Newsletter an Geschäftspartner abmahnfähig?

  • Wir diskutieren hier gerade den folgenden theoretischen Fall:


    Der Gewerbetreibende Herr Streithansel ist seit 3 Jahren Vertriebspartner der Firma A. Weil nichts gesondertes vereinbart wurde, gelten das BGB und alle anderen anwendbaren Gesetze.


    In unregelmäßiger Folge (alle paar Monate) kontaktiert die Firma alle Vertriebspartner und übermittelt Infos zu neuen zu vertreibenden Produkten, Lieferengpässen etc. Dieser Kontakt erfolgt per Email oder per Telefon (Emailadresse und Telefonnummer haben alle Vertriebspartner bei der Firma formlos hinterlassen).


    Nachdem Herr Streithansel nach Monaten mal wieder eine Info per Newsletter mit wichtigen Infos (z.B. Info über Ende der Vertriebsmöglichkeit eines bestimmten Produktes) erhalten hat, läßt er die Firma anwaltlich abmahnen: Er hätte niemals seine Zustimmung dafür, dass ihn die Firma per Email kontaktieren darf, gegeben :confused:.


    Frage:
    Ist eine Kontaktaufnahme per Email zwischen Geschäftspartnern wegen für die Geschäftspartnerschaft wichtiger Dinge immer zulässig, oder bedarf es dazu einer separaten Vereinbarung?
    Gibt es irgendwelche Urteile dazu?


    Danke.


    Natürlich hat die Firma die Geschäftspartnerschaft mit Herrn Streithansel nach der Abmahnung aus wichtigem Grund fristlos gekündigt, aber das ist hier nicht das Thema.

  • Hallo,


    wenn Streithansel als §84 HGB-Handelsvertreter anzusehen ist, wofür einiges spricht, hat Firma A. dem Streithansel die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen, wie Muster, Zeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen, Geschäftsbedingungen zur Verfügung zu stellen (§86a HGB).


    Im Übrigen hat sich ein Handelsvertreter um Vermittlung oder Abschluß von Geschäften zu bemühen; er hat hierbei das Interesse des Unternehmers wahrzunehmen (§86 HGB).


    Das S in Handelsvertreter steht übrigens für Schadensersatz....

  • DANKE für Deine qualifizierte Meinung zu diesem fiktiven Fall.


    Herr Streithansel vertreibt hochwertiges Gastronomiezubehör (Pfannen, Besteck). Der Kaufvertrag kommt zwischen dem Endkunde und der Firma A zustande, und Herr Streithansel erhält Umsatz-Provision.
    Er macht seine Termine in den Gaststätten etc. selber, und es gibt auch keine Vereinbarung über Umsatzziele (je mehr Herr Streithansel vermittelt, umso mehr verdient er).
    Herr Streithansel verkauft/vermittelt außer den Produkten der Firma A auch noch Produkte von 10 anderen Firmen, angefangen von der Sprühsahne bis zum Industriebodenreiniger.


    Firma A war auch immer der Meinung, dass sie Herrn Streithansel alle Infos, z.B. über abgekündigte Produkte, zwingend zur Verfügung stellen muss, weil sich sonst die Firma A evtl. gegenüber Herrn Streithansel regresspflichtig macht.


    Komische Sache das ganze theoretische Ding... Theoretischer Streitwert laut Abmahnung 3000€.
    Im theoretischen Fall gibt es einen Haus/Hof-Rechtsanwalt, welcher die Firma juristisch berät.
    Diesen einen theoretischen Fall will jedoch der Firmenchef (63 Jahre alt, sparsam, alte Schule halt...) selber bearbeiten, auch wegen aus seiner Sicht absolut eindeutiger Rechtslage, und geringem Streitwert/Kostenrisiko.


    Sofern noch jemand eine Meinung zu diesem theoretischen Fall hat, würde ich mich über einen Kommentar freuen.

  • Hi


    mein Stand ist: wenn eine Geschäftsbeziehung besteht, die E-Mail-Adresse herausgegeben wurde und der Nutzung nicht widersprochen wurde, darf man kommunizieren.


