Übertriebene Gewalt bei Notwehr?

  • Folgender Fall:


    Ein guter Freund hilft 2 anderen Freunden, denen das Handy abgezogen werden sollte. Sie sind in einen Penny rein und haben da angerufen. Er kommt also denen zur Hilfe und vertreibt die 3 Leutchen.


    Ein paar Wochen später, vor 4 Tagen, treffen sie ihn alleine wieder und fangen am hellichten Tag an, ihn zu schlagen. Die 4 schlagen sich und keiner der beiden Parteien (also er gegen die 3 hat so richtig Oberwasser). Passanten kriegen das mit und rufen die Grünen. Auf einmal zückt einer der 3 ein Messer und geht damit auf ihn los. Er haut ihm das Messer (Stiletto) halb mit dem Fuß aus der Hand. Der Angreifer nimmt das Messer wieder und geht wieder auf ihn los. Er greift sich seinen Arm und rammt ihm das Messer in den anderen Arm. Dann sticht er dem 2. mit dem Messer kurz und nicht tief in den Bauch und dem 3. wieder in den Arm. Er selber war unbewaffnet, aber die anderen hatten noch Totschläger und andere Springmesser mit.


    Nun das Problem: Er ist wegen Körperverletzung (hatte früher viel Stress) mehrfach vorbestraft, hat aber eine Therapie gemacht und seitdem keine Scheiße mehr gebaut (da passe ich auch drauf auf). Die Polizisten meinten zu ihm, es sei übertriebene Gewalt gewesen, weil er hätte aufhören sollen, als er dem ersten das Messer in den Arm gerammt hat. Außerdem sei er älter. Die anderen hatten aber ja noch weitere Waffen, die aber noch nicht gezückt wurden, und er nur das Messer des einen Angreifers. Sie hätten es aber eingesetzt, denn wer so etwas rumschleppt, benutzt es auch. Außerdem sind es nach der Beschreibung solche Möchtegern-Gangster, von denen es bei uns viel zu viele gibt. :( Die Passanten (mehrere alte Leute) haben dann aber vor den Polizisten protestiert und lauthals geschrien, dass er sich nur selbst verteidigt hat und ihn deshalb keine Schuld treffe.
    Das selbe denke ich auch. Außerdem hat er das Messer ja nur bei den Armen richtig reingerammt, was das Glück desjenigen mit dem Bauchschnitt war. Er hat kein Geld für einen guten Anwalt, nur den Pflichverteidiger.


    Jetzt hat er verständlicherweise Angst, in den Bau zu wandern. Was meint Ihr? Ich brauche eine fundierte Aussage eines Juristen, Polizisten oder Richters. Vielen Dank!

  • Heikle Sache das...


    Musste mich selber mal mit dem Thema beschäftigen und habe dazu folgendes gefunden (Quelle folgt):


    Der Gesetzgeber formulierte die Notwehr letztendlich wie folgt:


    § 32 StGB Notwehr
    Wer eine Tat beght, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.
    Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.



    Der Text enthält verschiedene Informationen, die vom Richter und Staatsanwalt geprüft und ausgewertet werden. Diese Prüfung wird Subsumtion genannt. In ihr vergleicht der Richter, ob der Vorfall, also der Tathergang, mit der theoretischen Definition in allen Punkten übereinstimmt. Nur wenn dies der Fall ist, findet die Gesetzesnorm Anwendung, was soviel bedeutet, wie, daß der Richter die im Gesetzestext vorgeschriebene Vorgehensweise anwenden muß und nur im Rahmen dieses Entscheidungsspielraumes entscheiden kann.


    Diese Tat wird nur deshalb nicht bestraft, weil sie zum Schutz der eigenen Person oder zum Schutz anderer Menschen notwendig war.



    " "Was bedeutet der Text des Notwehrparagraphen?"


    Der Text bestimmt in Absatz 1, daß jemand, der Notwehr anwenden mußte nicht rechtswidrig gehandelt hat und somit nicht strafbar ist. Dies ergibt sich aus den Grundlagen des Notwehrrechts (siehe oben).


    Absatz 2 enthält die Definition, die festlegt, was unter Notwehr zu verstehen ist.


    Im Einzelnen prüft der Richter folgendes:
    Es muß sich um einen Angriff handeln.
    Ein Angriff ist die unmittelbar bevorstehende oder noch nicht abgeschlossene Verletzung eines Rechtsgutes, wie Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Verlöbnis, Recht auf Intimsphäre oder auch Fortbewegungsfreiheit.



