Kampf der Generationen
Seit der Vorstellung des letzten wirklich neuen "normalen" Handys (also nicht SmartPhones) von Sony Ericsson, dem T610, ist nun eine ganze Weile ins Land gegangen. Nachdem es mit dem Z600 und dem T630 mehr oder weniger identische Spin-Offs gab, war die Zeit reif für einen echten Nachfolger.
Sony Ericsson ist inzwischen am Markt recht erfolgreich und verkauft heute, anders als früher, nicht mehr nur an Technik- und Designfreaks, sondern hat sich auch bei den "Kiddies" ordentlich breit gemacht. Früher wäre ein Gerät wie das T630 an den typischen Ericsson- bzw. Sony Ericsson - Käufer nicht verkaufbar gewesen. Dass es heute und sogar hier Menschen gibt, denen ein T630 - und zwar durchaus nicht nur wegen des Displays - besser gefällt als ein T610, zeigt, wie sehr sich Klientel und Marktpositionierung geändert haben.
Mit dem K700i will man nun offenkundig wieder beide Seiten bedienen: Das Teilmetallgehäuse und das außergewöhnliche Design sollen wohl bei den Old-School-Ericsson-Fans for compliments fishen, während die vollflächige Tastatur (die beim T630 schon gut ankam) und das - wenn auch nur interpolierende - Megapixel der Kamera wohl eher bei den Kids für Verzückung sorgen werden. Kann man es beiden Seiten Recht machen? We will see...
Design/Verarbeitung
Leute wie ich haben das T630 nie als Nachfolger des genialen T610 gesehen. Allenfalls durfte es als Ersatzteil- (genauer gesagt Display-) Spender für ein umzubauendes T610 herhalten. Mit dem K700i hat S/// nun einen Nachfolger gelauncht, an dem auch die Anhänger der guten alten Zeit ihre Freude haben werden. Man merkt, dass hier Industriedesigner am Werk waren - die ihr Geld wahrlich verdient haben. Den wertigsten Eindruck des Gerätes macht aufgrund seiner Metallbeschichtung der Akkudeckel. Man würde sich wünschen, dass auch andere Teile des Gehäuses aus Metall bestehen (wie z.B. der Bereich um das Display, bei dem der Metall-Look leider nur ein Look ist), aber dennoch muß selbst ich gestehen, dass dieser Materialmix etwas hat. Auch die Farben des Gehäuses sind absolut stimmig und wirken, obwohl es drei an der Zahl sind, keineswegs kitschig. Die Formgebung des Gerätes mit seinen aufeinander zu laufenden abgeflachten Seiten von Front- und Backcover ist perfekt und liegt absolut traumhaft in der Hand. Die Idee, den Anschluss unten mit einem Deckel abzudecken, ist grundsätzlich gut und verleiht dem Gerät ein in sich geschlosseneres Design. Allerdings hättte man den Deckel so konstruieren sollen, dass er etwas leichter abgeht.
Der runde Kreis um die Kamera auf der Rückseite findet auf der Vorderseite in besonders gekonnter Art und Weise seine Fortsetzung: Die untere Hälfte des Kreises wird durch die Formgebung der vier oberen Tasten sowie eine in die Tastaturbeschriftung der darunterliegenden Tasten eingelassene Metallfolie dargestellt, während der obere Teil des Kreises in entsprechend designten Themes im Display des Gerätes seine - z.T. animierte - Fortführung findet. Wirklich sehr schön gemacht!
Eine Verschandelung dieses Schmuckstücks durch Vodafone- oder ähnliche Logos ist noch verwerflicher als damals beim T610 - vom Kauf gebrandeter Geräte muss unter ästhetischen Gesichtspunkten dringenst abgeraten werden.