    Wichtige Frage: wurden bereits früher derartige E-Mails vom Empfänger unwidersprochen hingenommen?



    Je nach Inhalt des Schreibens würde ich maximal eine (ggf. modifizierte) Unterlassungserklärung abgeben, oder aber gar nicht reagieren.


    Gruß


    HHFD

    Gesendet von meinem Motofone F3

  • DANKE für Deine qualifizierte Meinung zu diesem fiktiven Fall.


    Der Newsletter wurde schon jahrelang an Herrn Streithansel versendet, in unregelmäßigen Abständen (vielleicht 4x jährlich), und NIE beanstandet.


    Das mit der Unterlassungserklärung hat sich der Chef der Firma A schon überlegt:
    Cheffe weiß aus 40-jähriger Erfahrung als Firmenchef, wie man eine modifizierte Unterlassungserklärung abgibt (ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, mit vom Gericht festzulegender Vertragsstrafe, Unterlassung sehr eng gefasst erklären etc.). Und es wäre nach Abgabe der UE der Streitwert auf die 350€ Anwaltsrechnung begrenzt.


    Der imaginäre Cheffe fragt sich aber ernsthaft: Was soll er erklären, zu unterlassen? Herrn Streithansel keine für eine bestehende geschäftliche Beziehung wichtigen Infos mehr zukommen zu lassen? Das wäre aus Sicht von Cheffe absurd, und er würde etwas erklären, was ihm später in der Firma vielleicht schaden könnte.


    Cheffe vermutet folgendes: Herr Streithansel und sein RA machen halbe/halbe bei allen eingenommenen RA-Gebühren. RA berechnet Streithansel vielleicht ansonsten außergerichtlich nix...


    Der aktuelle Plan von Cheffe ist folgender: Streithansel kommen lassen, damit Streithansel echtes Geld ausgeben muss (Gerichtskosten bei Klage oder [widersprochener] EV mit anschließendem Hauptverfahren).


    Cheffe hat jetzt (wie ich erfahren habe) dem RA eine nette Email geschrieben, dass er auf Grund der "außergewöhnlichen Umstände" einer "Abmahnung eines Geschäftspartners an den anderen Geschäftspartner wegen Übermittlung von für die Geschäftspartnerschaft wichtigen Infos" Zweifel an der behaupteten Bevollmächtigung des RA anmeldet, und höflich um eine unterschriebene Vollmacht bittet ("gern als Kopie per FAX oder .pdf per Email"). Danach wolle Cheffe "die Abmahnung angemessen würdigen" :D.


    RA
    -wurde damit zum einen deutlich auf den Sachverhalt hingewiesen (Abmahnung wegen Übermittlung geschäftlicher Infos unter Geschäftspartnern)
    -muss jetzt damit rechnen, dass er möglicherweise eine Beschwerde an seine zuständige Aufsichtsbehörde zu erwarten hat, oder dass Cheffe den RA öffentlich zum Vollhonk macht (dann natürlich erst nach Einholen von Rechtsberatung)


    Nochmal: Der ganze Fall ist rein hypothetisch, und ist eine Hausaufgabe von mir im Zusammenhang mit der Erlangung meines 5. Staatsexamens ;) .


    Hat jemand noch irgendwelche Ideen? Danke.
    Ich poste hier gern, wie die Sache ausgeht, falls mich der imaginäre Cheffe darüber informiert.

  • hat denn der imaginäre chef nach 40-jähriger erfahrung tatsächlich keinen blassen schimmer wie er darauf reagieren soll? alternativ hat der chef nach 40 jahren kein geld um einen profi das machen zu lassen?
    dieses imaginäre szenario scheint nicht zu ende gedacht.

  • Wir geben alle Abmahnungen gleich zum RA, ohne 1s Zeit damit zu verschwenden.

  • Klar geben wir ebenfalls alles, ohne 1s nachzudenken, zum RA. Aber was Du oder wir machen, zählt hier nicht. Es geht hier um eine imaginäre Sache.