    Der Angriff muß gegenwärtig sein.
    Die Gegenwärtigkeit richtet sich nach den zur Zeit der Tat gegebenen Verhältnissen.


    Ein in Zukunft oder nicht sicher zu erwartender Angriff ist nicht gegenwärtig und somit von dem Notwehrrecht nicht erfaßt.


    Steht der Angriff jedoch unmittelbar bevor, hat der Gegner zum Beispiel den Arm zum Schlag gehoben oder nach der Waffe gegriffen, so ist der Angriff gegenwärtig, da der Täter seinen Willen nach außen erkennbar werden ließ.



    Der Angriff muß rechtswidrig erfolgen.


    Der Angreifer handelt dann nicht rechtswidrig, wenn er zu seinem Handeln befugt ist.


    Beispiel:
    Polizist P muß A, der gerade bei B eingebrochen ist, vorläufig festnehmen. A widersetzt sich der vorläufigen Festnahme und schlägt P nieder. A kann sich nicht auf Notwehr berufen, da P befugt war, das Rechtsgut des A auf Freiheit zu beschränken.


    Eine Notwehr gegen Notwehr ist unzulässig, da sie dem Gedanken des Notwehrrechtes entgegensteht und dieses Recht ansonsten unterlaufen würde.



    Die Handlung des Verteidigers muß erforderliche und gebotene Verteidigung sein.


    Die Verteidigung stellt die Abwehr des Angriffes dar. Neben der reinen „Schutzwehr“ kann auch „Trutzwehr“ in Form eines Gegenangriffes erfolgen. Wichtig ist hier jedoch, daß der Angegriffene mit Verteidigungswillen handeln muß.
    Die Verteidigung muß nach der objektiven Sachlage erforderlich und geeignet sein, den Angriff sofort zu beenden oder doch abzuschwächen.
    Stärke und Gefährlichkeit des Angriffes, insbesondere die vom Angreifer eingesetzten Mittel, seine Bewaffnung oder seine Fähigkeiten (z.B. erlernte Budokünste) bestimmen Art und Maß der Abwehr.
    Stehen dem Angegriffenen in der konkreten Situation mehrere gleich wirksame Verteidigungsmittel zur Verfügung so hat er, wenn ihm Zeit zur Auswahl oder Einschätzung der Gefährlichkeit bleibt, die mildere Handlungsalternative zu wählen, also die für den Angreifer oder etwaige Dritte am wenigsten gefährliche.
    Er braucht sich aber nicht auf schwächliche Abwehrversuche oder einen ungewissen Kampf einlassen. Er darf also das Mittel wählen, das auch bei Abschätzung der beiderseitigen Körperkräfte sicheren Erfolg verspricht. Hierzu zählt auch das Benutzen von Waffen (Messer, Pistole, Stock ...), die der Angegriffene selbst bei sich geführt hat, oder die er dem Gegner entrissen hat.


    Was der Richter jetzt dazu sagt steht aber leider auf einem anderen Blatt...


    Gruß
    CH

  • Nix für ungut, Michael.


    Zitat

    Original geschrieben von Michael
    [...]Ich brauche eine fundierte Aussage eines Juristen, Polizisten oder Richters. [...]

    Dann empfehle ich doch jemand, aus dem o. g. Personenkreis zu Rate zu ziehen, bzw. einzuschalten. Die Hilfe in einem Mobilfunkforum dürfte da m. E. nur bedingt nützlich sein ... .


    :rolleyes:

    Newbie-Reloaded :-)

  • Also in seiner Situation sollte er unbedingt einen Anwalt hinzuziehen der bei der Darstellung und ggf Richtigstellung des Sachverhalts die Führung übernimmt.


    Viel Erfolg!

  • Re: Übertriebene Gewalt bei Notwehr?


    Zitat

    Original geschrieben von Michael
    Die Polizisten meinten zu ihm, es sei übertriebene Gewalt gewesen, weil er hätte aufhören sollen, als er dem ersten das Messer in den Arm gerammt hat. Außerdem sei er älter.