Tastatur
Die Tastatur des K700i erinnert an die des T630. Die komplett durchsichtigen Tasten mit darunterliegender Beschriftung wirken insbesondere im beleuchteten Zustand extrem schick. Der Druckpunkt ist ausgezeichnet, auch die Blindbedienbarkeit ist aufgrund der zumindest vertikalen Trennung des Tastenfelds ebenfalls gut.
Leider nicht so recht gelungen ist der Joystick. Er liegt zu tief im Gehäuse, ist zu glatt und lässt sich somit weit weniger knackig, präzise und schnell betätigen als der der Vorgängergeräte. Mit ein wenig Übung klappts dann zwar, aber bis dahin hat man ihn einige Male eingedrückt, anstatt in eine der vier Himmelsrichtungen. Zwar kein Vergleich mit dem Drücker des Siemens SX1, aber so ein bißchen fühlte ich mich im ersten Moment schon an den fischigen Siemens-Stick erinnert...
Display
Mächtig zugelegt hat das Neue beim Display. Die Auflösung wurde von 128x160 auf 172x220 erhöht. Da die Größe des Displays im Wesentlichen gleich geblieben ist, wirkt es nun sehr viel feinkörniger. Zusammen mit der ebenfalls wesentlich verbesserten Ablesbarkeit bei hellem Umgebungslicht ist das neue Display eines der hervorstechensten Highlights des K700i.
Schön ist auch die bereits erwähnte "softwaremäßige" Emulation des Kreises, der auf der Frontseite des Gerätes das Gegenstück zum rückseitigen Kameraring darstellt. Es bleibt zu hoffen, dass die vielen "ehrenamtlichen" Theme-Designer diesen Kreis berücksichtigen werden - mir jedenfalls kommt kein Theme OHNE den Halbkreis aufs Gerät.
Menü/Bedienung
Nach der Komplettrenovierung des Äußeren war auch eine Frischzellenkur fürs Menüsystem vonnöten. Diese ist erfreulich dezent und dennoch ausreichend fühlbar ausgefallen. Die Menüs des Desktops sind nun - natürlich auch wegen der höheren Auflösung - noch detailreicher und werden beim Wechsel zwischen ihnen nett animiert. Verlässt man die obere Ebene, findet man in den meisten Menüs die bekannte Textdarstellung vor. Das Einstellungsmenü, das früher etwas arg überfrachtet war, hat man jedoch aufgeräumt. So finden sich nun oben vier Reiter, zwischen denen man horizontal blättert. Das Ganze ist genauso gestaltet wie früher die Hauptmenüebene beim T39m/R520m. Die Reiter unterteilen das Einstellungsmenü in "Allgemein", "Töne und Signale", "Display" und "Anrufe". Darunter gruppieren sich dann die jeweiligen Untermenüs in der bekannten einfachen Textform. Dieselbe neue Struktur findet sich auch beim Durchblättern des Adressbuchs, wo die verschiedenen Angaben wie Nummern, Adressen usw. ebenfalls in Reitern organisiert sind.
Features/Funktionen
Neben all den bekannten Features von T610/T630 bietet das K700i eine ganze Menge an Neuigkeiten, die teils mehr, teils weniger interessant sind, das Gerät aber in der Summe zu einem hochintegrierten "Komplettpaket" machen.
Eine der interessantesten Neuerungen ist zweifellos der Media Player. Zusammen mit dem Dateisystem, welches bei brandingfreien Geräten 41MB freien Speicher aufweist, gestattet dieser die Wiedergabe von diversen Video- und Audioformaten, u.a. WAV und natürlich MP3. Lt. Whitepaper soll der MP auch MIDIs wiedergeben können, was mir jedoch nicht gelungen ist. MIDIs lassen sich, zumindest in der derzeitigen SW-Version, nur im Menü zur Ruftonauswahl finden und auch abspielen.
