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Original geschrieben von Betamax
Ich will jetzt gar nicht mal meine Meinung zum Thema äußern, sondern eine Frage in den Raum stellen, die mich persönlich vor Ort derzeit stark interessiert:
Hier in unserer kleinen NRW Kommune sind bereits alle Unterkünfte ausgelastet. Nun wurde in einem kleinen Ort, etwa 900 Einwohner, die kleine Dorfhalle für 70 ankommende Flüchtlinge hergerichtet, alle Vereine mussten innerhalb von 2 Tagen ihre Gegenstände dort entfernen und alle Veranstaltungen für 2015 absagen bzw. verschieben. Nun stellt sich die Frage: wie lange bleiben die Flüchtlinge dort und wo kommen sie hin, wenn sie nicht mehr dort sind? Wohnungen gibt es hier eigentlich kaum bis gar nicht. Die Frage ist also ganz neutral, mich interessiert es einfach. Werden die Flüchtlinge dann in andere Städte geschickt? Oder wohnen die jetzt die nächsten Jahre mit 70 Leuten in einem kleinen Dorfhaus? Wobei "wohnen" es ja nicht wirklich trifft...
Was mich ebenfalls stutzig macht: die Gemeinde baut nun auf einem Spielplatz ein Haus für Flüchtlinge (bzw. generell Sozialwohnungen). Allerdings soll das Haus erst 2017 bezugsfertig sein. Wie kann das gut gehen, wo doch jetzt schon überall Wohnungen fehlen? Da müsste doch theoretisch viel schneller und intensiver gebaut werden, nicht nur ein Haus und nicht erst 2017?
Vielleicht hat ja jemand Erfahrungen aus der Praxis zur ersten Frage, das zweite wird mir wohl niemand beantworten können schätze ich.
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Moin Betamax,
die Unterbringungsfrage wird die zentrale Frage der nächsten Wochen und Monate werden. In den nächsten Wochen werden die Zahlen von Flüchtlingen vermutlich noch steigen, weil viele Flüchtlinge die vermutlich nicht falsche Sorge haben, dass die EU-Außengrenze innerhalb der nächsten Wochen komplett geschlossen wird. Zudem steht der Winter vor der Tür. Deutschland hat mit den Belastungen der Situation sehr zu kämpfen, aber die Situation in Slowenien ist weitaus ernster, und in einigen Mittelmeerregionen ist die Situation ebenfalls sehr schwierig.
In meiner Heimatregion und in meiner beruflich bedingten Wahlheimat verläuft die Situation jeweils noch in geregelten Verhältnissen. Aber die mittelfristige dauerhafte Unterbringung stellt natürlich auch hier eine Herausforderung dar. Man kann die Menschen nicht lange in Turnhallen unterbringen, das kann nur eine Übergangslösung sein. Aber der Bau von Containerunterkünften geht auch nicht von heute auf morgen.
Ärgerlich ist, dass Bund und Länder erst seit ein paar Wochen richtig aktiv werden, obwohl diese Entwicklung seit Monaten absehbar war - Hinweise aus den Kommunen gab es hinreichend. Und nicht nur dort: Der italienische Ministerpräsident hat sich mehr oder weniger den Mund fusselig geredet, dass hier eine Lösung gefunden werden muss, nur war die europäische und deutsche Politik mit der Griechenlandkrise ausgelastet, die vergleichsweise ein geringes Problem darstellt, unter anderem, da sie in den Nordländern eher wie eine abstrakte Herausforderung wirkte. In diesen Monaten hätte man sich besser auf die jetzige Situation einstellen können und müssen, aber über vergossene Milch brauchen wir uns jetzt nicht mehr zu beschweren. Das ist so passiert.
Mittelfristig wird man vielleicht einerseits darüber nachdenken müssen, wie man die EU-Außengrenze besser kontrolliert. Zugleich wird man die zum Teil schlimme Versorgungslage in den Lagern im Nahen Osten verbessern müssen sowie nach einem halbwegs geregelten Verfahren Flüchtlinge direkt in den Westen bringen müssen - so wie es, wenn auch in sehr bescheidenen Maß, Großbritannien macht.
Es ist nicht akzeptabel, dass jetzt Schlepper ihr Geschäft mit Flüchtlingen machen und diese sich dabei auf einen extrem gefährlichen Weg machen. Das muss mittelfristig aufhören oder zumindest eingeschränkt werden. Aber es gibt nicht den einen Ausschaltknopf, zumal sich die Flüchtlinge nicht aus Jux auf den Weg gemacht haben, und wir werden uns darauf einstellen müssen, dass alle Maßnahmen, die zur Begrenzung/Umleitung/anderweitigen Hilfe für Flüchtlinge jetzt geschaffen werden, erst mit Verzögerung wirken können.