    Cheffe hätte auch genug Geld, um das ganze an den RA abzugeben. Er meint aber zu der Sache "man lernt nur dazu, wenn man Dinge selber macht", und hier geht es nur um 3000€ Streitwert und damit um ein sehr begrenztes Risiko.


    Cheffe meint, die Rechtslage wäre zu 100% klar. Abgesehen vom hier genannten §86a HGB (falls Herr Streithansel ein Handelsvertreter sein sollte) gibt es ja auch noch § 7 Abs. 3 UWG.


    Hat jemand noch eine Idee zur Rechtslage? Danke.

  • da du so danach fragst:
    Mit war nicht mal klar das B2B überhaupt so ein Thema entstehen kann.
    Emails an Privat ist klar - darf man nur nach entsprechender "Beauftragung" durch den Privaten aber B2B wäre ich davon ausgegangen das man schicken darf "was man will".
    Zumal offensichtlich lange Zeit nie widersprochen wurde.

    Dieser Eintrag wurde 624 mal editiert, zum letzten mal um 11:24 Uhr

  • Zitat

    Original geschrieben von polli Mit war nicht mal klar das B2B überhaupt so ein Thema entstehen kann... B2B wäre ich davon ausgegangen das man schicken darf "was man will".
    Zumal offensichtlich lange Zeit nie widersprochen wurde.


    Zum Glück ist die Geschichte rein fiktiv. Real würde sich z.B. kein Anwalt für so eine Abmahnung hergeben ;).


    Cheffe hat nun imaginär doch jemanden gefunden, der 1 Semester Recht studiert hat. Dieser hat ihm zuerst geraten, alles einfach an den eigenen Anwalt zu übergeben. Cheffe hat dann mit dem Jurastudium-Abbrecher alle Szenarien durchgespielt, z.B.:


    -Cheffe reagiert nicht auf die Abmahnung, und reagiert erst wieder auf Gerichtsschreiben
    Herr Streithansel könnte dann evtl. eine Einstweilige Verfügung erzielen. Dieser würde Cheffe widersprechen, so dass das ganze ins Hauptverfahren geht, welches Cheffe nach dessen Meinung in allen Instanzen gewinnen würde.
    Riesiger Nachteil der Sache: Cheffe müßte erstmal Gerichtskosten bezahlen (bei erzielter Einstweiliger Verfügung der Gegenseite die ersten Gerichtskosten; bei Widerspruch und Hauptverfahren die nächsten Gerichtskosten). Cheffe müßte dazu einen eigenen Anwalt bezahlen. Klar würde am Ende derjenige, der verliert, alles zahlen. Aber Cheffe hat Bedenken, dass bei Herrn Streithansel nichts zu holen ist. Besonders erfolgreich als Vermittler war er jedenfalls nicht...


    -Cheffe reicht Negative Feststellungsklage gegen die Abmahnung ein. Wieder müßte er erstmal Gerichtskosten bezahlen, die er evtl. nicht zurückbekommt.


    -Cheffe unterzeichnet eine modifizierte Unterlassungserklärung. Wenn der Gegner dann klagt, geht es nur noch um 350€ gegnerische RA-Kosten, und der Gegner müßte mit Einreichung seiner Klage Gerichtskosten zahlen.


    Das wird Cheffe wohl widerstrebend so machen.
    Die exakt auf Kante genähte Unterlassungserklärung wird genau die Dinge beinhalten, damit diese Unterlassungserklärung vom Gegner anerkannt werden muss.


    Herr Streithansel möchte übrigens u.a. folgendes erklärt haben:
    "Die Firma von Cheffe unterläßt es, Herrn Streithansel Emails zu senden, sofern keine Zustimmung durch Herrn Streithansel vorliegt."
    Das wird Cheffe so modifizieren (außer den anderen Modifizierungen):
    "Die Firma von Cheffe unterläßt es, Herrn Streithansel Emails zu senden, sofern keine Zustimmung durch Herrn Streithansel vorliegt, oder sofern kein anwendbares Gesetz den Emailversand zuläßt."


    :D


    Mal schauen, wie diese fiktive Geschichte weitergeht...

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