    Die Meinung der Polizisten ist irrelevant. In einer Notwehrsituation darf er so lange "weitermachen" bis alle Angreifer kampfunfähig sind. Das Alter ist auch nicht ausschlaggebend. Richtig entscheiden wird das allerdings der Richter. Selbst ein "Pflichtverteidiger" wird das hinbekommen.

  • Einen Pflichtanwalt kann er sich ja erst nehmen, wenn die Verhandlung ansteht, oder? Wenn es nach seinem Willen gehen würde, würde er gar kein Verhandlung wollen, wie auch die Angreifer auch nicht. Merlin und CH haben aber 2 unterschiedliche Aussagen (CH sagt, angemessene Gewalt und Merlin sagt, bis die Angreifer unschädlich gemacht worden). Was stimmt?

  • Re: Re: Übertriebene Gewalt bei Notwehr?


    Zitat

    Original geschrieben von Merlin
    Die Meinung der Polizisten ist irrelevant. In einer Notwehrsituation darf er so lange "weitermachen" bis alle Angreifer kampfunfähig sind.


    Soweit sicher richtig, aber im Endeffekt wird es darauf hinauslaufen wie ich oben auch schon geschrieben habe ob das Gericht die Verletzungen als angemessene Verteidigung gegen den Angriff wertet oder nicht.


    Daher ist der Tip sich mit dem Anwalt über den Tatablauf vorher gründlich zu unterhalten sehr sinnvoll.


    Bei drei gegen einen hat er nicht die schlechtesten Karten und haben die Polizisten evtl. auch die Namen der Zeugen? Die waren ja "auf seiner Seite" und könnten das auch vor Gericht aussagen.
    Anonsten evtl. noch mal über Aushang/Kleinanzeige die Zeugen suchen


    Gruß
    CH


    Ich zitiere mein Post oben:


    "Stehen dem Angegriffenen in der konkreten Situation mehrere gleich wirksame Verteidigungsmittel zur Verfügung so hat er, wenn ihm Zeit zur Auswahl oder Einschätzung der Gefährlichkeit bleibt, die mildere Handlungsalternative zu wählen, also die für den Angreifer oder etwaige Dritte am wenigsten gefährliche. "


    Und man darf den Angriff abwehrene, d.h. aber nicht das man immer bis zur vollen Kampfunfähigkeit des Gegner draufhauen darf.
    Wenn Dir jemand ne Ohrfeige gibt/geben will darfs Du wohl seinen Arm festhalten, diesen aber nicht gleich brechen. Und wenn der Angreifer abbricht oder von selbst aufhört darf man auch nicht weitermachen nur weil der andere potentiell nochmal angreifen könnte. Notwehr gilt immer nur in der jeweiligen aktuellen Situation.
    Das ist halt das blöde bei Ermessen.


    Aber wie schon gesagt bei 3 on 1 und den Waffen auf Seite der Angreifer würde ich mir weniger Sorgen machen.

  • Zudem hat er als Beschuldigter im Strafverfahren das Recht, einzelne Beweiserhebungen zu beantragen. Da es offensichtlich Zeugen gibt, die seine Version stützen, würde ich an seiner Stelle deren Vernehmung durch die Polizei beantragen.


    Wie schon erwähnt würde ich mir an seiner Stelle professionellen Rat einholen. Und selbst wenn es keine Notwehr im klassischen Sinne sein, so wird mit großer Wahrscheinlichkeit ein Notwehrexzess angenommen, und da kommt er auch ohne Strafe raus.


    Und @ Merlin: Er darf nur solange weitermachen, bis der rechtswidrige Angriff beendet ist. Flieht bsp. der Angreifer, ist keine Notwehr mehr zulässig.


    Grüße Rabb :)

    Das Bessere ist der Feind des Guten.

  • Zitat

    Original geschrieben von Rabb
    Und @ Merlin: Er darf nur solange weitermachen, bis der rechtswidrige Angriff beendet ist. Flieht bsp. der Angreifer, ist keine Notwehr mehr zulässig.


    Ja, von einer "Flucht" des Angreifers stand allerdings nichts in der Fallbeschreibung ... ;)

  • Sicher nicht aber es ist für uns auch sicher nicht nachzuvollziehen ob und wie es da jetzt konkret abgelaufen ist.


    Evtl. wollte einer von den dreien tatsächlich abhauen und wurde durch ein Messer im Arm daran gehindert?


    Wie auch immer um den Weg zum Anwalt führt kein Weg drum herum


    CH

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