Libyen und Gaddafi

  • Zitat

    Original geschrieben von frank_aus_wedau
    Also bin ich mit meiner Einschätzung des Militäreinsatzes in Libyen doch nicht allein. Mich hatte ohnehin gewundert, dass die NATO die Führung der Militäraktion übernommen hat. Anfangs gab es neben der Türkei auch etliche andere NATO-Mitglieder, die das abgelehnt hatten. Warum die gegen ihre Überzeugung letztlich dann doch zugestimmt hatten, ist für mich immer noch nicht nachvollziehbar.


    Es gibt -wie auch bei der UN- in der NATO unterschiedliche Interessen und Ziele.
    Der Libyenbeitrag von Streitkräfte und Strategien dieses Wochenende bringt es -mal wieder- auf den Punkt:

    Zitat


    Vorangegangen war ein heftiger Streit unter den westlichen Staaten. Was sollte das Ziel dieses Einsatzes sein? Der Schutz der libyschen Zivilbevölkerung und ein rascher Waffenstillstand? Oder eine Stärkung der Rebellen und letztlich der Sturz Gaddafis? Wer sollte diesen Einsatz führen? Frankreich als die treibende Kraft hinter dem Einsatz, die Vereinten Nationen oder die NATO?
    Die Führungsfrage ist zugunsten der NATO entschieden. Der Streit über das Ziel des Einsatzes ist allerdings nicht beigelegt. Er wurde lediglich vertagt. Vorerst agiert die NATO auf Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners.


    Und jedem mit Interesse an Sicherheits- und Militärpolitik kann ich die Streitkräfte und Strategien Sendung nur wärmstens empfehlen. An der Sendung ist meiner Ansicht nach zu erkennen wie schlecht in der Regel die Nachrichtenberichterstattung selbst der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ist bzw. wie deformiert das Nachrichtenformat inzwischen ist. Ok, auslandsjournal und weltspiegel gibt es natürlich auch noch...

  • Ich muss den Thread nochmal hoch holen, lassen politische Ereignisse der letzten Tage ihn möglicherweise in anderem Licht erscheinen.


    Fühlte ich mich im Angesicht feixender Gutmenschen, die keine Schwierigkeiten haben, den Massakern in Syrien tatenlos zuzusehen, während man gleichzeitig in Libyen aus moralischen und rechtlichen Gründen mit Bomben um sich wirft, irgendwie irritiert, läuten einige wenige Sätze des amerikanischen Präsidenten etwas ein, dass man möglicherweise als neues Zeitalter im nahöstlichen Friedensprozess sehen kann.


    Sollte das ein Ende der selektiven Anerkennung von UN-Beschlüssen bedeuten (noch bin ich mir da nicht sicher), wäre das in der Tat ein Meilenstein in Sachen Völkerrecht. Denn solange sich westliche Staaten die UN-Beschlüsse heraussuchen, die ihnen „genehm" sind und den Rest ignorieren, sind die UN nicht mehr als ein Schmierentheater zur Erteilung von Lizenzen zum Bombenabwurf.


    Und nun Mr. President? Yes, wie can... das ändern, wenn wir nicht gleich wieder zurückrudern! :top:


    Ein umfassender wirtschaftlicher Boykott Israels bis zur Umsetzung der Beschlüsse, die schon seit 1967 darauf warten, würde die Welt um etliches gerechter machen und den UN so etwas wie Glaubwürdigkeit verschaffen. Aber ich befürchte, dass es dazu nicht kommen wird. Wir werden sehen ...


    Frankie

  • Die Bereitschaft, sich im Kampf gegen Gaddafi zu engagieren, dürfte mit zunehmender Konfliktdauer abnehmen. Um es mit den Worten Volker Pispers auszudrücken: Mit jedem Blick auf die Preise an der Zapfsäule sagt sich der normale Deutsche doch wohl "Na, so schlimm war der Gaddafi doch nun auch nicht. Immerhin hat er immer pünktlich sein Öl geliefert."


    Und außerdem hat er immer nur die Flüchtlinge übers Mittelmeer gelassen, die der Berlusconi auf seinen Bunga-Bunga-Parties wirklich dabei haben wollte.


    SCNR! :D

    Viele Grüße und einen Happy Day


    Guy Fawkes was the only person ever to enter Parliament with honest intentions.

  • Wir Deutschen machen uns bei sowas doch sowieso nicht die Hände dreckig. Das hat der PopulistenWesterwelle doch schon festgestellt. Das sollen mal schön andere machen. Allerdings bleibt hier auch festzustellem, dass die anderen Staaten eigentlich relativ eigenmächtig und unabhängig von ihren Bevölkerungen Krieg führen. Ich finde diese Entwicklung und die rasante Eskalation des Konfliktes ehrlich gesagt erschreckend. Klar es geht um Öl, aber in Ägypten hat man noch abgewartet.

  • Inzwischen weitet sich der Konflikt im Nahen Osten in einer Weise aus, in der ich mich für meine Regierung zutiefst schäme. Es wird genau das praktiziert, was Peter Scholl-Latour mit dem Begriff der "Selektiven Entrüstung" gebrandmarkt hat.


    Nehmen wir drei der aktuellen Ereignisse als BeispieL:


    1. Saatschef Gaddafi kämpft gegen aufständische bewaffnete Truppen, die seine Regierung stürzen wollen. Bei den Kampfhandlungen kommen - wie es anders nicht sein kann - auch Zivilisten, die nicht Kriegspartei sind, ums Leben.


