stammbelegschaft teilgenommen.;)


    Das war ein verdi- Streik. verdi ist etwas besonderes :D . Die haben leider von nix Ahnung, auch nicht vom Arbeitsrecht: Verdi hatte das planmäßige Auslaufen der befristeten Arbeitsverträge von Weihnachts- Saisonarbeitern bei Amazon in einer offiziellen Pressemitteilung tatsächlich als "Knall auf Fall" "feuern" in "Wildwest Kultur" (!) bezeichnet. Solche Knaller, die nicht einmal wissen, dass befristet Angestellte nicht gefeuert werden können, nimmt keiner mehr ernst.


    Bei Amazon Leipzig war der Streik lustig: Die angekarrten Verdi- Funktionäre sind in Leipzig mit der Tröte im Mund und der Verdi- Jacke Riesenrad gefahren (war gerade eines in Leipzig), und von den Amazon- Angestellten hat kaum einer mitgestreikt :D .


    Streiks sind aus meiner Sicht wichtig, um für austauschbare Arbeitnehmer Vorteile zu erkämpfen. Fachleute verhandeln ihre Konditionen selber, und streiken bei Nichtzufriedenheit nicht, sondern bilden sich weiter und suchen einen besseren Job. Mit der Tröte rumlaufen ist halt weniger produktiv als ein Abendschule- Kurs.

  • Zitat

    Original geschrieben von mumpel
    Würde ich 43% mehr bekommen wären das Brutto ca. 913,- Euro plus Erhöhung der Zuschläge. Ich würde mich darüber freuen. Aber aus wirtschaftlicher Sicht überzogen!?


    Wieso? Unsere "lieben" Bundestagsabgeordneten genehmigen sich doch auch 830€ mehr. Gleiches Recht für alle!


    Eigentlich müsste ganz Deutschland mal für zwei, drei Tage streiken. Alle ...

  • Re: Re: Re: Streiks - veraltetes Modell?


    Zitat

    Original geschrieben von Goyale
    ...Streiks sind aus meiner Sicht wichtig, um für austauschbare Arbeitnehmer Vorteile zu erkämpfen....


    Jeder Arbeitnehmer ist austauschbar!


    Gruß
    Pitter

  • Re: Re: Re: Re: Streiks - veraltetes Modell?


    Zitat

    Original geschrieben von Pitter
    Jeder Arbeitnehmer ist austauschbar!


    Gruß
    Pitter


    O.K.
    Aber viele Arbeitnehmer sind sehr sehr viel leichter austauschbar, als einige Fachleute :rolleyes: .
    Aus meiner Sicht muss es für Arbeitnehmer zuerst darum gehen, ihren Marktwert zu erhöhen (=ihre Austauschbarkeit zu verringern). Fremde Gewerkschaftsfunktionäre zu alimentieren und zu tröten halte ich für die schlechtere Idee gegenüber der alternativen persönlichen Weiterbildung mit demselben Zeit/Geld- Aufwand.


    Update:
    Der Arbeitnehmer muss zum Arbeitgeber sagen können: "Mehr Geld und/oder bessere Arbeitsbedingungen, oder ich kündige!" Nur zu sagen "Mehr Geld, oder ich bleibe trotzdem!" ist nicht so clever.


    Grüße


    Goyale

  • Re: Re: Re: Re: Re: Streiks - veraltetes Modell?


    Zitat

    Original geschrieben von Goyale
    Aus meiner Sicht muss es für Arbeitnehmer zuerst darum gehen, ihren Marktwert zu erhöhen (=ihre Austauschbarkeit zu verringern).


    Das ist Quatsch. Du wirst für viele Jobs natürlich fast beliebig viele Leute finden, die den auch machen können und jemand vom Reinigungsdienst kann noch so toll Fenster putzen, aber es wird den "Marktwert" nie erhöhen, ob er/sie das jetzt besonders "hübsch" macht, oder nicht. Gleichwohl hat der-/diejenige Anspruch auf eine gerechte Entlohnung und auf eine menschenwürdige Behandlung und hat es in keinster Weise verdient, dass du auf sie herabsiehst.


    Da diese Leute selten für sich selbst streiten können, gibt es die Gewerkschaften und natürlich das Streikrecht, damit die Arbeitgeber nicht in eine "Gutsherrenart" verfallen.


    Dass es inzwischen viele Arbeitnehmer gibt, die sich freiwillig erniedrigen tut nichts zur Sache.


    Zitat

    Original geschrieben von Goyale
    Der Arbeitnehmer muss zum Arbeitgeber sagen können: "Mehr Geld und/oder bessere Arbeitsbedingungen, oder ich kündige!" Nur zu sagen "Mehr Geld, oder ich bleibe trotzdem!" ist nicht so clever.


    Das dies bei den Arbeitslosenzahlen nicht möglich ist, ist doch klar. Gleichwohl gilt mein oben geschriebenes, oder sollen sich die "normalen" Arbeitnehmer auspressen lassen, wie eine Zitrone, nur weil sie es sich nicht leisten können zu kündigen und weil es andere Jobs einfach nicht gibt?

  • Re: Re: Re: Re: Re: Re: Streiks - veraltetes Modell?


    Zitat

    Original geschrieben von Merlin
    Das ist Quatsch. Du wirst für viele Jobs natürlich fast beliebig viele Leute finden, die den auch machen können und jemand vom Reinigungsdienst kann noch so toll Fenster putzen, aber es wird den "Marktwert" nie erhöhen, ob er/sie das jetzt besonders "hübsch" macht, oder nicht.


    Auch der Gebäudereiniger muss aus meiner Sicht über seine berufliche Perspektive nachdenken, und sich ggf. umorientieren. Zum Beispiel könnte er ein qualifizierterer Hausmeister mit umfangreichen Technik- Kenntnissen werden. Oder er macht einen Staplerschein und wird z.B. von Amazon sofort und mit mehr Gehalt als ein Reiniger eingestellt.
    Wenn die zuverlässigen Reiniger sich anders orientieren, ist auch für die unflexiblen Reiniger mehr zu verdienen, weil dann deren Marktwert wegen niedrigerem Personal- Angebot steigt.


    Einfach zu sagen "Ich will mehr Geld, oder ich störe Deine betrieblichen Abläufe, was Dich richtig Geld kostet" halte ich für falsch. Mit der Störung der betrieblichen Abläufe beim Arbeitgeber sägt der Arbeitsverweigerer/Störer an seinem eigenen Arbeitsplatz, weil die Wettbewerbsfähigkeit des AG sinkt.

  • Ich sehe bei soviel Lohnerhöhung auf einmal ein weiteres Problem. Nämlich die kalte Progression. Die kann bei derartig großen Lohnerhöhungen auch finanzielle Nachteile bringen. Ich kenne einen solchen Fall. Eine Person ist in die nächste Entgeldstufe gerutscht. Brutto hat die Person mehr, aber Netto dafür weniger als vorher. Und dieses "weniger" ist sehr hoch. Das Problem bei solchen Fällen ist, dass die betreffenden Personen darauf dermaßen sauer reagieren dass sie ihre Mitgliedschaft in der Gewerkschaft kündigen.


    Die Gewerkschaft würde sich groß feiern lassen wenn sie tatsächlich mit 43% durchkäme. Aber denen, die dadurch einen Nachteil erleiden, wäre bestimmt nicht zum Feiern. Also bei aller Vorfreude auf solche Zahlen bitte immer auch die Nachteile bedenken.

    Wenn die Kuh schon im Brunnen liegt, ist es unsinnig noch einen Deckel draufzumachen.


    Öffne Dein Herz und Du wirst die Welt sehen,

    öffne Deinen Geist und Du wirst sie verstehen.

  • Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Streiks - veraltetes Modell?


    Zitat

    Original geschrieben von Goyale
    Auch der Gebäudereiniger muss aus meiner Sicht über seine berufliche Perspektive nachdenken, und sich ggf. umorientieren. Zum Beispiel könnte er ein qualifizierterer Hausmeister mit umfangreichen Technik- Kenntnissen werden. Oder er macht einen Staplerschein und wird z.B. von Amazon sofort und mit mehr Gehalt als ein Reiniger eingestellt.


    Du könntest bei der Agentur für Arbeit arbeiten, die haben auch so utopische Vorstellungen.


    In einer perfekten Welt, könnte das vielleicht funktionieren, aber nicht in unserer realen. Warum? Weil ihn Amazon nicht einstellen wird, weil er mit 47 Jahren leider bereits 20 Jahre zu alt dafür ist.


    Zitat


    Einfach zu sagen "Ich will mehr Geld, oder ich störe Deine betrieblichen Abläufe" halte ich für falsch.


    Ich nicht. Im Gegenteil. Wenn der Arbeitgeber von selbst auf die Idee kommen würde, dass, wenn es seinen Arbeitern und Angestellten gut geht, es auch ihm gut geht, dann bräuchte man den Arbeitskampf und Gewerkschaften wohl nicht. Solange aber die Shareholdervalue höher geachtet wird und es für neue "Manager" zum "guten Ton" gehört erst Mal die Löhne und Gehälter zu kürzen, bzw. Leute zu entlassen, weil man damit am schnellsten die Zahlen manipulieren kann, muss man den Arbeitgeber dazu zwingen und wie es ist, wenn *alle* kündigen und *keiner* den Job macht, das merkt er ja dann ...

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