Apropos MIDI: Der Synthesizer hat von der Leistung her gegenüber T610/630 nochmals zugelegt. Meine Testfiles, bei denen die älteren Geräte an bestimmten Stellen Noten "fallenliessen", werden auf dem K700i ohne jeden Aussetzer abgespielt. Das ist weniger eine Frage der xx-fachen Polyphonie, sondern schlicht und ergreifend der Rechenpower des Soundchips.
Der Media Player verfügt über einen Graphic Equalizer mit vordefinierten Settings und kann während der Wiedergabe "minimized" werden, so dass man mit dem Gerät anderweitig weiterarbeiten kann. Dies ist übrigens natürlich auch mit dem Radio möglich.
Hätte das Gerät einen Speicherkartenslot, wäre es ein vollwertiger MP3-Player. Leider hat es den nicht, und so muß man mit den 41MB auskommen...
Ebenfalls neu natürlich das Radio. Wie bei anderen Geräten, erfordert es ein eingestecktes Headset, da dieses als Antenne dient. Die Wiedergabe kann aber auf Wunsch auch über den integrierten Lautsprecher erfolgen. Ein Wecken mit Radio ist allerdings nicht möglich. Die Radiofunktion hat eine automatische oder manuelle Sendersuche, eine Mono-/Stereoumschaltung und kann bis zu 20 Sender speichern. RDS gibts leider nicht. Die Radiofunktion kann wie gesagt "minimized" werden.
Auch neu ist die "Videoleuchte", mit der man auch bei Dunkelheit halbwegs erkennbare Fotos oder Videos aufnehmen kann. Die Verwendung als Taschenlampe erscheint mir allerdings wesentlich sinnvoller...
Wo wir bei der Kamera sind: Die maximale physikalische Auflösung der Bilder beträgt 640x480 Punkte. Darüber hinaus steht eine Softwareinterpolation auf 1280x960 Punkte zur Verfügung. Sinn macht diese Option allerdings nicht: Für die Übertragung der Bilder per MMS ist sie unsinnig, und wenn man die Bilder zum PC übertagen will, werden sie dort auch nicht "ausdruckbarer" als eine 640x480-Aufnahme.
edit: Testvideo und -bild eingefügt:
Video (Achtung, 3gp-Format, kann mit z.B. QuickTime 6.x abgespielt werden)
Bild
Für viele eine sehnlich erwartete Neuerung gibts im Telefonbuch: Das Gerät hat nun auch Datenfelder für Adressen.
Hinter dem "Dateimanager" verbirgt sich ein simpler Browser, mit dem man die diversen Mediendateien, die sich im Speicher befinden, durchblättern kann. Aus ihm heraus kann man z.B. Soundfiles oder Bilder zu Kontakten zuordnen - ist so herum einfacher, als sich immer erst im Telefonbuch zum entsprechenden Menü durchzuhangeln.
Eine weitere Neuerung ist die Einstellbarkeit der Displaybeleuchtung. Neben an/aus/auto gibt es jetzt auch "PowerSave". Dies entspricht der bisherigen Einstellung "auto", d.h. nach einer gewissen idle time schaltet das Display komplett ab. Im "auto"-Mode dagegen bleibt der bekannte Uhrenscreensaver ständig sichtbar. In dieser Einstellung bleibt auch das PopUp nach einem verpassten Anruf oder nach empfangener SMS permanent sichtbar, natürlich ohne Displaybeleuchtung - bekanntlich auch ein Kritikpunkt am T610/630.
Sicher auch von vielen herbeigesehnt: Jetzt gibts eine Einstellung, um die eigene Rufnummer permanent zu übertragen, zu blockieren oder die Default-Einstellung im Netz zu verwenden. Also das, was andere Geräte schon seit Jahren bieten...
Über den rechten Softkey kann BT, IR und die Stummschaltung aktiviert, der Gerätestatus abgefragt oder die Shortcutliste aufgerufen werden. Natürlich nur bei brandingfreien Geräten. Das D2-Gerät wird auf den Druck der rechten Taste sicher wieder das lecker VF-Live!-Geschrabbel aufrufen...
