Ich denke, wir haben in den letzten Tagen erlebt, was für ein Mensch dieser Guttenberg ist, wenn man ihn einmal losgelöst von seinem durch BILD verbreiteten "Glanz" sieht. Jeder hat sich selbst einen Eindruck verschafft, und es steht nicht zu erwarten, dass dieser Eindruck bei allen Menschen gleich ausgefallen ist.
Man kann sich auch über seine bisherigen Leistungen als Verteidigungsminister trefflich streiten, doch zu einem einheitlichen Ergebnis wird man weder hier noch anderswo gelangen.
Völlig unabhängig der verschiedenen Meinungen lässt sich objektiv feststellen, dass Guttenbergs persönliche Glaubwürdigkeit Schaden genommen hat und damit auch seine Rolle als scheinbar unabhängiger Querdenker in der Union. Er ist nun, eher unbemerkt von der Öffentlichkeit, zu einem Verteidigungsminister von BILDs und Merkels Gnaden geworden, der seinen akademischen Grad in diesem Zusammenhang wohl als Kollateralschaden oder Bauernopfer betrachten wird. Ein Verteidigungsminister muss kein "Dr." sein, das ist richtig, und ein "Volkstribun" wie Guttenberg erst recht nicht.
Die Opposition demonstrierte gestern, dass sie sich kaum an diese "Lichtgestalt" herantraut. Jürgen Trittin und Karl Lauterbach attackierten zwar heftig, wurden aber z. T. sehr unsachlich, die meisten anderen begnügten sich mit ein paar harmlosen Anmerkungen. Einzig Krista Sager vermochte sowohl in der Sache als auch in der Art und Weise klarzumachen, worum es eigentlich ging, doch den gewöhnlichen BILD-Konsumenten, die Keimzelle der Guttenbergschen "Fangemeinde," erreichte sie damit sicherlich nicht. Der Gesamteindruck, den man gestern von der Opposition gewinnen konnte, erfüllte ziemlich genau die Bewertung, die ich schon vor der gestrigen Aktuellen Stunde vornahm: Die Opposition im Bundestag muss man zum Jagen tragen, sie hat keine echten Führungspersönlichkeiten und agierte, wie es ingo74 zutreffend schreibt, völlig dilettantisch. Gestern war es nicht die Stärke der Union, die Guttenberg politisch überleben lässt, sondern die eklatante Schwäche der Opposition. Zumindest aus dem Bundestag droht der schwarz-gelben Koalition gegenwärtig keinerlei Ungemach, soviel ist sicher.
Was bleibt, ist zumindest bei den meisten sogenannten Bildungsbürgern die Erkenntnis, dass ein bis dahin für seine persönliche Integrität geachteter Mensch die Ideale eben jenes Bildungsbürgertums mit Füßen getreten hat, nur weil er sich davon einen schnelleren Aufstieg zur Macht bzw. einen Erhalt derselbigen versprach.
Doch hat ChickenHawk schon richtig festgestellt, dass die Zahl der Stimmen dieser Bildungsbürger wohl erheblich geringer sein dürfte als die Zahl der BILD-konsumierenden Guttenberg-Anhängerschaft. Von daher auch wieder eine "Güterabwägung," die möglichen Stimmenverluste aus dem Lager der konservativen Eliten sind verschmerzbar - ein weiterer Kollateralschaden auf Guttenbergs politischem Weg.
Von daher kann sich Guttenberg fürs erste entspannen und weiterhin - jetzt mehr denn je zuvor - seine Selbstinszenierung mittels BILD vorantreiben. Die einen werden ihm dabei Glück wünschen, andere eher das Gegenteil - das ist eben Politik. Doch eines sollte auch Guttenberg nicht vergessen: er hat seine politische Zukunft durch sein Verhalten auf Gnade und Ungnade mit dem Boulevardjournalismus und der Stimmung der Massen verknüpft. Und diese Stimmung ist bekanntlich wankelmütig. Mögen die Massen auch heute noch "Hosianna" singen, schon morgen könnte dies in ein Ohren betäubendes Gebrüll umschlagen: "Kreuzigt ihn!" So erging es nämlich auch schon diversen anderen Volkstribunen, Messiassen und heilsbringenden Lichtgestalten.