    Zum Schutz ziviler Opfer der militärischen Kampfhandlungen zwischen Regierungstruppen und Truppen der Aufständischen greift die NATO in weitreichendem Umfang militärisch ein, vernichtet die Luftwaffe der Regierung und führt mit den Aufständischen nun gemeinsam Krieg gegen Regierungstruppen.


    Bundesaußenminister Westerwelle entsendet zwar keine eigenen Truppen, befürwortet die Kriegsführung durch die NATO aber ausdrücklich.


    2. Der Staatschef von Syrien schießt lieber gleich auf Zivilisten, bevor sie sich gegen ihn zusammenrotten können - präventiv sozusagen. Ein militärisches Eingreifen zum Schutze des Syrischen Vokles ist nach tiefster Überzeugung unseres Außenministers ganz "selbstverständlich keine Option".


    Belassen wir es doch erst bei diesen beiden, um die Sache für den Anfang nicht zu überfrachten.


    Nun meine Fragen, die sich allein auf die deutsche Position beziehen sollen.


    Wie wird das gerechtferigt? Vor allem gegenüber dem Syrischen Volk.


    Wird durch dieses Verhalten nicht zwingend der Eindruck der arabischen Welt bestätigt, dass hinter dem westlichen Eingreifen in Libyen nicht doch ureigenste und handfeste westliche Interessen stecken, mit denen Syrien nicht dienen kann?


    Um die Glaubwürdigkeit nicht völlig zu verlieren, müsste die Antwort auf diese Fragen offen auf der Hand liegen. Aber selbst, wenn ich mich bemühe ... ich kann sie nicht entdecken.


    Momentan schäme ich mich, Deutscher zu sein.


    Frankie

  • Ne, ich schäme mich für unsere Politiker.

    Suche: aktuell nichts


    30 positiv in der "neuen" Vertrauensliste, ??x mal positiv in der "Alten"..:-)


    Insider: Die Plaaaaaattttttttforrrrrrrrmmmmmmmmmm brennt nicht mehr, sie ist abgesoffen.....!

  • Zitat

    Original geschrieben von frank_aus_wedau
    Wie wird das gerechtferigt? Vor allem gegenüber dem Syrischen Volk.


    Syrien ist halt nicht so bedeutsam, wenn es um Öl geht...

    Auch ein Traumjob berechtigt nicht zum Schlaf am Arbeitsplatz.

  • Zudem wird Syrien und deren Verbündeten die Macht zugesprochen den Nahen Osten in ein Kriegszustand zu versetzen, das bedeutet jahrzehnte keinen Frieden für alle die dort Wohnen, einschließlich Israel.

    Die Paula ist ne Kuh, die macht nicht einfach Muh, die macht nen Pudding, der hat Flecken, Vanille Schoko, Schoko Vanille, nur echt von Paula mit der Brille!
    Ich liebe Hausmeister Krause - Ordnung muss sein!

  • Zitat

    Original geschrieben von frank_aus_wedau
    Wird durch dieses Verhalten nicht zwingend der Eindruck der arabischen Welt bestätigt, dass hinter dem westlichen Eingreifen in Libyen nicht doch ureigenste und handfeste westliche Interessen stecken, mit denen Syrien nicht dienen kann?


    Frag doch einfach mal die Hisbollah und Hamas, welche Meinung sie zu einer ausländischen Intervention in Syrien haben.


    Oder schau auf die Größe und Ausrüstung der syrischen Armee im Vergleich zu Libyen. Auch die syrischen 'desertierten' hochrangigen Militärs und Politiker/Amtsträger sind im Vergleich zu Libyen marginal.
    Zudem ist die Lage des Landes problematisch- von wo aus sollte man intervenieren? Die Türkei ist bestimmt nicht bereit -wie schon 2003 beim Irak. Und von Israel aus? Macht bestimmt Laune die Reaktion in der arabischen Welt zu sehen.


    Eine andere Sache ist natürlich, wie die Regierung mal wieder herumeiert, um nicht unangenehme Wahrheiten auszusprechen- die wiederum natürlich auch das sich akut ggf. mal empörende Wahlvolk sowieso nicht interessieren. Die "Selektiven Entrüstung" ist auch nichts neues. Wie viele Deutsche haben sich schon nach ihrem Ägyptenurlaub über den Polizei- und Folterstaat, statt über das Essen beklagt? ...

  • Was mich verstört, ist erst in zweiter Linie, wie tatsächlich verfahren wird. Das schlimmste - was dem ganzen letztlich die Krone aufsetzt - ist in meinen Augen die Begündung dessen.


    Im Falle Libyens wurde (auch hier) vorgetragen, dass das Völkerrecht einen Wandel erfahren habe und die Weltgemeinschaft in Fällen, in denen eine Regierung mit massiver Waffengewalt gegen demonstrierende Bürger/Zivilisten losgehe zwingend verpflichtet sei, diese Zivilisten durch eine militärische Intervention zu schützen. Wirtschaftliche Sanktionen (wie sie einige NATO-Mitglieder wie die Türkei lieber gesehen hätten) seien auf gar keinen Fall ausreichend und daher in solchen Fällen völlig abwegig - allein eine militärische Intervention könne das Leben der Opfer schützen und sei unverzichtbar.


    Die nächste Aussage desselben Außenministers zum selben Sachverhalt (systematische Waffengewalt gegen demonstrierende Zivilisten) lautet, in diesem Falle sei "ein militärisches Eingreifen selbstverständlich keine Option".


    Dass es im Falle Syriens selbstverständlich abweichende Umstände betreffend die Durchführung eines Kampfeinsatzes gäbe, leuchtet natürlich ein. Die spielen aber - jedenfalls offiziell - keine Rolle, weil ein militärisches Eingreifen ohnehin nicht in Betracht kommt.


    Frank

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