Völlig neue Gestaltungsmöglichkeiten scheint es bei den Themes zu geben. Abgesehen davon, dass diese nun animierte Hintergründe haben können, scheint es auch bei der Gestaltung von Rahmen, Balken usw. deutlich umfangreichere Möglichkeiten zu geben als bisher, wie einige der bereits verfügbaren Themes zeigen.
Die Fernbedienung via Bluetooth ist ebenfalls neu. Hierzu gibt es im Gerät ein Menü, mit welchem man einen über BT verbundenen PC fernsteuern kann, und zwar konkret den Desktop, den Media Player und PowerPoint. Das Ganze soll offensichtlich über das HID-BT-Profil erfolgen. In der Widcomm-Software findet sich beim K700i folgerichtigerweise ein Dienst namens "Mouse und Keyboard". Zum Laufen habe ich es allerdings noch nicht bekommen...
Nicht gespart hat man glücklicherweise am Anschluß für Autoantennen - ein Feature, welches viele andere Geräte inzwischen vermissen lassen.
Connectivity
Es sind natürlich wieder IrDA und BT an Bord, die bekannten Datenkabel können ebenfalls angeschlossen werden.
Die mitgelieferte Software bringt den von den Vorgängern bekannten "Mobile Phone Monitor" mit. Zur Synchronisation kommt jetzt allerdings nicht mehr XTND Connect PC zum Einsatz, sondern eine im wesentlichen der P800/P900 Syncsoftware entsprechende Lösung. Bedauerlicherweise synchronisiert diese ausschließlich mit MS Outlook. Das war zwar bei der XTND Connect PC OEM-Version auch nicht anders, aber da konnte man immerhin die Vollversion kaufen und mit dieser dann T39, T610 und Co. auch mit anderen PIMs (wie etwa Palm Desktop oder Lotus Notes) synchen. Da der Mobile Phone Monitor derselbe ist wie der bei den bisherigen Geräten (nur halt etwas neuer), funktioniert die XTND-Vollversion aber auch mit dem K700i - einen kleinen Eingriff in die Registry vorausgesetzt (s. dazu mein separater Thread).
Der S/// - Support leugnet übrigens die Kompatibilität mit XTND Connect PC - der sonst nahezu makellose Eindruck des Gerätes wird also wieder einmal - und wie schon so oft bei vielen anderen Geräten - durch den Punkt "PC-Sync" und die diesbzgl. Outlook-Fixierung der Hersteller getrübt. Aber nun gut - "hilf Dir selbst" funktioniert hier wenigstens, anders als bei manch anderen Geräten...
Fazit
Das K700i ist definitiv ein würdiger Nachfolger des T610. Design und Haptik sind nahezu optimal, der Funktionsumfang hervorragend. Es fehlt allerhöchstens ein Speicherkartenslot - an dieser Stelle hat das Nokia 6230 geringfügig die Nase vorn. Davon abgesehen bietet das K700i allerdings das deutlich besser ausgestattete, durchdachtere Design als der finnische Konkurrent. Besonders zu begrüßen ist, dass S/// eine Menge Kleinigkeiten beseitigt hat, die an den Vorgängergeräten einfach nur ärgerlich waren. Etwa das Thema Display-Standby oder die Adressfelder im Telefonbuch. Ungeachtet eventuell "suboptimaler" Messwerte, welche die connect ggf. ermitteln wird, wenn sie das Gerät testet, ist das K700i derzeit zweifellos eines der, wenn nicht DAS bestausgestattetste "normale" Handy, welches derzeit hierzulande zu haben ist. Für meinen Geschmack ist es das auf jeden Fall (ich brauche keinen Kartenslot an einem Handy, sowas würde mir nur an einem SmartPhone fehlen). S/// hat hier IMHO ganze Arbeit geleistet - das Warten hat sich absolut gelohnt! :top: